Rosenkranz


 «    An den Leser    » 

So wie in anderen Zeiten
muß der Rosenkranz auch heute
eine mächtige Waffe sein,
uns in unserem inneren Kampf
siegreich sein zu lassen
und allen Menschen zu helfen.
Erhebe deine Stimme zu Maria,
der Herr erwartet
Wiedergutmachung von dir
und ein Lob aus deinem Mund.
Mögest du es immer verstehen,
mit dieser wunderbaren
marianischen Frömmigkeit
und deiner aufmerksamen Liebe
Frieden und Freude zu säen
überall in der Welt.

Heiliger Josefmaria
Rom, im Oktober 1968

 «    Vorwort    » 

Diese Zeilen sind nicht für alte Mütterchen geschrieben. – Sie sind für sehr erwachsene und für sehr männliche Menschen geschrieben, die zweifellos manchmal ihr Herz zu Gott erheben und mit dem Psalmisten ausrufen: "Notam fac mihi viam, in qua ambulem; quia ad te levavi animam meam. – Zeig mir den Weg, den ich gehen soll, ich erhebe zu Dir meine Seele (Ps 143,8).
Ich muß diesen Menschen ein Geheimnis verraten, das sehr wohl der Anfang des Weges sein kann, von dem Christus wünscht, daß sie ihm folgen.
Mein Freund: Wenn du groß sein möchtest, dann werde klein!
Um klein zu sein, mußt du glauben, wie die Kinder glauben, lieben, wie die Kinder lieben, blind vertrauen, wie es die Kinder tun… beten, wie die Kinder beten.
All dies ist notwendig, um das, was ich dir in diesen Zeilen entdecken möchte, in die Tat umzusetzen.
Am Anfang des Weges, dessen Ende die ganze Torheit eines Lebens für Jesus ist, steht eine vertrauensvolle Liebe zu Maria. Willst du die Mutter Gottes lieben? – Dann lerne sie kennen! – Wie? – Bete den Rosenkranz Unserer Lieben Frau gut
Aber im Rosenkranz… sagen wir doch immer dasselbe! – Immer dasselbe? Und sagen sich Verliebte nicht immer dasselbe?… Kann es nicht sein, daß du den Rosenkranz darum eintönig findest, weil du anstatt Worte zu formen nur leere Laute von dir gibst, während deine Gedanken sehr weit von Gott weg sind? – Außerdem, sieh: Vor jedem Gesätz spricht man das Geheimnis aus, das man betrachten will. – Hast du jemals diese Geheimnisse betrachtet?
Werde klein! Komm mit mir, und – das ist das Wesentliche meiner vertrauensvollen Unterhaltung mit dir – wir werden das Leben von Jesus, Maria und Josef leben.
Jeden Tag werden wir Ihnen aufs neue zu Diensten sein. Wir werden ihren Gesprächen zuhören, den Messias heranwachsen sehen, die dreißig Jahre seines verborgenen Lebens bewundern… Wir werden bei seinem Leiden und seinem Tod zugegen sein… und die Herrlichkeit seiner Auferstehung bestaunen… Mit einem Wort: Von Liebe fortgerissen (es gibt keine andere Liebe als die Liebe), werden wir jeden einzelnen Augenblick des Lebens Jesu Christi betrachten.

 «    Die freudenreichen Geheimnisse    » 

Die Verkündigung

Vergiß nicht, mein Freund, daß wir Kinder sind. Die Frau mit dem liebenswerten Namen, Maria, ist ins Gebet vertieft.
Du kannst in jenem Haus das sein, was du gern möchtest: ein Freund oder Diener, ein Neugieriger, ein Nachbar… Ich traue mich nicht, überhaupt etwas zu sein. Ich verberge mich hinter dir und betrachte voll Staunen die Szene: Der Erzengel verkündet seine Botschaft… "Quomodo fiet istud, quoniam virum non cognosco?" – Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? (Lk 1,34)
Die Stimme unserer Mutter ruft mir dagegen alle Unreinheit der Menschen in Erinnerung… auch die meine.
Wie hasse ich jetzt diese gemeinen irdischen Erbärmlichkeiten!… Welche Vorsätze!
"Fiat mihi secundum verbum tuum." Mir geschehe nach deinem Wort (Lk 1,38).
Beim wunderbaren Aussprechen dieser jungfräulichen Antwort ist das Wort Fleisch geworden.
Das erste Gesätz geht zu Ende… Noch habe ich Zeit, meinem Gott eher als jeder andere zu sagen: Jesus, ich liebe Dich.

Der Besuch bei Elisabeth

Jetzt, mein Kind und Freund, weißt du dich schon allein zurechtzufinden. Begleite freudig Josef und Maria… und lausche der Geschichte des Hauses David: von Elisabeth und Zacharias wird man sprechen, du wirst von der lauteren Liebe Josefs bewegt sein, und jedesmal, wenn sie das Kind erwähnen, das in Bethlehem geboren werden soll, wird dein Herz schneller schlagen.
Wir eilen in eine Stadt im Bergland von Judäa (Lk 1,39).
Wir sind da. Es ist das Haus, wo Johannes der Täufer geboren wird. – Elisabeth ruft voll Dankbarkeit der Mutter ihres Erlösers zu: Du bist gebenedeit unter allen Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes. – Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? (Lk 1,42-43)
Der Täufer hüpft in ihrem Schoß… (Lk 1,41). – Die Demut Mariens zeigt sich im Magnificat… Und du und ich, die wir stolz sind, die wir stolz waren, versprechen, demütig zu sein.

Die Geburt Jesu

Ein Befehl ging von Kaiser Augustus aus, alle Bewohner des Reiches aufzuzeichnen. Jeder mußte daher in seine Vaterstadt gehen. – Auch Josef reist mit der Jungfrau Maria von Nazareth nach Judäa in die Stadt, die Bethlehem heißt, da er aus dem Haus und Geschlecht Davids ist (Lk 2,1-5).
Und in Bethlehem kommt unser Gott zur Welt: Jesus Christus! – In einem Stall, denn in der Herberge gibt es keinen Platz. Seine Mutter wickelt Ihn in Windeln und legt Ihn in eine Krippe (Lk 2,7).
Kalt. – Ärmlich. – Ich bin Josefs Diener. Wie gut er ist! – Er behandelt mich wie seinen Sohn. – Und er verdenkt es mir nicht, wenn ich das Kind in meine Arme nehme und Es unter zärtlichen, glühenden Worten Stunde um Stunde halte!
Ich küsse Es – tu du es auch – und ich wiege Es in meinen Armen, und singe vor Ihm und nenne Es König, Liebe, mein Gott mein Ein und mein Alles!… Wie liebenswert ist das Kind… und wie kurz das Gesätz.

Die Darstellung im Tempel

Als die Tage der Reinigung der Mutter nach dem Gesetz des Moses erfüllt waren, mußten sie mit dem Kind nach Jerusalem gehen, um Es dem Herrn darzustellen (Lk 2,22).
Und diesmal bist du es, mein Freund, der den Korb mit den Turteltauben trägt. Siehst du? Sie, die Unbefleckte, unterwirft sich dem Gesetz, als ob sie der Reinigung bedürfte
Lehrt dich dieses Beispiel nicht, mein törichtes Kind, das heilige Gesetz Gottes trotz aller persönlichen Opfer zu erfüllen?
Sich reinigen! Du und ich, wir brauchen wirklich Läuterung! – Sühne, und weit mehr als nur das: die Liebe. Eine Liebe, die wie ein glühendes Eisen den Schmutz von unserer Seele wegbrennt, die wie ein Feuer unsere armseligen Herzen mit göttlichen Flammen entzündet.
Ein gerechter und gottesfürchtiger Mann ist auf Eingebung des Heiligen Geistes in den Tempel gekommen. Ihm war geoffenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, bevor er Christus gesehen habe. Er nimmt den Messias in seine Arme und spricht: Nun lässest Du, Herr, Deinen Knecht nach Deinem Wort in Frieden scheiden… denn meine Augen haben den Heiland geschaut (Lk 2,25-30).

Die Auffindung im Tempel

Wo ist Jesus? Herrin, das Kind… wo ist Es?
Maria weint. – Vergeblich sind du und ich schon von einer Gruppe zur anderen, von der einen Reisegesellschaft zur nächsten gelaufen: Sie haben Ihn nicht gesehen. – Umsonst versucht Josef, seine Tränen zurückzuhalten – jetzt weint auch er… Und du… und ich…
Ich weine mir die Augen aus, da ich nun einmal ein grober Kerl bin, und ich schreie zum Himmel auf und beklage die Zeit da ich Ihn durch meine Schuld verlor und nicht weinte.
Jesus: daß ich Dich niemals mehr verliere… Und jetzt sind wir, du, mein Freund, und ich, im Unglück und im Schmerz verbunden, so wie wir in der Sünde verbunden sind. Und aus unserem Innersten steigen Seufzer tiefer Zerknirschung und Worte voll Inbrunst, die keine Feder aufschreiben kann noch darf. Dann, welcher Trost – drei Tage war Er verschwunden – welche Freude, Jesus wiederzufinden, wie Er mit den Gelehrten Israels disputiert (Lk 2,46). Und deiner Seele und meiner bleibt die Verpflichtung fest eingeprägt, Haus und Familie zu verlassen, um dem himmlischen Vater zu dienen.

 «    Die schmerzensreichen Geheimnisse    » 

Die Todesangst im Ölgarten

Betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. – Petrus ist eingeschlafen. – Und die anderen Apostel auch. – Und auch du bist eingeschlafen, mein Kind und Freund… und auch ich war ein schläfriger Petrus.
Jesus, allein und traurig, leidet und tränkt die Erde mit seinem Blut.
Auf dem harten Boden kniend harrt Er aus im Gebet. – Er weint um dich… und um mich: die Sünden der Menschen lasten schwer auf Ihm.
"Pater, si vis, transfer calicem istum a me." – Vater , wenn Du willst, laß diesen Kelch an mir vorübergehen… Doch nicht mein Wille, "sed tua fiat", sondern der Deine geschehe (Lk 22,42).
Ein Engel vom Himmel stärkt Ihn. Jesus leidet Todesangst. – Er hält durch, "prolixius", und betet noch inbrünstiger… Er kommt herüber zu uns, die wir schlafen: Steht auf und betet, bittet Er uns erneut, damit ihr nicht in Versuchung geratet (Lk 22,46).
Judas der Verräter: mit einem Kuß. – Das Schwert des Petrus leuchtet auf in der Nacht. – Jesus spricht: Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen, um mich festzunehmen? (Mk 14,48)
Feige folgen wir von weitem, aber jetzt wach und betend. – Gebet… Gebet…

Die Geißelung

Pilatus spricht: Es ist Brauch, daß wir euch zu Ostern einen freigeben. Wen sollen wir freilassen, Barrabas – einen Räuber, der mit anderen wegen Mordes eingekerkert worden war – oder Jesus? (Mt 27,17) Töte diesen und gib den Barrabas frei, schreit die Menge, aufgestachelt von den Ältesten (Lk 23,18).
Noch einmal spricht Pilatus: Und was soll ich mit Jesus tun, der Christus genannt wird? (Mt 27,22) – "Crucifige eum!" Kreuzige Ihn! (Mk 15,13)
Pilatus sagt ihnen zum dritten Mal: Aber was hat Er Schlimmes getan? Ich habe keine Todesschuld an Ihm gefunden (Lk 23,22).
Das Geschrei der Menge schwillt an: Kreuzige Ihn! Kreuzige Ihn! (Mk 15,14) Und Pilatus, der das Volk zufriedenstellen will, gibt ihnen den Barrabas frei und läßt Jesus geißeIn.
An die Säule geschnürt. Mit Wunden übersät.
Die Schläge der Riemen sausen nieder auf seinen zerfetzten Leib, auf seinen makellosen Leib, der für deinen sündigen Leib leidet. – Weitere Schläge. Weiter die Raserei… Noch mehr… Es ist der Ausbund menschlicher Grausamkeit. Schließlich, als sie erschöpft sind, binden sie Jesus los. – Und Christi Leib, ausgezehrt von Schmerz, fällt wie ein Wurm zerfleischt und halbtot.
Du und ich, wir können nicht sprechen. Worte sind überflüssig. – Sieh Ihn an, sieh Ihn an… und wende deine Augen nicht ab.
Kannst du nach all dem die Buße noch fürchten?

Die Dornenkrönung

Die Leidenssehnsucht unseres Königs ist erfüllt.
Sie führen meinen Herrn in das Innere des Palastes, und dort rufen sie die ganze Kohorte zusammen (Mk 15,16). Die brutalen Soldaten haben seinen ganz reinen Leib entblößt. – Mit einem Purpurfetzen, alt und schmutzig, bekleiden sie Jesus. Ein Rohr als Zepter in seiner Rechten…
Die Dornenkrone, ins Blut getrieben, macht Ihn zum König des Hohns… "Ave Rex Iudaeorum!" – Sei gegrüßt, König der Juden (Mk 15,18). Mit Schlägen verwunden sie sein Haupt. Und sie ohrfeigen Ihn und spucken Ihn an.
Mit Dornen gekrönt und mit Lumpen aus Purpur bekleidet wird Jesus den Juden vorgeführt: "Ecce homo!" Seht, welch ein Mensch! Die Hohenpriester und die Diener beginnen von neuem zu schreien: Kreuzige Ihn! Kreuzige Ihn! (Joh 19,5-6)
Haben wir, du und ich, Ihn nicht aufs neue mit Dornen gekrönt, Ihn geohrfeigt und Ihn angespuckt?
Nie wieder, Jesus, nie wieder… Und ein fester und klarer Vorsatz beschließt diese zehn Gegrüßet-seist-du-Maria.

Die Kreuztragung

Mit seinem Kreuz auf den Schultern geht Er hinaus nach KaIvaria, dem Ort, der auf hebräisch GoIgotha heißt (Joh 19,17). Und sie halten einen gewissen Simon von Cyrene an, der gerade vom Feld kommt, und laden ihm das Kreuz auf, daß er es Jesus nachtrage (Lk 23,26).
Jetzt erfüllte sich das Wort des Isaias "cum sceleratis reputatus est" – Er wurde unter die Missetäter gezählt (Jes 52,12); denn mit Ihm führten sie noch zwei andere, die Verbrecher waren, zur Hinrichtung (Lk 23,32).
Wenn einer mir nachfolgen will… Mein Kind und Freund, wir sind traurig beim Durchleben des Leidens unseres Herrn. – Sieh, mit welcher Liebe Er das Kreuz umfängt. – Lerne von Ihm. – Jesus trägt das Kreuz für dich – du, trage es für Jesus.
Aber schleife dein Kreuz nicht hinter dir her… Nimm es fest auf deine Schultern, weil dein Kreuz, wenn du es so trägst, nicht mehr irgendein Kreuz sein wird… sondern das Heilige Kreuz. Werde nicht mutlos unter dem Kreuz. Resignation ist ein wenig großzügiges Wort. Liebe das Kreuz. Wenn du es wirklich liebst, wird dein Kreuz… ein Kreuz ohne Kreuz sein.
Und ganz sicher wirst du wie Er Maria auf dem Weg begegnen.

Die Kreuzigung

Bereit steht der Siegesthron für Jesus von Nazareth, den König der Juden. Du und ich, wir sehen nicht, wie Er sich krümmt, als man Ihn annagelt. Er leidet, was einer nur leiden kann, und breitet seine Arme aus in der Haltung des Ewigen Priesters.
Die Soldaten nehmen seine ehrwürdigen Kleidungsstücke und machen vier Teile daraus. Um den Leibrock nicht zu zerschneiden, werfen sie das Los darüber, wem er zufallen soll. So erfüllt sich abermals die Schrift: Sie teilten meine Kleider unter sich und warfen um mein Gewand das Los (Joh 19,23-24).
Er ist schon erhöht… – Und ganz nahe bei ihrem Sohn, am Fuße des Kreuzes seine Mutter Maria… und Maria, die Frau des Kleophas und Maria Magdalena. Und Johannes, der Jünger, den Jesus liebte. "Ecce Mater tua!" Sieh da deine Mutter! Er gibt uns seine Mutter zu unserer Mutter.
Sie hatten Ihm vorher Wein mit Galle vermischt gegeben. Als Er davon gekostet hat, will Er nicht trinken (Mt 27,34). Jetzt dürstet Ihn… nach Liebe, nach Menschen. "Consummatum est." – Es ist vollbracht (Joh 19,30).
Törichtes Kind, sieh: All das… all das hat Er für dich gelitten… und für mich. – Und du brichst nicht in Tränen aus?

 «    Die glorreichen Geheimnisse    » 

Die Auferstehung

Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und den Leichnam Jesu zu salben. – In aller Frühe kommen sie am ersten Tag der Woche, als eben die Sonne aufgeht, am Grabe an (Mk 16,1-2). Sie treten ein und halten bestürzt inne: der Leib des Herrn ist nicht mehr da. Ein junger Mann, angetan mit weißen Kleidern, sagt ihnen: Fürchtet euch nicht, ihr sucht Jesus von Nazareth: "non est hic, surrexit enim sicut dixit" – Er ist nicht hier, denn Er ist auferstanden, wie Er gesagt hat (Mt 28,5).
Er ist auferstanden! – Jesus ist auferstanden. Er ist nicht mehr im Grab. – Das Leben hat den Tod überwunden.
Er erschien seiner heiligsten Mutter. – Er erschien Maria Magdalena, die außer sich ist vor Liebe. – Und dem Petrus und den anderen Aposteln. – Und Er erschien dir und mir, die wir seine Jünger sind und noch mehr außer uns als Magdalena. Was haben wir Ihm nicht alles gesagt!
Daß wir nie wieder durch die Sünde sterben wollen; daß unsere geistige Auferstehung ewig dauern möge. – Und bevor wir das Gesätz beenden, hast du die Wunden seiner Füße geküßt… und ich, noch verwegener, weil noch mehr Kind, habe meine Lippen auf seine geöffnete Seite gedrückt.

Die Himmelfahrt

Nun lehrt der Meister seine Jünger: Er hat ihnen das Verständnis für den Sinn der Schrift erschlossen und nimmt sie zu Zeugen seines Lebens, seiner Wunder, seines Leidens und Todes und der Herrlichkeit seiner Auferstehung (Lk 24,45.48).
Dann führt Er sie hinaus, nach Bethanien zu, erhebt seine Hände und segnet sie. So scheidet Er von ihnen und fährt zum Himmel auf (Lk 24,50), bis eine Wolke Ihn ihren Blicken entzieht (Apg 1,9).
Jesus ist wieder beim Vater. – Zwei Engel in weißen Gewändern nähern sich uns und sagen: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? (Apg 1,9)
Petrus und die anderen kehren nach Jerusalem zurück – "cum gaudio magno", mit großer Freude (Lk 24,52). – Es ist nur gerecht, daß die heilige Menschheit Christi vom ganzen Chor der Engel und all den Scharen der Seligen im Himmel Huldigungen, Jubelrufe und Anbetung empfängt.
Aber du und ich, wir fühlen uns verwaist: traurig suchen wir Trost bei Maria.

Die Herabkunft des Heiligen Geistes

Der Herr hatte gesagt: Ich werde den Vater bitten, und Er wird euch einen anderen Beistand, einen anderen Tröster schicken, daß Er für immer bei euch bleibe (Joh 14,16). – Die Jünger waren alle an einem Ort versammelt, als plötzlich vom Himmel her ein Brausen gleich dem eines heftigen Windes entstand und das ganze Haus erfüllte, wo sie waren. Gleichzeitig verteilten sich Zungen wie von Feuer und ließen sich auf jeden einzelnen von ihnen nieder (Apg 2,1-3).
Erfüllt vom Heiligen Geist sind die Apostel wie trunken (Apg 2,13).
Und Petrus, umgeben von den übrigen Elf, erhob seine Stimme und redete. Wir, Menschen aus hundert Ländern, verstehen ihn. Jeder hört ihn in seiner Muttersprache. – Du und ich in der unseren. – Er spricht zu uns von Jesus Christus, vom Heiligen Geist und vom Vater.
Weder steinigen sie ihn noch sperren sie ihn in den Kerker: sie bekehren sich, und dreitausend von denen, die ihn gehört haben, lassen sich taufen.
Nachdem du und ich den Aposteln beim Spenden der Taufe geholfen haben, preisen wir Gott den Vater durch seinen Sohn Jesus, und wir fühlen uns ebenfalls trunken vom Heiligen Geist.

Mariä Himmelfahrt

"Assumpta est Maria in coelum: gaudent angeli!" – Maria ist mit Leib und Seele von Gott in den Himmel aufgenommen worden: Und die Engel frohlocken!
So singt die Kirche. – Und mit dem gleichen Jubelruf beginnen wir die Betrachtung dieses Rosenkranzgeheimnisses. Die Mutter Gottes ist entschlafen. – Die zwölf Apostel umgeben ihr Lager, Matthias an Stelle von Judas.
Und auch wir sind an ihrer Seite, durch eine besondere Gunst, die alle achten.
Aber Jesus will seine Mutter mit Leib und Seele im Himmel haben. – Und die himmlischen Heerscharen entfalten ihren ganzen Glanz, um die Herrin in Freuden aufzunehmen. – Du und ich, schließlich nur Kinder, nehmen die Schleppe des leuchtend blauen Mantels der Jungfrau und können so jene ganze Pracht beobachten.
Die Heiligste Dreifaltigkeit empfängt die Tochter, Mutter und Braut Gottes und überhäuft sie mit Ehren… – Und so groß ist die Majestät Mariens, daß die Engel sich fragen: Wer ist doch diese?

Die Krönung Mariens

Ganz schön bist du und kein Makel ist an dir. Ein verschlossener Garten bist du, meine Schwester, meine Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell. – "Veni: coronaberis." – Komm, du sollst gekrönt werden (Hld 4,7.12.8).
Hätten du und ich die Macht gehabt, auch wir hätten sie zur Königin und Herrin der ganzen Schöpfung gemacht.
Ein großes Zeichen erschien am Himmel: Eine Frau mit einer Krone von zwölf Sternen auf ihrem Haupt, umkleidet mit der Sonne, der Mond zu ihren Füßen (Offb 12,1). Maria, die Jungfrau ohne Makel, hat den Sündenfall Evas wiedergutgemacht: sie hat mit ihrem unbefleckten Fuß der Höllenschlange den Kopf zertreten.
Tochter Gottes, Mutter Gottes, Braut Gottes!
Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist krönen sie als die Herrin des Universums.
Und die Engel huldigen ihr als ihre Gefolgsleute… und die Patriarchen und die Propheten und die Apostel… und die Märtyrer und die Bekenner und die Jungfrauen und alle Heiligen… und alle Sünder und du und ich.

 «    Die lichtreichen Geheimnisse    » 

Zur Einführung
In seinem Apostolischen Schreiben Rosarium Virginis Mariae weist Papst Johannes Paul II. auf den christologischen Charakter dieses marianischen Gebetes hin und fügt den bisher üblichen fünfzehn Geheimnissen fünf weitere hinzu, die er die lichtreichen Geheimnisse nennt.
Natürlich finden sich im 1931 vom heiligen Josemaria niedergeschriebenen Buch Der Rosenkranz keine kommentierenden Texte zu den lichtreichen Geheimnissen. Gleichwohl hat der Heilige diese Geheimnisse, wie alle anderen Begebenheiten im Evangelium, oft betrachtet und in seiner Verkündigung aufgegriffen. Hier werden einige Texte aus den Schriften des Gründers des Opus Dei zusammengetragen, um dem Leser das Betrachten des vollständigen Rosenkranzes zu erleichtern.
Es ist ganz im Geiste des heiligen Josemaria, wenn wir uns beim Beten der freudenreichen, lichtreichen, schmerzensreichen und glorreichen Geheimnisse mit den Gebetsanliegen des Nachfolgers Petri und Bischofs von Rom eng verbinden. Omnes cum Petro ad Iesum per Mariam!

+ Javier Echevarría

Die Taufe Jesu im Jordan

"Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. (…) Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe" (Mt 3,13.17).
In der Taufe hat Gott, unser Vater, von unserem Leben Besitz ergriffen, es dem Leben Christi eingegliedert und uns den Heiligen Geist gesandt.
Die Kraft und die Macht Gottes erhellen das Angesicht der Erde.
Mit den Flammen jenes Feuers, das Du durch Dein Kommen auf die Erde gebracht hast, werden wir die Weit entzünden. Und das Licht Deiner Wahrheit, mein Jesus, wird dann eines jeden Geist erhellen - an einem Tag, der keinen Abend kennt.
Ich höre Dich rufen, mein König, lebhaft und aufrüttelnd: "Ignem veni mittere in terram, et quid volo nisi ut accendatur?" Und ich antworte Dir mit all meinen Sinnen und mit all meiner Kraft: "Ecce ego: quia vocasti me!"
Der Herr prägte deiner Seele in der Taufe ein unauslöschliches Siegel ein: Du bist Sohn Gottes, Tochter Gottes.
Kind, entflammt dich nicht der mächtige Wunsch, zu erreichen, daß alle Ihn lieben?
(Quellen: Erstes Geheimnis: Christus begegnen, Nr. 128. Persönliche Aufzeichnungen, Nr. 1741. Im Feuer der Schmiede, Nrn. 264, 300)

Die Hochzeit zu Kana

Unter den zahlreichen Gästen einer jener lauten Bauernhochzeiten, an der Leute aus mehreren Dörfern teilnehmen, bemerkt Maria als einzige, daß der Wein ausgeht (vgl. Joh 2,3), und sie bemerkt es sofort. Wie vertraut kommen uns die Ereignisse im Leben Christi vor! Die Größe Gottes ist mitten im Alltäglichen zugegen, mitten im Gewöhnlichen. Es paßt zu einer Frau, und besonders zu einer umsichtigen Hausfrau, zu bemerken, wenn etwas fehlt, auf jene Kleinigkeiten zu achten, die das menschliche Leben angenehm machen. Und genau das finden wir bei Maria.
"Was er euch sagt, das tut" (Joh 2,5).
"Implete hydrias" (Joh 2,7), füllt die Krüge… und das Wunder geschieht. Einfach, ohne jedes Aufheben. Ein Stück Alltag. Die Diener verrichteten ihre Arbeit. Das Wasser war in Reichweite. Und so kommt es zum ersten Erweis der Göttlichkeit Christi. Das Allergewöhnlichste verwandelt sich in etwas Außerordentliches, Übernatürliches, wenn wir bereit und gewillt sind, auf das einzugehen, worum Gott uns bittet.
In Deine gütigen Hände, Herr, will ich die Sorge um alles legen, was mein ist. Unsere Mutter - Deine Mutter - hat Dir sicherlich schon wie damals in Kana die Kunde gebracht: Sie haben nichts mehr!…
Gehen wir zu Maria, wenn unser Glaube schwach ist. Aufgrund des Wunders bei der Hochzeit zu Kana, das Jesus auf Bitten seiner Mutter wirkte, "glaubten seine Jünger an ihn" (Joh 2,11). Unsere Mutter tritt immer bei ihrem Sohn für uns ein, damit Er sich uns zuwendet und sich uns so zeigt, daß wir bekennen: Du bist der Sohn Gottes.
Gib mir, Jesus, diesen Glauben. Ich sehne mich aus tiefstem Herzen danach. Maria, meine Mutter und meine Herrin, hilf mir, zu glauben!
(Quellen: Zweites Geheimnis: Christus begegnen, Nr. 141. Brief vom 14.9.1951, Nr. 23. Im Feuer der Schmiede, Nr. 807. Freunde Gottes, Nr. 285. Im Feuer der Schmiede, Nr. 235)

Die Ankündigung des Reiches Gottes

"Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium" (Mk 1, 15).
"Da kamen Scharen von Menschen zu ihm, und er lehrte sie" (Mk 2,13).
Jesus sieht jene Boote am Ufer liegen und steigt in eines von ihnen. Mit welcher Natürlichkeit begibt sich Jesus in das Boot eines jeden von uns!
Wenn du dich dem Herrn näherst, bedenke, daß Er dir immer sehr nahe, daß Er in dir ist: "regnum Dei intra vos est" (Lk 17,21). Du wirst Ihm in deinem Herzen begegnen.
Christus soll herrschen, vor allem in unserer Seele. Damit Er in mir herrsche, brauche ich die Fülle seiner Gnade: denn nur so wird sich alles in ein Hosanna verwandeln, in einen Freudenruf zu Christus, meinem König: jeder Herzschlag, jeder Atemzug, jeder flüchtige Blick, jedes einfache Wort, jede noch so schlichte Empfindung.
"Duc in altum." - Aufs offene Meer! - Wirf deinen Pessimismus über Bord, der dich feige macht. "Et laxate retia vestra in capturam." Wirf deine Netze zum Fange aus.
Vertrauen wir auf die Worte des Herrn: Steigen wir ins Boot, greifen wir zu den Rudern, hissen wir die Segel und fahren wir auf dieses Meer der Weit hinaus, das Christus uns als Erbteil gibt.
"Et regni eius non erit finis." - Seines Reiches wird kein Ende sein.
Freut es dich nicht, für ein solches Königreich zu arbeiten?
(Quellen: Drittes Geheimnis: Aufzeichnungen aus der mündlichen Predigt vom 19.3.1960; 1.1.1973. Christus begegnen, Nr. 181. Der Weg, Nr. 792. Christus begegnen, Nr. 159. Der Weg, Nr. 906)

Die Verklärung Christi

"Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht" (Mt 17,2).
Dich schauen, mit Dir sprechen, mein Jesus! In dieser Schau verharren, versunken in Deine unauslotbare Schönheit! Und niemals, niemals davon ablassen; Dich sehen, Du mein Christus! Dich sehen und in liebender Verwundung bei Dir bleiben!
"Und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören" (Mt 17,5).
Da sind wir, Herr, bereit, auf alles zu hören, was Du uns sagen möchtest. Rede, wir horchen auf Deine Stimme. Dein Wort möge sich uns in die Seele senken und unseren Willen entflammen, auf daß er Dir bereitwillig gehorche.
"Vultum tuum, Domine, requiram" (Ps 27,8), Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Gern schließe ich die Augen und stelle mir die Stunde vor - wann immer es Gott gefällt -; da ich Ihn nicht mehr wie in einem Spiegel und in rätselhaften Umrissen schaue, sondern von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13,12). "Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?" (Ps 42,3).
(Quellen: Viertes Geheimnis: Aufzeichnungen aus der mündlichen Predigt vom 4.6.1937; 25.7.1937; 25.12.1973)

Die Einsetzung der Eucharistie

"Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Weit zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Weit waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung" (Joh 13,1).
Es wurde Nacht in der Welt, weil die alten Riten, ehrwürdige Zeichen der unendlichen Barmherzigkeit Gottes gegenüber den Menschen, vor ihrer Erfüllung standen und in die wahre Morgendämmerung einmündeten: in das neue Pascha. Die Eucharistie wurde in der Nacht eingesetzt, sie bereitete den Morgen der Auferstehung vor.
Jesus hat in der Eucharistie bei uns bleiben wollen aus Liebe… zu dir.
Er blieb im Sakrament zugegen, obwohl Er wußte, wie die Menschen ihn empfangen würden… auch wie du Ihn empfängst.
Er blieb, um dir Speise zu sein, um mit dir zu sprechen, wenn du Ihn aufsuchst, und damit durch die Nähe zu Ihm im Gebet vor dem Tabernakel und bei der Kommunion deine Liebe zu Ihm immer größer wird und du vielen Menschen hilfst, Ihn zu finden.
Mein gutes Kind: Hier auf Erden küssen Liebende, was vom Geliebten kommt: Blumen, einen Brief, ein Andenken…
Und du… kannst du jemals vergessen, daß du Ihn - Jesus! - ganz und immerfort bei dir hast … daß Er sich dir als Speise schenkt?
Laß mich, Herr, nie wieder in den Niederungen des rein Irdischen verharren. Gewähre mir, daß die göttliche Sonne - der eucharistische Christus - immerfort mein Leben in Licht tauche! Daß mein Flug nicht eher ende, bis ich in Deinem Herzen Ruhe finde!
(Quellen: Fünftes Geheimnis: Christus begegnen, Nr. 155. Im Feuer der Schmiede, Nrn. 887, 305, 39)

 «    Litanei    » 

Nun erschallt die Lauretanische Litanei, im Glanz immer neuen Lichts, in der Vielfalt ihrer Farben und Bedeutungen. Anrufungen zum Herrn, zu Christus; Bitten an jede einzelne der göttlichen Personen und an die Heiligste Dreifaltigkeit; Worte glühender Liebe für Maria: Mutter Christi, unbefleckte Mutter, Mutter des guten Rates, Mutter des Schöpfers, Mutter des Erlösers… weise Jungfrau… Sitz der Weisheit, geheimnisvolle Rose, Turm Davids, Bundeslade, Morgenstern… Zuflucht der Sünder, Trösterin der Betrübten, Hilfe der Christen… Und eingedenk ihrer Herrschaft – "Regina!" Königin! – und ihrer Mittlerschaft: "Sub tuum praesidium confugimus", unter deinen Schutz fliehen wir, heilige Mutter Gottes… erlöse uns von allen Gefahren, du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau. Bitte für uns, Königin des heiligen Rosenkranzes, auf daß wir würdig werden der Verheißungen unseres Herrn Jesus Christus. Mein Freund: Ich habe dir etwas von meinem Geheimnis anvertraut. An dir liegt es nun, mit Gottes Hilfe das übrige zu entdecken. Nur mutig! Sei treu! Werde klein. Der Herr verbirgt sich vor den Stolzen und tut den Demütigen die Schätze seiner Gnade kund. Hab keine Angst, daß sich bei dir, wenn du auf eigene Faust diesen Weg weitergehst, Empfindungen und Worte einstellen, die kühn und kindlich sind. Gerade das liebt Jesus. Und Maria ermutigt dich dazu. Wenn du so den Rosenkranz betest, dann wirst du lernen, gut zu beten.