Erlaube mir, lieber Leser,
daß ich deine Seele gleichsam an der Hand nehme
und sie zum Betrachten
menschlich-natürlicher Tugenden anzuleiten suche.
Denn Gottes Gnade wirkt ja auf die Natur ein.
Doch bedenke:
Diese Erwägungen, die in deinen Augen vielleicht rein menschlicher Art sind,
habe ich für dich und für mich niedergeschrieben
– und sie auch erlebt –
vor Gottes Angesicht.
So müssen es denn
notwendigerweise
priesterliche Erwägungen sein.
Ich bitte unseren Herrn darum, daß diese Seiten Nutzen stiften:
daß sie uns dazu bewegen, besser werden zu wollen und durch unsere Taten
auf dieser Erde
eine fruchtbringende Spur zu hinterlassen.
1 Viele Christen sind der Überzeugung, daß die Erlösung überall, wo Menschen leben, sich verwirklichen wird und daß es wohl einige Menschen geben muß – sie wissen nicht, welche –, die mit Christus dazu beitragen. Aber sie rechnen hierfür mit Zeiträumen von vielen Jahrhunderten, und in der Tat würde es ewig dauern, wenn es nach dem Ausmaß ihrer Hingabe ginge.
Auch du dachtest so – bis einer kam, der dich wachrüttelte.
2 Die Hingabe ist der erste Schritt auf einem Weg des Opfers, der Freude, der Liebe, der Vereinigung mit Gott.
Das ganze Leben wird dann von jener seligen Torheit durchdrungen, die das Glück gerade da finden läßt, wo rein menschliche Logik nichts als Fehlschläge, Leid und Schmerz wahrnimmt.
3 "Beten Sie für mich", sagtest du, "damit ich großzügig bin, innerlich wachse und mich so formen lasse, daß ich eines Tages zu irgend etwas nütze sein kann."
Gut. – Aber: welche Mittel setzt du ein, um solche Vorsätze zu verwirklichen?
4 Du fragst dich häufig, warum Menschen, die schon als Kinder das Glück hatten, Jesus wahrhaft kennenzulernen, so sehr zögern, sich dankbar zu erweisen, indem sie Ihm das Beste geben, was sie haben, ihr Leben, ihre Familie, ihre Träume, ihre Zukunftspläne…
Überleg einmal: Du, der du "alles" auf einmal erhalten hast, du mußt dem Herrn in der Tat unendlich dankbar sein, etwa so wie ein Blinder, der plötzlich das Augenlicht zurückerlangt, indes die anderen nicht einmal auf den Gedanken kommen, daß sie eigentlich dankbar sein müßten, weil sie seit eh und je sehen.
Und doch… das genügt noch nicht: Du mußt Tag für Tag den Menschen deiner Umgebung dabei helfen, sich dafür dankbar zu erweisen, daß sie Kinder Gottes sind. Andernfalls sag mir nicht, daß du selbst dankbar bist.
5 Denke in Ruhe darüber nach: Was man von dir erbittet, ist im Grunde sehr wenig, verglichen mit dem, was dir geschenkt wird.
6 Du kannst dich noch nicht aufraffen. - Ich möchte dir zu beherzigen geben, was
einer deiner Brüder mir schrieb: "Ja, es fällt schwer…, aber ist 'die Entscheidung' einmal getroffen – welch ein Aufatmen, welche Freude, sich endlich auf dem Weg zu wissen!"
7 Die letzten Tage, sagtest du mir, seien so herrlich wie noch nie gewesen. – Meine spontane Antwort war: "Weil du dich mehr als sonst hingegeben hast."
8 Der Ruf des Herrn – die Berufung – lautet immer gleich: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Es ist wahr: Die Berufung verlangt Entsagung, Opfer! Aber welches Glück liegt darin – "gaudium cum pace", Freude und Frieden! – , wenn die Entsagung vollkommen ist!
9 Ihm wurde nahegelegt, sich persönlich zu engagieren; er wand sich – "dann könnte ich dies… dann müßte ich das… Daraufhin meinte jemand: "Hier feilschen wir nicht mit dem Herrn. Das Gesetz Gottes, die Aufforderung des Herrn – man nimmt sie an, so wie sie sind – oder man läßt es. Man muß sich entscheiden: entweder ohne Vorbehalte und mit Schwung voran, oder weggehen…
'Qui non est mecum…' – wer nicht für mich ist, der ist gegen mich".
10 Nur ein Schritt trennt den Mangel an Großzügigkeit von der Lauheit.
11 Damit du es nicht nachahmst, schreibe aus einem Brief ein Beispiel für Feigheit ab: "Selbstverständlich bin ich Ihnen sehr dankbar dafür, daß Sie an mich denken, denn ich kann die Gebete gut gebrauchen. Doch wäre ich Ihnen ebenfalls dankbar, wenn Sie sich bei Ihrem Gebet, der Herr möge aus mir einen 'Apostel' machen, die Mühe ersparten, auch noch von Ihm zu erbitten, Er möge mich zur Preisgabe meiner Freiheit auffordern".
12 Dein Bekannter – sehr intelligent, etwas spießig, ein lieber Mensch –meinte: "Das Gesetz erfüllen – ja, aber mit Maßen, ohne zu übertreiben, korrekt, nicht mehr."
Dann fügte er hinzu: "Sündigen? Nein; aber sich hingeben – auch nicht!"
Sie tun einem wirklich leid, solche Menschen:
knauserig, berechnend, unfähig, sich aufzuopfern, sich einem hohen Ideal zu verschreiben.
13 Man muß von dir mehr verlangen; denn du kannst mehr geben und sollst mehr geben. Denke darüber nach!
14 "Es ist so schwer!" Du stöhnst, du bist entmutigt…
Hör zu: Die Gnade Gottes genügt, wenn du kämpfst. Dann wirst du von deinen persönlichen Interessen absehen, den Mitmenschen um Gottes willen dienen und der Kirche auf den Schlachtfeldern von heute beistehen: auf der Straße, in der Fabrikhalle, in der Werkstatt, an der Universität, im Büro – in deiner Umwelt, mitten unter den Deinen.
15 Du hast mir geschrieben: "Im Grunde ist es immer dasselbe: ein beträchtlicher Mangel an Großherzigkeit. Wie traurig ist es und wie beschämend, den Weg gefunden zu haben und dann doch zuzulassen, daß Staubwolken, die ja unvermeidlich sind, das Endziel verdunkeln!"
Nimm es mir nicht übel, wenn ich dir sage, daß das allein an dir liegt: Geh mutig an gegen dich selbst – Mittel dazu hast du mehr als genug.
16 Dein Egoismus hält dich vom gemeinschaftlichen Streben nach angemessenem und rechtmäßigem Wohlstand für die Menschen ab; du wirst immer berechnender, und das materielle oder seelische Elend deiner Mitmenschen geht dir nicht unter die Haut… Das zwingt mich, dir offen und hart zu sagen, damit du zur Besinnung kommst: Wenn dir das Gefühl für die Solidarität mit deinen Menschenbrüdern abgeht, wenn du nur am Rande der großen christlichen Familie dahinlebst –dann bist du ein erbärmlicher Außenseiter.
17 Du sprichst vom Gipfel… Für eine Seele, die sich Gott hingibt, wird alles zum erstrebenswerten Gipfel: Sie entdeckt jeden Tag neue Ziele, weil sie der Liebe Gottes keine Grenzen setzen will, noch kann.
18 Je weiter dein Herz wird, aus Liebe zu Gott, desto glücklicher wirst du sein.
19 Manchmal meldet sich die Versuchung, etwas Zeit für sich selbst abzweigen zu wollen…
Lerne, diesen kleinlichen Wunsch abzulegen; läutere, wenn du ihn spürst, sofort deine Absicht!
20 Du gehörst zu denen, die "alles oder nichts" wollen… Leider blieb es bei dem "nichts"… Eine Schande!
Fang nun von vorne an, kämpfe mit Demut, um deine recht kümmerliche Hingabe – die eines Knausers – zu entfachen, bis sie "alles" vermag.
21 Wir, die wir uns Gott überlassen haben, haben nichts verloren.
22 Wie gern möchte ich vielen Müttern und Vätern ins Ohr sagen: Es ist kein "Opfer", die Kinder hinzugeben, damit sie Gott dienen – es ist Ehre und Glück.
23 Es kam für ihn der Augenblick der schweren Prüfung – da suchte er dich verzweifelt auf. – Erinnerst du dich noch? Ihm – dem Freund, der dir "kluge" Ratschläge gab
– war deine Verhaltensweise absurd erschienen; sie entstamme einer geistigen Verbildung, dein Wille sei vereinnahmt – und dergleichen "scharfsinnige" Erkenntnisse mehr… Dann hatte er sein Urteil gefällt: "Dieses Sich-Gott-Hingeben ist Folge einer anormalen Überspanntheit des religiösen Gefühls". In seine Pseudologik verfangen, meinte er, zwischen dich und deine Familie sei ein Fremder getreten: Christus.
Jetzt hat er begriffen, was du ihm damals so oft sagtest: daß Christus niemals Seelen auseinanderreißt.
24 Es ist eine dringende Aufgabe, die Gewissen von Gläubigen wie Nichtgläubigen aufzurütteln – viele Gutwillige zu mobilisieren –, damit sie mitarbeiten und die materiellen Mittel aufzubringen helfen, die für das Mühen um die Seelen erforderlich sind.
25 Er zeigt viel Begeisterung, viel Verständnis. Aber er weicht ängstlich aus, sobald er merkt, daß es um "ihn" geht, daß "er selbst" es ist, der ernsthaft mitarbeiten soll.
Mich erinnert er an die Leute, die angesichts schwerer Gefahr pathetisch zum Kampf aufriefen – aber weder ein Geldopfer bringen wollten noch bereit waren, selbst zur Verteidigung des Vaterlandes anzutreten.
26 Es tut einem weh zu sehen, was manche Leute unter Almosengeben verstehen: ein paar Groschen oder alte Kleider. Man könnte meinen, sie hätten das Evangelium nicht gelesen.
Keine falsche Schüchternheit: Helft den Menschen, Glauben und Starkmut so weit zu entfalten, daß sie sich großzügig – noch zu Lebzeiten – vom scheinbar Notwendigen loslösen!
Den Drückebergern könnt ihr erklären, daß es auch nach irdischen Maßstäben wenig rühmlich ist, auf den Tod zu warten, ehe man etwas "rausrückt" – bis zu dem Zeitpunkt also, da man ohnehin nichts mehr mitnehmen kann.
27 "Wer verleiht, kriegt‘s nicht zurück; wenn aber doch, nicht ganz; wenn ganz, dann nicht leicht; wenn leicht, macht‘s todfeind!"
(Das spanische Sprichwort soll die Erfahrung ausdrücken, daß man dem Nächsten mit Leihgaben nicht hilft; denn entweder schreibt man das Verliehene ab oder, falls man auf seinem Recht besteht und es zurückverlangt, macht man sich einen Feind. Diese Einstellung widerspricht dem Geist der Hingabe.)
Was daraus folgt? Gib! Ohne Berechnung und immer Gott zuliebe. So wirst du – auch schon aus irdischer Sicht – den Mitmenschen näher sein. Außerdem hilfst du, die Zahl der Undankbaren zu vermindern.
28 Ich sah diesen einfachen Mann rot werden, er war dem Weinen nahe. Mit seinem eigenen, ehrlich verdienten Geld unterstützte er großzügig gute Werke… Und nun hatte er erfahren, daß "Ehrenmänner" ihn seines Einsatzes wegen der Heuchelei verdächtigten.
Da er ein Neuling in den Schlachten Gottes war und noch ganz naiv, meinte er fassungslos: "Sie sehen, daß ich Opfer bringe… und machen mich nun auch noch zum Opfer ihres Spotts!"
Ich sprach mit ihm, ruhig und eingehend. Er küßte mein Kruzifix… Seine so verständliche Empörung verwandelte sich in Frieden und Freude.
29 Verspürst du nicht diesen brennenden Dran nach noch vollkommenerer, noch "verrückterer" Hingabe?
30 Wie lächerlich benehmen wir uns doch, wenn wir armseligen Geschöpfe dem Herrn immer wieder Kleinigkeiten verweigern! Die Zeit vergeht, man sieht die Dinge immer klarer in ihrer wahren Bedeutung – und am Ende bleiben nur Scham und Reue zurück…
31 "Aure audietis, et non intelligetis: et vientes videbitis, et non perspicietis". Es sind klare Worte des Heiligen Geistes: mit ihren eigenen Ohren hören sie, und sie verstehen nicht; mit ihren eigenen Augen sehen sie, und sie nehmen nichts wahr.
Warum bist du bedrückt, wenn so mancher, der das apostolische Werk "sieht" und seine Großartigkeit erkennt, sich trotzdem nicht hingeben will? Du bete in Ruhe und harre auf deinem Weg aus! Für die, die ihn nicht mitzugehen wagen, werden andere kommen!
32 Seitdem du Ihm dein "Ja" zur Antwort gabst, ändert im Laufe der Zeit der Horizont seine Farbe: er wird jeden Tag schöner, weitet sich und erstrahlt immer herrlicher. Aber: du mußt dieses "Ja" immer wieder neu sprechen.
33 Unsere Liebe Frau: Meisterin der Hingabe ohne Grenzen. – Erinnerst du dich? Auf sie bezog sich jenes rühmende Wort Jesu Christi: "Jeder, der den Willen meines Vaters tut, ist mir Mutter!"
Bitte diese gütige Mutter, daß sie dir helfe, in deiner Seele – nach ihrem Vorbild – die Antwort der rückhaltlosen Hingabe zu festigen, die stark wie die Liebe ist und frei macht: "Ecce ancilla Domini! – Ich bin die Magd des Herrn."
34 Wenn die Verteidigung der Wahrheit auf dem Spiel steht – wie kann man sich da wünschen, Gott nicht zu mißfallen und doch gleichzeitig nirgendwo Anstoß zu erregen? Das ist ausgeschlossen; es gibt nur das eine oder das andere! Wirkliches Opfer muß ein Brandopfer sein, in dem alles verbrennt, auch das Gerede der Leute, ja selbst das, was man "Ansehen" und "guten Ruf" nennt.
35 Wie klar erkenne ich jetzt, daß die "heilige Unverschämtheit" sehr, sehr tief im Evangelium verwurzelt ist! Erfülle den Willen Gottes… und hab den Herrn vor Augen: Jesus, verleumdet… Jesus, angespuckt und geschlagen… Jesus, vor die Tribunale armseliger Menschen geschleppt… Und Jesus, der schweigt…
Vorsatz: Gegenüber Schmähungen den Kopf senken und in Erwartung weiterer Demütigungen – denn die werden sicher noch kommen – die göttliche Aufgabe fortsetzen, die die barmherzige Liebe des Meisters uns hat anvertrauen wollen.
36 Es wird einem angst und bange beim Gedanken an das Unheil, das wir anrichten können, wenn wir uns von der Furcht oder der Scham anstecken lassen, uns im alltäglichen Leben als Christen zu bekennen.
37 Es gibt Leute, die meinen, sie müßten sich dafür entschuldigen, daß sie von Gott oder vom Apostolat sprechen. Vielleicht, weil sie noch nicht den Wert von Charakter und Tugend entdeckt haben und zum anderen geistig verbildet und feige sind.
38 Vergebliche Liebesmühe, allen gefallen zu wollen. Querulanten und chronisch Unzufriedene wird es immer geben. Ein Sprichwort sagt: "Wenn es den Schafen gut geht, geht es den Wölfen schlecht".
39 Laß dich nicht von einem Feind einschüchtern, dessen einzige Stärke sein aggressives Mundwerk ist!
40 Du weißt die geleistete Arbeit zu schätzen… Du bist einverstanden. Aber du achtest sorgfältig darauf, ja nicht mitzuarbeiten, mehr noch: es so anzustellen, daß die anderen eine Mitarbeit von deiner Seite auch gar nicht vermuten können.
Du habest Angst davor, für besser gehalten zu werden, als du bist, so sagtest du mir. Ist es nicht vielmehr so, daß du dich davor fürchtest, Gott und die Menschen könnten von dir eine entschiedenere und glaubwürdigere Haltung verlangen?
41 Er schien vollkommen entschlossen zu sein. Als er sich aber hinsetzte, um den Abschiedsbrief an seine Verlobte zu schreiben, wurden Zögern und Unsicherheit übermächtig; der Mut verließ ihn… Das sei nur menschlich und verständlich, meinten einige. Offenbar gehört für manche die irdische Liebe nicht zu den Gütern, die man um der uneingeschränkten Nachfolge Christi willen verlassen soll, wenn der Herr darum bittet.
42 Einige fallen aus Schwäche, denn wir sind ja aus Lehm gemacht und zerbrechlich – aber sie halten unbeirrt an der Lehre der Kirche fest.
Solche Menschen sind es, die – mit der Gnade Gottes – sich in heroischer Weise tapfer und demütig zeigen, indem sie ihre Fehler bekennen und die Wahrheit engagiert verteidigen.
43 Gewiß – man kann den Glauben Dummheit und das Gottvertrauen Leichtsinn nennen…
44 Es sei Wahnsinn, auf Gott zu bauen! – Ist es aber nicht noch wahnsinniger, auf sich selbst oder auf andere Menschen zu bauen?
45 Du schreibst mir, daß du endlich gebeichtet und dabei die Demütigung erfahren habest, den Sumpf deines Lebens – so sagst du – vor einem Menschen aufdecken zu müssen.
Wann endlich reißt du diesen Dünkel aus deinem Innern aus? Erst dann wirst du dich bei der Beichte gegenüber "diesem Menschen" – einem Gesalbten Gottes, einem anderen Christus, Christus selbst!, der dir die Lossprechung der Sünden, die Vergebung Gottes erteilt – voll Freude so zeigen, wie du in Wahrheit bist.
46 Haben wir doch den Mut, beharrlich und für alle sichtbar unserem heiligen Glauben entsprechend zu leben.
47 Wir dürfen keine Sektierer sein, sagte mir jemand mit der Attitüde der Unparteilichkeit, als es um die Festigkeit in der kirchlichen Lehre ging.
Ich erläuterte ihm, daß, wer die Wahrheit bekennt, kein Sektierer ist. Er verstand seinen Irrtum.
48 Ein Blick auf Portraits aus früheren Zeiten macht deutlich, wie unsinnig es ist, die Mode zum Maßstab für das Verhalten zu erheben.
49 Daß du Prozessionen gern hast und auch all die anderen sichtbaren Bekundungen, mit denen unsere heilige Mutter, die Kirche, Gott die geschuldete Verehrung erweist – sehr einverstanden! Aber laß all das wirklich Leben in dir gewinnen!
50 "Ego palam locutus sum mundo": Ich habe offen vor aller Welt gesprochen, antwortet Jesus dem Kajaphas, als die Stunde naht, da er sein Leben für uns hingibt.
Und dennoch gibt es Christen, die sich schämen, ihre Liebe zum Herrn "palam", offen, zu zeigen.
51 Schon sind die Apostel Hals über Kopf geflohen. Das Volk tobt und macht brüllend seinem Haß gegen Jesus Christus Luft. Nur Maria folgt ihrem Sohn aus nächster Nähe durch die Straßen Jerusalems… Ungeachtet der wütenden Menge hält sie Schritt mit dem Erlöser. Mit dem "Mut" der Feiglinge, in der Anonymität der Masse, mißhandelt der begleitende Pöbel unseren Herrn…
"Virgo fidelis!" – Du getreue Jungfrau! – Rufe mit lauter Stimme zu ihr, auf daß sie uns, die wir uns "Freunde Gottes" nennen, dazu verhelfe, es auch tatsächlich und allezeit zu sein.
52 Niemand kann auf dieser Erde glücklich sein, ehe er sich nicht entschlossen hat, es nicht zu sein. Denn das ist unser Weg: Leid – Christen sagen: Kreuz –, Gottes Wille, Liebe und endlich das wahre Glück – in diesem Leben schon und dann für ewig.
53 "Servite Domino in laetitia!" – Dient dem Herrn in Freude! – Ich will Gott freudig dienen! Und diese Freude soll die Frucht meines Glaubens, meiner Hoffnung und meiner Liebe sein… Sie wird ohne Ende sein, denn – so sagt uns der Apostel – "Dominus prope est!", der Herr ist mir nahe. Ich ziehe meine Straße weiter, in seiner Obhut, denn Er ist mein Vater… Mit seiner Hilfe werde ich seinen allzeit geliebten Willen erfüllen – koste es, was es wolle!
54 Der Rat, den ich euch immer wieder mit größter Eindringlichkeit wiederholen möchte, lautet: Seid froh, wirklich froh! Mögen die traurig sein, die sich nicht als Kinder Gottes betrachten…
55 "Ich versuche mich zu 'zerreißen', damit meine jüngeren Brüder es leichter haben – so wie Sie uns sagen." Wieviel Freude steckt in solchem Sich-Abmühen!
56 Dies schrieb mir jemand, der wirklich glaubt: "Lebt man notgedrungen isoliert, dann wird die Hilfe der Brüder deutlich spürbar. Bedenke ich, daß ich jetzt alles 'alleine" tragen muß, dann wird mir auch ganz klar, daß ich meinen unverwüstlichen Optimismus nicht bewahren könnte – wenn ich nicht über alle Entfernung hinweg unsere Verbundenheit spürte." Wie wunderbar ist doch die Gemeinschaft der Heiligen!
57 Vergiß mir nicht, daß es manchmal einfach notwendig ist, frohe Gesichter um sich zu haben.
58 "Ihr seid alle so froh", hörte ich jemand sagen, "so etwas hätte ich nicht erwartet."
Seit eh und je sind die Feinde Christi auf diabolische Weise bestrebt, Gott hingegebene Menschen als "Trauerklöße" hinzustellen. Leider finden sie manchmal Bestätigung durch die triste "Tugend" einiger "guter" Christen.
Wir danken Dir, Herr, daß Du unser Leben in Dienst hast nehmen wollen, damit wir durch nie versiegende Freude eine solch üble Karikatur auslöschen.
Und ich bitte Dich auch darum, daß wir dies nie aus den Augen verlieren!
59 Niemand soll Traurigkeit oder Schmerz aus deinem Gesicht herauslesen, wenn du durch unsichtbare Opfer Christus in deiner Umwelt gegenwärtig werden läßt: Kinder Gottes müssen immer Frieden und Freude aussäen.
60 Die Freude eines Mannes, einer Frau, die für Gott leben, muß sich ihrer Umgebung mitteilen: heiter, ansteckend, gewinnend… Kurz: Sie muß so übernatürlich und von so mitreißender Natürlichkeit sein, daß sie andere Menschen auf die Wege Christi zieht.
61 "Zufrieden?" – Die Frage machte nachdenklich.
Bis jetzt sind die Worte noch nicht gefunden, die wirklich ganz wiedergeben könnten, was Herz und Willen dessen erfüllt und bewegt, der sich als Kind Gottes erfahren hat.
62 Weihnachten. Du schreibst mir: "Mit der gleichen heiligen Erwartung wie Maria und Josef erwarte auch ich, voller Ungeduld, das Kind. Wie glücklich werde ich in Bethlehem sein! Ich fühle, daß ich in grenzenlosen Jubel ausbrechen werde! Ja, und auch ich will Ihm von neuem geboren werden!"
Möge dein Wunsch in Erfüllung gehen!
63 Nimm dir aufrichtig vor, allen, die um dich sind, den Weg liebenswert und leichter gangbar zu machen, denn das Leben bringt ohnehin schon genug bittere Erfahrungen mit sich.
64 Wie herrlich ist es, Ungläubige zu bekehren, Seelen zu gewinnen!
Ja, und ebenso herrlich und Gott sogar noch wohlgefälliger ist es, sie nicht verloren gehen zu lassen.
65 Wieder einmal bist du in deine Torheiten von früher zurückgefallen! Kommst du dann zurück, bist du ohne rechte Freude… es fehlt dir an Demut.
Es scheint, als hättest du dich darauf versteift, den zweiten Teil des Gleichnisses vom verlorenen Sohn zu ignorieren – und so bleibst du noch beim elenden "Glück" der Futterschoten hängen. Du erkennst deine Brüchigkeit, das verletzt deinen Stolz, du zögerst mit der Bitte um Vergebung und bedenkst nicht, was auf dich wartet, wenn du in Demut bereust: die freudige Umarmung durch deinen Vater Gott und das Fest für den, der heimkehrt, der von neuem beginnt…
66 Es stimmt: Wir taugen nichts, wir sind nichts, wir vermögen nichts, wir haben nichts. Außerdem fehlt es in den Mühen des Alltags nicht an Widerständen und Versuchungen… Aber mit deinen Brüdern vereint, erfährst du, wie ihre Freude alle Schwierigkeiten zerstreut, da sie fest auf den Herrn bauen: "Quia Tu es Deus fortitudo mea" – denn Du, Gott, bist unsere Stärke.
67 Was das Gleichnis von den zum Gastmahl Geladenen erzählt, wiederholt sich dauernd. Die einen haben Angst; die anderen sind zu beschäftigt; und viele flüchten sich in dumme Ausreden.
Sie entziehen sich… Und was bleibt ihnen schließlich? Abgestumpftheit, Lustlosigkeit, Langeweile, Verbitterung… Dabei ist es so leicht, die göttliche Einladung jedes einzelnen Augenblicks anzunehmen und froh und glücklich zu leben!
68 Es ist sehr bequem zu sagen: "Dazu tauge ich nicht; mir, uns geht sowieso alles schief". – Abgesehen davon, daß das ja nicht stimmt, verbirgt sich hinter solchem Pessimismus eine ordentliche Portion Faulheit…
Manche Dinge machst du gut, manche schlecht. Was die gelungenen angeht, sei froh und zuversichtlich; und was die mißlungenen betrifft, so laß dich nicht entmutigen, nimm sie dir nochmals vor, sei bereit zu lernen: dann gelingen auch sie.
69 "Vater, ich lache – so wie Sie mir geraten haben – über meine Armseligkeiten, doch ohne dabei zu vergessen, daß ich ihnen nicht nachgeben darf; dann fühle ich mich viel froher.
Begehe ich aber die Dummheit, traurig zu werden, ist mir sofort, als verlöre ich den Weg…"
70 Du hast mich gefragt, ob ich ein Kreuz zu tragen habe… Und ich antworte dir: Ja. Wir tragen immer das Kreuz. – Aber es ist das Kreuz des Sieges, das göttliche Siegel, das Unterpfand wahrer Gotteskindschaft. Deshalb ziehen wir unsere Straße – immer unter dem Kreuz und immer glücklich.
71 Du bist froher. Aber diesmal ist es eine Freude, die mit einer gewissen Ungeduld und Nervosität verbunden ist und bei der du zugleich spürst, daß etwas in dir zerreißt –und geopfert wird.
Hör mir gut zu: Auf dieser Erde gibt es das vollkommene Glück nicht. Gerade darum sollst du dich – und zwar jetzt gleich, wortlos und ohne Selbstmitleid – Gott als Gabe darbringen, ganz und gar, bedingungslos…
72 Du erlebst jetzt Tage voller Freude, die Seele ist eingetaucht in lauter Licht und Farbenpracht. Und du staunst: denn die Gründe für diese deine jetzige Freude sind genau die, die dich früher in Mutlosigkeit stürzten!
So ist es immer. Es kommt auf unseren Blickwinkel an. – "Laetetur cor quaerentium Dominum!" Das Herz derer, die Gott suchen, fließt über vor Freude.
73 Wie groß ist der Unterschied zwischen dem Leben der Glaubenslosen, die bedrückt und unsicher in einem sinnleeren Dasein, Wetterfahnen gleich, den Wechselfällen des Schicksals ausgesetzt sind, und unserem Leben als Christen, das voller Zuversicht, Freude und Festigkeit in sich ruht, weil wir unserer übernatürlichen Bestimmung innewurden und unbeirrbar an ihr festhalten!
74 Du bist unzufrieden – weil du alles um dich kreisen läßt, so als wärest du der Nabel der Welt: du hast Magenschmerzen, du bist müde, du hast dies und das zu hören bekommen…
Hast du schon einmal versucht, an Ihn zu denken und um seinetwillen an die anderen?
75 "Miles" – Soldat, Kämpfer, so nennt der Apostel den Christen.
Im Heere Gottes, das diesen gesegneten, christlichen Kampf um Liebe und Frieden zum Wohle aller Menschen zu führen hat, finden sich ermüdete, hungrige, von Wunden gezeichnete Soldaten… Aber alle sind von Freude erfüllt: in ihrem Herzen flammen schon die Leuchtfeuer des Sieges…
76 "Vater ich habe mir vorgenommen, froh zu sein: mit heiterem Herzen, mögen auch manche Schläge kommen."
Ein guter Vorsatz. Ich bete, daß du ihn erfüllst.
77 Manchmal überkommt dich so etwas wie eine Anwandlung von Mutlosigkeit, die dir den Schwung raubt. Auch mit vielen Stoßgebeten der Hoffnung schaffst du es kaum, sie zu überwinden.
Macht nichts. Das ist die rechte Stunde, um von Gott mehr Gnade zu erbitten. Nur weiter voran! Erneuere in dir die Freude zu kämpfen, auch wenn du ein Gefecht verloren hast.
78 Dunkle Wolken sind heraufgezogen: Lustlosigkeit, Enttäuschung… Regenschauer sind niedergegangen: Traurigkeit und das deutliche Gefühl, du seist wie in Fesseln geschlagen… Dazu noch quält dich eine nur teilweise objektiv begründete Niedergeschlagenheit: So viele Jahre schon, meinst du, mühst du dich ab – und immer noch ein "Nachzügler", immer noch so fern vom Ziel…
All das ist notwendig. Gott rechnet damit. Wollen wir das "gaudium cum pace" – den wahren Frieden und die wahre Freude – erlangen, dann müssen wir das Bewußtsein unserer Gotteskindschaft, das uns mit Zuversicht erfüllt, durch die Annahme der eigenen Unzulänglichkeit vertiefen.
79 Du hast dich verjüngt! Tatsächlich wirst du gewahr, daß der Umgang mit Gott dir schon binnen kurzer Zeit die glückliche Ungezwungenheit deiner Jugend zurückgebracht hat und daß dir sogar die wunderbare Geborgenheit aus den fernen Tagen deiner geistigen Kindheit wiedergeschenkt wird – und doch weitab von jeglicher Kinderei. Du blickst dich um und stellst fest, daß es auch den anderen so ergeht. Seit ihrer Begegnung mit dem Herrn sind Jahre vergangen, aber je älter und reifer sie werden, desto unverwüstlicher ihre innere Jugendlichkeit, ihre Herzensfreude. Sie wirken nicht nur jung: sie sind jung und froh! Diese Wirklichkeit des inneren Lebens ist es, die die Menschen anzieht, ihnen Mut macht und die schließlich überwältigt. Richte jeden Tag dein Dankgebet "ad Deum qui laetificat iuventutem" – an Gott, der deine Jugend erfreut.
80 Die Gnade Gottes fehlt dir nicht. Wenn du ihr entsprichst, dann kannst du dich vollkommen sicher fühlen.
Von dir hängt der Sieg ab: Wirken dein Mut und dein Elan mit der Gnade zusammen, dann sind Optimismus und Siegesgewißheit vollauf begründet.
81 Gestern gehörtest du vielleicht noch zu denen, die verbittert ihre Hoffnungen begraben hatten, die in ihren menschlichen Erwartungen enttäuscht waren. Heute, nachdem Er in dein Leben getreten ist – Dank Dir, mein Gott! –, lachst du und singst und strahlst überall, wo du hinkommst, Freude, Liebe und Wärme aus.
82 Viele Menschen fühlen sich unglücklich – weil sie alles im Überfluß haben. Christen, die wirklich als "Kinder Gottes" leben, mögen Not erfahren, Hitze, Kälte, Erschöpfung… Da aber alles dies von Gott gewollt oder zugelassen ist, wird ihnen die Freude niemals verlorengehen. Denn Er ist die Quelle des wahren Glücks.
83 Mitten im Strom von Menschen ohne Glauben und ohne Hoffnung, irrlichternden Geistern, von Ängsten geplagt, auf der Suche nach Lebenssinn, hast du ein Ziel gefunden: Ihn!
Und diese Entdeckung wird deinem Dasein neue Freude verleihen und dich verwandeln. Sie wird dir jeden Tag ein Meer wunderbarer, dir bis dahin verborgener Dinge vor Augen führen, die alle zeigen, wie herrlich weit und breit der Weg ist, der dich zu Gott hinführt.
84 Dein Glück auf Erden ist eins mit deiner Treue zum Glauben, zur Reinheit und zu dem Weg, den Gott dir bestimmt hat.
85 Danke Gott dafür, daß du froh bist –danke Ihm mit jener tiefen Freude, die sich nie lautstark kundtut.
86 Mit Gott – so überlege ich – erscheint mir jeder neue Tag reizvoller. Ich lebe wie ein "Entdecker": heute fällt mir dieses wunderbare Detail auf, morgen stehe ich plötzlich vor einer Aussicht, die mir bis dahin versperrt war… Wenn das so weitergeht –wer weiß, was mir im Laufe der Zeit noch begegnen wird…
Dann vernahm ich in mir die Zusicherung Gottes: Deine Freude wird Tag für Tag wachsen, denn du wirst dich in das erhabene Abenteuer, in das dicke "Knäuel von Überraschungen", in die ich dich hineingeführt habe, immer tiefer einlassen – je länger, desto leidenschaftlicher. Und du wirst erfahren, daß ich dich nicht verlasse.
87 Die Freude folgt aus der Hingabe, und mit jeder neuen Runde des Eselchens am Schöpfrad nimmt sie zu.
88 Welch unwandelbare Freude in dir, weil du dich Gott hingegeben hast!… Und wie sehr drängt es dich und spornt deinen Eifer an, alle an deiner Freude teilhaben zu lassen!
89 Nimm das, was dir jetzt Sorge macht, in dieses leise Lächeln hinein, das du aus Liebe zu Gott verschenkst.
90 Optimismus? Immer! Auch dann, wenn dir die Dinge scheinbar danebengehen.
Vielleicht ist das dann gerade der rechte Augenblick, um ein "Gloria" anzustimmen; denn deine Zuflucht ist ja Er, und von Ihm kann nur das Gute kommen.
91 Hoffen bedeutet nicht, einen ersten Lichtschimmer zu erspähen, sondern vielmehr mit geschlossenen Augen darauf zu vertrauen, daß der Herr das Licht in Fülle besitzt und in dieser Fülle lebt. Er ist das Licht.
92 Pflicht eines jeden Christen ist es, den Frieden und das Glück überallhin auf Erden zu tragen: ein Kreuzzug der Seelenstärke und der Freude, der auch stumpfe und verderbte Herzen wachzurütteln und wieder Gott zuzuwenden vermag.
93 Wenn du jeden Anflug von Neid im Keim erstickst und wenn du den anderen von ganzem Herzen ihre Erfolge gönnst, wirst du die Freude nie verlieren.
94 Ein Freund sprach mich an: "Man hat mir gesagt, daß du verliebt bist". – Ich blieb stehen, sehr überrascht, und mir fiel nur ein zu fragen, woher er das hätte.
Er gestand: aus den Augen gelesen – die strahlten vor Freude.
95 Wie muß der Blick Jesu gewesen sein, aus dem die Freude leuchtete… Und genauso werden die Augen seiner Mutter geleuchtet haben, als sie ihren Jubel nicht mehr zurückhalten konnte: "Magnificat anima mea Dominum!" – Meine Seele preist die Größe des Herrn… Ja, ihre Seele jauchzt Ihm zu, den sie im Schoße trägt und an ihrer Seite weiß. Mutter! Unsere Freude soll wie die deine darin gründen, daß wir bei Ihm sind und Ihn zu eigen haben.
96 Seid nicht engherzig, keine unreifen Männer und Frauen, kurzsichtig und unfähig, die Weite unseres übernatürlichen Horizonts als Christen und Kinder Gottes zu ermessen. Gott – und Kühnheit!
97 Kühnheit ist weder Dummheit noch Leichtsinn, noch bloße Tollkühnheit.
Kühnheit ist Starkmut, eine Kardinaltugend, die die Seele zum Leben braucht.
98 Du hast dich entschieden, mehr aus nüchterner Überlegung als in feuriger Begeisterung. Gerne hättest du etwas "empfunden", aber dazu war einfach kein Raum… Du gabst dich hin, als du davon überzeugt warst, daß Gott es so wollte.
Von jenem Augenblick an hast du keine wirklichen Zweifel mehr "empfunden", wohl aber eine ruhige, gelassene Freude, die gelegentlich überschäumt. So belohnt Gott die mutigen Taten der Liebe.
99 Ich habe ein Sprichwort gelesen, das in manchen Ländern sehr bekannt ist: "Die Welt gehört Gott, aber Er verpachtet sie den Tapferen". Das machte mich nachdenklich. Worauf wartest du noch?
100 Ich bin nicht der Apostel, der ich sein sollte. Ich bin – zu schüchtern…
Bist du nicht vielmehr kleinmütig, weil deine Liebe gering ist? – Tu etwas dagegen!
101 Die Schwierigkeiten haben dich verunsichert, und so bist du "klug, maßvoll und objektiv" geworden.
Erinnere dich daran, daß du solche Begriffe immer verachtet hast, wenn sie nur ein anderes Wort für Feigheit, Kleinmut und Bequemlichkeit sind.
102 Angst? Ein Merkmal von Menschen, die Schlechtes tun – und es wissen. Du – niemals!
103 Viele Christen wären Apostel –wenn sie nur keine Angst hätten.
Es sind dieselben, die sich dann beklagen, der Herrgott lasse sie im Stich. Und wie verhalten sie sich Gott gegenüber?
104 Voller Enthusiasmus sagen sie: Wir sind so viele – mit Gottes Hilfe können wir überallhin gelangen.
Warum verzagst du also? Mit Gottes Gnade kannst du dahin gelangen, heilig zu werden. Das ist es, was wirklich zählt.
105 Gewissensbisse, weil wir etwas Gutes unterlassen haben, sind ein Zeichen dafür, daß es Wille Gottes war, es nicht zu unterlassen.
Stimmt. Sei außerdem sicher, daß dir mit der Gnade Gottes auch das "Können" nicht versagt geblieben wäre.
106 Vergessen wir das eine nicht: In der Erfüllung des göttlichen Willens bewältigt man die Schwierigkeiten, indem man über sie hinweg – oder unter ihnen hindurch – oder an ihnen vorbeigeht… Auf jeden Fall: man kommt durch!
107 Wenn man arbeitet, um ein apostolisches Werk auszubreiten, dann ist ein "Nein" niemals das letzte Wort. Beharre weiter auf deinem Anliegen.
108 Du bist zu vorsichtig oder zu wenig übernatürlich und hältst dich deshalb für klug. Bau doch nicht selber Hindernisse auf, und tu auch nicht so, als könntest nur du sie alle beseitigen!
Es kann ohne weiteres sein, daß dein Gegenüber – weniger "vernünftig" und daher großzügiger als du – auf Gott setzt und dir daher nicht so viele Wenn und Aber vorbringt…
109 Es gibt Verhaltensweisen, die sehr vernünftig erscheinen – aber dahinter verbergen sich im Grunde nur Kleinmut und Ängstlichkeit.
110 Sei überzeugt: Wenn Menschen für Gott arbeiten, gibt es für sie keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, keine Entmutigung, die zur Kapitulation führen könnte, keinen Mißerfolg, der diesen Namen wirklich verdiente – mögen auch die Ergebnisse noch so mager erscheinen.
111 Dein Glaube ist nicht reich genug an Werken! Man könnte meinen, es sei der Glaube eines Frömmlers und nicht der eines Menschen, der um Heiligkeit ringt.
112 Gelassenheit! Mut zum Wagnis!
Sprenge mit diesen Tugenden die Fünfte Kolonne der Lauen, der Feigen, der Verräter.
113 Du wolltest rastlos kämpfen, so hast du mir versichert. Und jetzt kommst
du an und läßt die Flügel hängen.
Sieh: sogar rein menschlich betrachtet, ist es ratsam, daß man dir nicht alle Hindernisse aus dem Wege räumt und alle Probleme löst. Denn du selbst mußt ja einiges – vieles! – dazu tun… Wie willst du dich sonst heiligen?
114 Du läßt dich nicht darauf ein, an dieser übernatürlich ausgerichteten Unternehmung mitzuarbeiten, denn – so deine Worte – du befürchtest, nicht "anzukommen" oder Mißerfolg zu ernten.
Dächtest du mehr an Gott, dann lösten sich diese unsinnigen Überlegungen in Nichts auf.
115 Manchmal kommt mir der Gedanke, daß einige wenige Feinde Gottes und seiner Kirche von der Ängstlichkeit der vielen Braven leben. Dann schäme ich mich sehr.
116 In unserem Gespräch meinte er, er zöge es vor, niemals die primitive Hütte, die er bewohnte, zu verlassen. Er zählte nämlich lieber die Balken "seiner" Behausung als die Sterne am Himmel.
So sind viele: unfähig, auf ihren Kleinkram zu verzichten und die Augen zum Himmel zu erheben. Es ist höchste Zeit, daß sie ihren Blick weiten und auf das richten, was oben ist…
117 Ich begreife die übernatürliche und menschliche Freude des Glücklichen, der unter den Ersten sein durfte, die den göttlichen Samen aussäten. Voller Gewißheit wiederholte er es sich: "Wie wunderbar ist es, sich hier als einziger dazu bestellt zu wissen, eine ganze Stadt samt ihrer Umgebung aufzurütteln."
Warte nicht darauf, daß du mehr Hilfsmittel hast oder daß andere dazukommen: Die Seelen brauchen dich heute, jetzt.
118 Sei geradezu verwegen in deinem Gebet – und der Herr wird dich umwandeln: von einem Schwarzseher in einen Optimisten, von einem ängstlichen in einen tapferen Menschen, von einem Zauderer in einen Mann des Glaubens – kurz: in einen Apostel!
119 Die Probleme, die dich früher niederdrückten – sie kamen dir wie ein Gebirge vor –, sind völlig verschwunden, sie haben sich nach Gottes eigener Art gelöst –ganz so wie damals, als Jesus auf dem See Wind und Wogen gebot und Stille eintrat.
Und zu denken, daß du noch zweifeltest!…
120 "Helft dem Heiligen Geist nur nicht nach!" – meinte ein Freund zu sehr
im Spaß, aber doch mit viel Angst.
Ich denke, war meine Antwort, daß wir Ihm recht wenig "nachhelfen".
121 Wenn ich so viel Feigheit, so viel falsche Klugheit bei so vielen Männern und Frauen sehe, dann drängt es mich, sie zu fragen: Sind also Glaube und Vertrauen nur Predigtthemen und nicht Grundhaltungen des Lebens?
122 Deine augenblickliche Verfassung kommt dir seltsam vor: Blickst du in dich hinein, fühlst du dich verzagt; schaust du nach oben – sogleich erfüllen dich Sicherheit und Tatkraft.
Mach dir keine Sorge. Das ist ein Zeichen, daß du dich immer besser erkennst und – was noch wichtiger ist – daß du Ihn immer besser erkennst.
123 Siehst du – mit Ihm hast du es geschafft! Warum wunderst du dich? Glaub mir, es gibt überhaupt keinen Grund, sich zu wundern. Dem, der auf Gott vertraut –wirklich vertraut! wird alles leicht. Und mehr noch: immer wieder werden die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft gesprengt.
124 Willst du durch ein Leben voll heiliger Kühnheit dahin gelangen, daß Gott durch dich wirkt? – Rufe Maria an! Sie wird dich auf dem Weg der Demut begleiten, und so wirst du es fertigbringen, angesichts all dessen, was dem menschlichen Verstand unmöglich erscheint, mit einem "fiat!" zu antworten – es geschehe! Mit diesem Wort, in dem Himmel und Erde sich verbinden.
125 Nicht alle können reich, gelehrt, berühmt werden… Dafür sind wir aber alle – wirklich "alle" – dazu berufen, heilig zu werden.
126 Treue zu Gott erfordert Kampf, und zwar Nahkampf: Mann gegen Mann – da ist der alte Mensch in uns und der Mensch, wie Gott ihn haben will…, Kleinigkeit um Kleinigkeit müssen immer wieder korrigiert werden, ohne nachzugeben.
127 Diese Prüfung, ich bestreite es nicht, erweist sich als zu hart: immer bergauf, alles geht dir "gegen den Strich". Was soll ich dir raten? Sag: "omnia in bonum", alles, was da geschieht – alles, "was mir geschieht" –, ist zu meinem Besten. Darum lautet die richtige Schlußfolgerung: Das, was dir so mühselig erscheint, als segensreiche Realität anzunehmen.
128 Lediglich "gute Männer" und "gute Frauen" – das genügt heute nicht. – Außerdem: wer sich damit zufriedengibt, "ziemlich gut" zu sein, ist nicht gut genug: Wir brauchen "Aufrührer".
Angesichts des heutigen Hedonismus, der heidnischen und materialistischen Strömungen will Christus echte Nonkonformisten, "Rebellen aus Liebe"!
129 Die Heiligkeit kennt keine Pausen, der wahre Eifer, sie zu erreichen, keine Ferien.
130 Manche Leute benehmen sich in ihrem Leben so, als wären die Worte des Herrn über Hingabe und Rechtschaffenheit ausschließlich an die gerichtet worden, denen das keine Mühe bereitet oder die darum nicht zu kämpfen brauchen – aber die gibt es nicht! Sie vergessen, daß Jesu Wort von den "Gewalttätigen, die das Himmelreich an sich reißen", indem sie tagtäglich einen heiligen Kampf ausfechten, für alle gilt.
131 Welchen Eifer entwickeln doch viele Zeitgenossen, um zu "reformieren"…
Wäre es nicht besser, wir alle – jeder einzelne – "reformierten" uns von innen heraus, um das, was geboten ist, treu zu erfüllen?
132 Du plätscherst in den Versuchungen herum, bringst dich dabei in Gefahr, spielst mit Blicken und mit Vorstellungen, ergehst dich in seichtem Geschwätz. – Und dann bist du verstört, wenn Zweifel, Skrupel, Verwirrung, Trübsinn und Niedergeschlagenheit auf dich einstürmen.
Du mußt mir zugeben, daß du wenig konsequent bist.
133 Nach der anfänglichen Begeisterung nunmehr Zögern, Unschlüssigkeit, Ängste… Vieles macht dir Sorge: das Studium, die Familie, Geldfragen und vor allem der Gedanke, daß du es nicht schaffst oder vielleicht nicht taugst oder noch zu wenig Lebenserfahrung besitzt.
Ich will dir ein sicheres Mittel nennen, um solche Befürchtungen – Versuchungen des Teufels oder Mangel an Großzügigkeit! – zu überwinden: Verachte sie, vergiß sie… Der Meister hat es schon vor zwanzig Jahrhunderten klar verkündet: Blicke nicht zurück!
134 Wir müssen in unserer Seele einen wirklichen Abscheu vor der Sünde empfinden. Sage Ihm mit zerknirschtem Herzen: Herr, gib, daß ich Dich niemals mehr beleidige!
Erschrick aber nicht, wenn du die Last deines armen Leibes – und der menschlichen Leidenschaften – spürst… es wäre töricht und naiv, wenn du jetzt erst entdecktest, daß es "so etwas" gibt. Deine menschliche Schwachheit ist kein Hindernis, sondern ein Ansporn, um dich noch mehr mit Gott zu vereinen und Ihn beharrlich zu suchen. Denn Er allein ist es ja, der uns läutert.
135 Wenn deine Phantasie sich um dich selber dreht, bringt sie merkwürdige Situationen und Gebilde hervor, die meist nicht zu deinem Weg passen und dich sinnlos ablenken, erkalten lassen und das Bewußtsein der Gegenwart Gottes in dir verdunkeln. – All das: leerer Wahn!
Wenn sich die Phantastereien auf die anderen richten, dann verfällst du leicht in den Fehler, über sie zu urteilen – auch wenn das nicht deine Aufgabe ist –, und deutest ihr Verhalten in unangemessener und unsachlicher Weise, als fahrlässiger "Richter".
Wenn sich deine Einbildungskraft mit deinen eigenen Fähigkeiten, deiner Ausdrucksweise etwa, beschäftigt oder mit der Bewunderung, die du bei anderen hervorrufst, dann läufst du Gefahr, die Lauterkeit der Absicht zu verlieren und stolz zu werden.
Der Phantasie freien Lauf zu lassen, ist für gewöhnlich Zeitverschwendung; sie bahnt außerdem – wenn man sie nicht zügelt – zahlreichen freiwilligen Versuchungen den Weg.
Unterlasse an keinem einzigen Tag die innere Abtötung!
136 Sei nicht so töricht oder naiv zu denken, du müßtest Versuchungen erfahren, um der Standhaftigkeit auf deinem Wege versichert zu werden. Genauso könntest du dir wünschen, man brächte dein Herz zum Stillstand, damit du dich von deinem Lebenswillen überzeugst.
137 Führe keinen Dialog mit der Versuchung. Laß es mich wiederholen: Hab den Mut zu fliehen! Und besitze ebenso die Stärke, keine Experimente mit deiner eigenen Schwachheit anzustellen – spiele nie mit dem Gedanken, wie weit du gehen könntest…
Mach rechtzeitig Schluß – und zwar ganz!
138 Es gibt keine Entschuldigung. Du allein bist schuld. Wenn dir klar ist – und du kennst dich ja gut genug –, daß du auf diesem Weg – mit dieser Lektüre, mit dieser Freundschaft… – in einen Abgrund geraten kannst… Warum versteifst du dich dann darauf, es sei vielleicht von Vorteil für deine Bildung, für die Entwicklung deiner Persönlichkeit?
Ändere den Kurs – radikal! Mag das auch mehr Mühe kosten und weniger Zerstreuungen bieten. Es ist höchste Zeit, daß du dich wie ein erwachsener Mensch benimmst.
139 Dem Herrn tut die Gedankenlosigkeit so vieler Männer und Frauen, die sich keine Mühe geben, freiwillige läßliche Sünden zu meiden, sehr weh. Diese Leute rechtfertigen sich damit, das sei schließlich nur normal, alle begingen mal einen Fehltritt…
Hör gut zu: als der Pöbel Christus verurteilte und tötete, schrien die meisten zuerst nur mit – wie alle anderen! –, zogen zuerst zum Ölgarten nur mit – wie alle anderen!…
Am Ende aber vereinigte sich dies Verhalten "aller" zu einem reißenden Strom, dem sich niemand mehr entziehen konnte oder wollte… , und so kreuzigten sie Jesus!
Zwanzig Jahrhunderte sind seitdem vergangen, und wir haben nichts dazugelernt.
140 Dein Stimmungsbarometer steigt und fällt. Es gibt viel – zuviel! –Auf und Ab bei dir.
Der Grund ist klar: du hast bis jetzt ein bequemes Leben geführt, und nun willst du nicht wahrhaben, daß es zwischen dem bloßen Wunsch und der tatsächlichen Hingabe einen beträchtlichen Unterschied gibt.
141 Unvermeidlich stößt du früher oder später auf das offenkundige Elend deiner selbst. Daher möchte ich dich gegen einige Versuchungen wappnen, die dir der Teufel einflüstern wird und die du sofort zurückweisen mußt. Zum Beispiel Überlegungen wie: Gott habe dich vergessen, der Ruf zum Apostolat sei Illusion gewesen, die Last des Leidens und der Sünden der Welt gingen über deine Kräfte als Apostel…
Nichts davon ist wahr!
142 Wenn du wirklich kämpfst, brauchst du die Gewissenserforschung.
Prüfe täglich dein Gewissen! Frage dich, ob du Reue aus Liebe empfindest, weil dein Umgang mit dem Herrn nicht so ist, wie er sein sollte.
143 Ähnlich wie viele Leute an Grundsteinlegungen teilnehmen und sich dann nicht mehr um den Grundstein und um die Vollendung des Werkes kümmern, betrügen sich die Sünder mit einem vermeintlichen "letzten Mal".
144 Wenn du Schluß machen willst und sagst: "Das letzte Mal!", dann vergiß nicht: dieses "letzte Mal" muß schon hinter dir und nicht noch vor dir liegen.
145 Ich rate dir: Versuche von Zeit zu Zeit zu den Anfängen zurückzukehren – zu jener "ersten Bekehrung". Das ist, wie wenn man wieder Kind wird… Im geistlichen Leben muß man sich vertrauensvoll führen lassen, ohne Ängste und ohne Falsch; rückhaltlos offen muß man über alles sprechen, was einem Hirn und Herz bewegt.
146 Wie willst du aus diesem Zustand der Lauheit, der kläglichen Schlaffheit herauskommen, wenn du die Mittel dazu nicht einsetzt? Du kämpfst sehr wenig. Wenn du dich einmal anstrengst, dann in einer Art von kindischem Groll und mürrisch, so als ob du wünschtest, deine lahmen Bemühungen möchten vergeblich sein, um ein Alibi dafür zu haben, dir selbst nichts mehr abzuverlangen und nichts mehr von dir verlangen zu lassen.
Du bist dabei, deinen eigenen Willen zu erfüllen anstatt den Willen Gottes. Solange du dich nicht änderst, und zwar ernstlich, wirst du weder das Glück noch den Frieden finden, die du jetzt vermißt.
Demütige dich vor Gott und bemühe dich darum, wirklich zu "wollen".
147 Welch ein Zeitverlust, welch eine oberflächliche Sicht der Dinge, wenn man nur auf Taktik vertraut, als ob in ihr das Geheimnis des Erfolges läge.
Man vergißt dabei, daß die "Taktik" Gottes die Liebe ist, die grenzenlose Liebe: So überwand Er die unüberwindliche Kluft, die der Mensch durch seine Sünde zwischen Himmel und Erde aufreißt.
148 Sei, wenn du dein Gewissen er forschst, "wild" aufrichtig, das heißt, sei mutig: Prüfe wie vor einem Spiegel, wo du dich verletzt oder wo du dich beschmutzt hast – oder wo die Fehler stecken, die es auszumerzen gilt.
149 Ich muß dich wappnen gegen eine List des "satans" – absichtlich schreibe ich ihn klein, denn mehr verdient er nicht! Er versucht, sich der ganz gewöhnlichen Umstände zu bedienen, um uns mehr oder weniger von dem Weg abzubringen, der zu Gott führt.
Wenn du kämpfst – wenn du ernsthaft kämpfst –, darfst du dich nicht wundern, daß dich manchmal die Müdigkeit überkommt oder du durch Zeiten hindurch mußt, da dir alles "gegen den Strich" geht und du weder geistlichen noch menschlichen Trost findest. Schau hier, was jemand mir vor kurzer Zeit schrieb –ich habe es damals aufbewahrt im Gedanken an die naiven Leute, die meinen, die Gnade könne auf die Natur verzichten: "Vater, seit einigen Tagen bemerke ich eine schreckliche Trägheit und Lustlosigkeit bei der Erfüllung meines Lebensplanes; alles tue ich wie gezwungen und innerlich recht teilnahmslos. Beten Sie für mich, damit diese Krise bald vorüber ist; denn ich leide sehr unter dem Gedanken, sie könnte mich vom Wege abbringen."
Als Antwort schrieb ich nur: Wußtest du nicht, daß die Liebe Opfer verlangt? Lies langsam die Worte des Meisters: "Wer nicht sein Kreuz 'cotidie', täglich, auf sich nimmt, ist meiner nicht wert". Er sagt auch: "Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen… " Der Herr läßt diese Dürre, unter der du leidest, zu, damit du Ihn mehr liebst, damit du einzig auf Ihn vertraust, damit du kreuztragend zum Miterlöser wirst –kurz, damit du Ihn "findest".
150 Wie dumm scheint der Teufel zu sein – sagtest du. Ich begreife seinen Stumpfsinn nicht: Immer dieselben Täuschungsmanöver, immer dieselben Lügen…
Du hast recht. Aber wir Menschen sind noch dümmer, lernen es nicht, durch fremden Schaden klug zu werden… Damit rechnet er, um uns zu versuchen.
151 Ich habe einmal gehört, daß sich bei großen Schlachten oft etwas Merkwürdiges ereignet: Auch wenn die quantitative Überlegenheit an Menschen und Material den Sieg im voraus zu sichern scheint, kann es mitten im Gewühl des Kampfes Augenblicke geben, da wegen der Schwäche eines Frontabschnitts die Niederlage droht. Dann erfolgen die strikten Befehle des Oberkommandos, und die Breschen an den Schwachstellen werden geschlossen.
Ich mußte an dich und an mich denken. Mit Gott, der keine Schlachten verliert, werden wir immer Sieger sein. Wenn du also im Kampf um die Heiligkeit deine Kraft schwinden fühlst, höre die Befehle, richte dich nach ihnen – laß dir helfen… Denn Er scheitert niemals.
152 In aller Aufrichtigkeit hast du in der Gegenwart Gottes deinem Leiter das Herz ausgeschüttet… Und es war wunderbar zu sehen, wie du von allein allmählich die rechten Antworten auf deine "Rückzugsversuche" fandest.
Lieben wir die geistliche Leitung!
153 Ich gebe dir zu: Du benimmst dich anständig… , aber erlaube mir ein offenes Wort: Mit deinem gemächlichen Schritt bist du nicht nur nicht ganz glücklich, sondern bleibst sehr weit weg von der Heiligkeit.
Deshalb frage ich dich: Benimmst du dich wirklich anständig? Oder hast du vielleicht eine falsche Vorstellung von Anstand?
154 Bei deinem albernen Leichtsinn und deiner Oberflächlichkeit, bei diesem Zögern angesichts der Versuchung, bei diesem "willenlosen Wollen" ist es unmöglich, daß du im inneren Leben vorankommst.
155 Ich habe schon immer gedacht, daß viele ihren Widerstand gegen die Gnade mit "morgen" oder mit "später" umschreiben.
156 Ein weiteres Paradox des geistlichen Lebens: Die Seele, deren Zustand am wenigsten der Besserung bedarf, bemüht sich am meisten um sie und läßt nicht nach, darum zu ringen. Und umgekehrt.
157 Bisweilen erfindest du dir selbst "Probleme", weil du deinem Verhalten nicht auf den Grund gehst.
Das einzige, was dir not tut, ist, daß du die Richtung deines Kampfes änderst, nämlich deine Pflicht loyal erfüllst und die Hinweise, die du in der geistlichen Leitung erhältst, treu befolgst.
158 Noch stärker hast du den Drang, sozusagen die "fixe Idee", verspürt, heilig zu werden. Ohne zu zögern hast du dann den alltäglichen Kampf aufgenommen in der festen Überzeugung, daß du jedes Anzeichen von Spießertum unnachsichtig in dir ausmerzen mußt.
Später, im betenden Zwiegespräch mit dem Herrn, wurde dir immer klarer, daß Kampf ein anderes Wort für Liebe ist. Du hast Ihn um eine tiefere Liebe gebeten, die dir die Angst vor den zu bestehenden Kämpfen nimmt, denn du wirst kämpfen – für Ihn und mit Ihm und in Ihm.
159 Verstrickungen?… Sei ehrlich und gib zu, daß du lieber Sklave deines Egoismus sein willst, als Gott oder diesem Menschen zu dienen. – Kehr um!
160 "Beatus vir qui suffert tentationem… " – Selig der Mann, der in der Versuchung standhält, denn, wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten.
Freut es dich denn nicht, die Erfahrung zu machen, daß diese Art "inneren Sports" eine nie versiegende Quelle des Friedens ist?
161 "Nunc coepi!" – Jetzt fange ich an! – Das ist der Ruf der liebenden Seele, die, mag sie treu oder kleinlich gewesen sein, in jedem Augenblick ihren Wunsch erneuert, mit ungeteilter Hingabe unserem Gott zu dienen – Ihn zu lieben!
162 Es hat dich in der Seele getroffen, als dir jemand sagte: Du suchst ja gar nicht die Bekehrung, sondern einen Rucksack für deine Armseligkeiten… , damit du dein trauriges Gepäck weiterschleppen kannst – möglichst bequem, aber mit dem bitteren Geschmack von Aloe im Mund…
163 Du weißt nicht, was es ist, das dich überwältigt: physische Erschöpfung oder eine Art innerer Ermüdung oder beides zugleich… : Du kämpfst ohne Kampf, du strengst dich nicht wirklich an, um dich tatsächlich so zu bessern, daß du fähig würdest, die Seelen mit der Freude Christi anzustecken.
Laß dich von mir an das klare Wort des Heiligen Geistes erinnern: Nur der wird den Siegeskranz erhalten, der "legitime", wahrhaft und allen Widerständen zum Trotz, gekämpft hat.
164 Ich könnte besser werden, ich könnte entschlossener sein, ich könnte mehr Elan haben… Warum nur bring ich‘s nicht zuwege?
Weil du – entschuldige meine Offenheit – ein Dummkopf bist. Der Teufel weiß ganz genau, daß eines der am schwächsten bewachten Tore zur Seele das Tor der menschlichen Eitelkeit ist. Gegen das stürmt er jetzt mit aller Kraft an: mittels deiner gefühlsduseligen Erinnerungen, der krankhaften Komplexe, ein schwarzes Schaf zu sein, der fixen Idee vom vermeintlichen Mangel an Freiheit…
Worauf wartest du noch, um das Wort des Meisters zur Kenntnis zu nehmen: Wachet und betet, denn ihr kennt weder den Tag noch die Stunde?
165 Phrasendreschend und deiner Sache nicht ganz sicher, verkündest du: Die einen steigen auf, die anderen ab… Und wieder andere – wie ich! – bleiben am Wegesrand liegen.
Ich wurde über deine Lethargie traurig und entgegnete dir: Die da so herumlungern, werden gelegentlich von den "Aufsteigern", meistens jedoch und kräftiger von den "Absteigern" mitgezogen. Bedenke, welch schmerzlichen Irrweg du einschlägst!
Schon der heilige Bischof von Hippo lehrte, daß, wer stehenbleibt, rückwärts geht.
166 Zwischen deinem Verstand und deinem Gefühl liegen Welten.
Dein Verstand, vom Glauben erleuchtet, zeigt dir nicht nur klar den Weg, sondern auch den Unterschied zwischen einer heroischen und einer verschlafenen Art, ihn zu gehen. Vor allem läßt er dich die Größe und die göttliche Schönheit der Aufgaben erkennen, die die Allerheiligste Dreifaltigkeit in unsere Hände gelegt hat.
Im Gegensatz dazu spricht dein Gefühl auf alles an, was du eigentlich verachtest, und es tut dies sogar noch, wenn du dir die Verachtenswürdigkeit klar machst. Es ist, als ob tausend kleine Widrigkeiten nur auf die passende Gelegenheit warteten, sich – sobald dein armer Wille entweder aus physischer Müdigkeit oder aus verdunkelter Sicht für das Übernatürliche schwächer wird – in dir zu einem Gebirge aufzutürmen und deine Vorstellungskraft in Beschlag zu nehmen, bis du dich erdrückt und entmutigt fühlst: nun siehst du nur noch die Härte der Arbeit, die Last des Gehorsams, den Mangel an Hilfsmitteln, die Illusion eines sorglosen Lebens… Widerliche Versuchungen im kleinen und im großen suchen dich heim, die Irrlichter einer seichten Sentimentalität, die Übermüdung, der bittere Geschmack von geistlicher Mittelmäßigkeit . . . Und gelegentlich auch die Angst: Angst, weil du weißt, Gott will dich heilig – und du bist es nicht.
Erlaube mir, es dir mit aller Härte zu sagen: Du hast zu viele "Gründe", um dich abzuwenden, und zu wenig Courage, um der Gnade zu entsprechen, die Er dir schenkt: denn Er hat dich dazu berufen, ein anderer Christus zu sein, "ipse Christus", Christus selbst! Du hast die Mahnung des Herrn an den Apostel vergessen: "Meine Gnade genügt dir!" Dieses Wort ist die Gewähr dafür, daß du kannst, wenn du nur willst.
167 Hole die Zeit nach, die du damit verloren hast, dich auf den Lorbeeren der Selbstzufriedenheit auszuruhen: Du hieltest dich für einen "guten Menschen" – so als ob es schon genügte, sich ohne Mord und Diebstahl durchzuschlagen.
Lege in deiner Beziehung zu Gott und auch in deiner Arbeit ein schärferes Tempo vor – der Weg, den du zurückzulegen hast, ist noch sehr weit! Sei gut zu allen, gerade auch zu denen, die dir auf die Nerven fallen; und gib dir Mühe, die besonders zu lieben, auf die du früher herabschautest, und ihnen zu dienen!
168 Du decktest in der Beichte das Elend deiner Vergangenheit auf – einen schlimmen Eiterherd…
Der Priester behandelte deine Seele wie ein guter, gewissenhafter Arzt: er schnitt heraus, was nötig war, und erlaubte die Schließung der Wunde erst nach ihrer sorgfältigen Reinigung.
Sei dankbar dafür!
169 Es bringt großen Erfolg, ernste Angelegenheiten mit sportlichem Geist anzugehen… Ich habe einige Partien verloren? Nicht zu ändern – aber wenn ich durchhalte, werde ich am Ende doch noch gewinnen.
170 Bekehre dich jetzt, da du dich noch jung fühlst… Wie schwer fällt es, den Kurs zu begradigen, wenn die Seele vergreist ist!
171 "Felix culpa!" singt die Kirche… Gesegnet dein Fehltritt – flüstere ich dir ins Ohr –, wenn er bewirkte, daß du nicht noch einmal fällst; und auch, daß du deinen Nächsten, der nicht weniger wert ist als du, verstehst und stützt.
172 Ist es möglich, fragst du, nachdem du die Versuchung bestanden hast, ist es möglich, Herr, daß ich jetzt tatsächlich "ein anderer" bin?
173 Ich fasse deine "Krankengeschichte" zusammen: hier komme ich zu Fall dort wieder auf die Beine… Letzteres ist das wichtigste.
Werde also nicht müde in diesem inneren Kampf, auch wenn du nur im Schneckentempo vorankommst. Nur weiter!
Du weißt genau, mein Kind, wohin du gelangen kannst, wenn du nicht kämpfst: ein Abgrund reißt den nächsten auf…
174 Du schämst dich vor Gott und vor den anderen. In dir hast du eine alte und nun wieder frische Schmutzkruste entdeckt: kein Trieb, keine böse Neigung, die du nicht hautnah empfindest… dazu die dunkle Wolke der Ungewißheit im Herzen… Und die Versuchung überfällt dich ganz ungewollt, ganz unerwartet, wenn dein ermüdeter Wille nachzulassen beginnt.
Es tut dir zwar weh, dich in solchem Zustand zu sehen, aber du weißt nicht mehr, ob er dich demütigt oder nicht… Doch soll er dich ja seinetwegen schmerzen, aus Liebe zu Gott. Reue aus Liebe wird dir helfen, wachsam zu bleiben. Denn der Kampf währt, solange wir leben.
175 Welch brennende Sehnsucht verzehrt dich, die Hingabe zu besiegeln mit der du dich damals entschlossen hast: dich als Kind Gottes zu wissen und auch so zu leben!
Leg all deine Armseligkeiten und Treulosigkeiten in die Hände Gottes: allein schon deswegen, weil dies die einzige Möglichkeit ist, ihr Gewicht zu verringern.
176 Erneuerung ist nicht Erschlaffung.
177 Tage der geistlichen Besinnung: in Stille sich sammeln, um neu zu Gott zu finden, um sich selbst zu finden und so innerlich zu reifen. Wir haben diese Zeit bitter nötig, damit wir entdecken, worin wir uns bessern müssen und wie das geschehen kann: Was soll ich tun? Was soll ich unterlassen?
178 Was im vorigen Jahr geschah, darf nicht noch einmal vorkommen.
Auf die Frage "Wie war es beim Einkehrtag?" hast du geantwortet: "Wir haben uns sehr gut erholt!"
179 Tage des Schweigens, Tage der spürbaren Gnade… Gebet vor Gott, von zu Angesicht…
Ein Dankgebet stieg in meinem Herzen auf, als ich sah, wie Menschen mit der Last ihrer Jahre und ihrer Erfahrungen sich der göttlichen Nähe öffneten. Sie freuten sich wie Kinder über die Möglichkeit, ihr Leben doch noch in einer Weise fruchtbar werden zu lassen, die alle Irrwege und Versäumnisse der Vergangenheit tilgen könnte.
Mit dieser Perspektive vor Augen habe ich dich inständig ermahnt: Höre in deinem inneren Leben niemals auf zu kämpfen!
180 "Auxilium christianorum!" – Du Hilfe der Christen, so beten wir voll Zuversicht in der Lauretanischen Litanei. Hast du dieses Stoßgebet schon in schwierigen Situationen erprobt? Wenn du es mit dem Glauben und mit der Zärtlichkeit einer Tochter, eines Sohnes betest, wirst du erfahren, wie mächtig die Fürsprache deiner heiligen Mutter Maria ist. Sie schenkt dir den Sieg.
181 Während wir miteinander sprachen, betrachteten wir auf der Landkarte jenen Erdteil. Im Gedanken an die Menschen dort sagtest du, mit leuchtenden Augen und voll innerer Ungeduld: Kann es denn sein, daß jenseits dieser Meere die Gnade Gottes unwirksam bleibt?
Dann gabst du dir selber die Antwort: In seiner unendlichen Güte will Er sich fügsamer Werkzeuge bedienen.
182 Du fühlst sicher Mitleid mit ihnen… Du möchtest ihnen zurufen, daß sie ihre Zeit vergeuden… Warum sind sie so blind und nehmen das nicht wahr, was du – ein armer Mensch – gesehen hast? Wieso entscheiden sie sich nicht für das Beste?
Bete und bringe Opfer für sie. Und dann – das ist deine Pflicht! – wecke sie einzeln und erkläre ihnen – ebenfalls jedem einzelnen! –, daß auch sie, ohne ihren Standort in der Gesellschaft zu verlassen, einen göttlichen Weg finden können, wie du ihn gefunden hast.
183 Du hast mit viel Schwung begonnen. Aber dann wurdest du allmählich kleinmütig… Wenn dein Horizont sich weiter so verengt, wirst du dich am Ende noch in dein kümmerliches Schneckenhaus verkriechen. Dein Herz soll immer mehr wachsen in der Sehnsucht, Menschen zu Gott zu führen: Von hundert Seelen interessieren uns alle hundert.
184 Danke dem Herrn dafür, wie zärtlich er dich behandelt, väterlich und mütterlich zugleich. Du hast schon immer von großartigen Abenteuern geträumt – nun hast du dich auf ein wunderbares Abenteuer eingelassen, das dich heilig macht.
Ich wiederhole es dir: Danke Gott dafür mit einem apostolischen Leben.
185 Wenn du dich in deine apostolische Aufgabe stürzt, halte dir vor Augen, daß es dabei immer darum geht, die Menschen glücklich, sehr glücklich zu machen: Die Wahrheit ist von der echten Freude nicht zu trennen.
186 Menschen verschiedener Länder und Rassen, aus unterschiedlichen Lebensumständen und Berufen… Wenn du mit ihnen über Gott sprichst, verspürst du hautnah den menschlichen und übernatürlichen Wert deiner Berufung als Apostel. Es ist, als ob du das Wunder jener ersten Verkündigung der Jünger Christi in seiner vollen Wirklichkeit abermals erlebtest: Die Botschaft von einem neuen Weg, verkündet in einer fremden Sprache, wird von jedem Hörer in seiner Muttersprache verstanden und dringt in die Tiefe seines Herzens.
Und du begreifst, daß das Geschehen von einst wiederum Wirklichkeit wird: "Parther, Meder und Elamiter…" – sie alle haben sich voller Freude Gott genähert.
187 Hör mir gut zu und sag es weiter: Christentum ist Liebe. Umgang mit Gott macht glücklich und drängt zu großen Taten. Die Sorge um die anderen – das Apostolat – ist kein Luxusartikel, keine "elitäre" Beschäftigung…
Nachdem du das weißt, kannst du dich unbändig freuen, weil dein Leben einen ganz anderen Sinn bekommen hat. Und sei konsequent!
188 Natürlichkeit, Aufrichtigkeit, Freude: Das sind unentbehrliche Voraussetzungen für einen Apostel, um Menschen anzuziehen.
189 Einfacher konnte die Art nicht sein, wie Jesus die ersten Zwölf rief: "Komm und folge mir nach!"
Dir, der du nach so vielen Ausreden suchst, um diese Aufgabe nicht übernehmen zu müssen, ist die folgende Erwägung wie auf den Leib geschrieben: Der rein menschliche Bildungsstand jener Ersten war recht gering – und doch: wie sehr rüttelten sie ihre Zuhörer auf!
Vergiß mir das eine nicht: Weiterhin ist Er es, der die Arbeit tut – durch jeden einzelnen von uns…
190 Die Berufung zum Apostolat – Gott ist es, der sie schenkt. Aber du darfst nie darin nachlassen, um dieses Geschenk zu ringen, mit Gebet, Abtötung, Studium oder Berufsarbeit, mit Freundschaft und gläubiger Zuversicht, kurz, mit deinem inneren Leben!
191 Wenn ich mit dir vom "Apostolat der Freundschaft" spreche, dann meine ich eine persönliche Freundschaft, die opferfreudig ist und aufrichtig: eine Freundschaft von Du zu Du, von Herz zu Herz.
192 Das Apostolat beruht auf Freundschaft und Vertrauen, aber der erste Schritt zu beidem ist das Verstehen, das Dienen… und eine heilige Festigkeit in der Glaubenslehre.
193 Die Christus gefunden haben, dürfen sich gegenüber ihrer Umwelt nicht abkapseln: solche Selbstgenügsamkeit wäre eine traurige Sache. Sie müssen sich viel mehr wie ein Fächer nach allen Seiten hin entfalten, um alle Menschen zu erreichen. Jeder muß um sich einen immerfort wachsenden Freundeskreis bilden, den er durch sein berufliches Ansehen, durch sein Verhalten, durch seine Freundschaft beeinflußt – doch mit dem Ziel, daß es Christus ist, der in all diesen Beziehungen seinen Einfluß ausübt.
194 Du mußt selber Glut sein, um das Feuer überallhin zu tragen, und wo die Umgebung unfähig scheint, Feuer zu fangen, muß durch dich die geistliche Temperatur steigen.
Andernfalls vergeudest du nur sträflich deine Zeit – und übrigens auch die Zeit der anderen, die um dich sind.
195 Wo sich wirklich liebende Sorge um die Seelen findet, da finden sich auch immer gute Menschen – und ein bereiter Boden. Nein, du kannst dich einfach nicht herausreden!
196 Sei ganz sicher: Auch hier gibt es viele, die deinen Weg begreifen können; Menschen, die – bewußt oder unbewußt – Christus suchen und ihn nicht finden, Aber: "Wie sollen sie von Ihm erfahren, wenn niemand Ihn verkündigt?"
197 Sag mir nicht, daß du auf dein inneres Leben achtest, wenn dir das Apostolat nicht dringend und beständig am Herzen liegt: Der Herr – und du versicherst mir ja, daß du seine Nähe suchst – will, daß alle Menschen zum Heil gelangen.
198 Ein sehr mühsamer Weg sei das – so hat er dir gesagt. Du stimmtest dem lächelnd zu, denn du dachtest an das Wort vom Kreuz als dem sicheren Zeichen des wahren Weges… Aber dein Freund hat nur das steile Stück des Weges vor Augen und nicht die Verheißung Jesu: "Mein Joch ist sanft".
Erinnere ihn daran: Vielleicht gibt er sich hin, wenn er es erfährt…
199 Er hat keine Zeit?… Um so besser. Gerade die, die keine Zeit haben, sind Christus besonders wichtig.
200 Wenn du dir klarmachst, wie viele Menschen die wunderbare Gelegenheit der Begegnung mit Christus ungenutzt und Ihn an sich vorbeigehen lassen, dann frage dich auch: Wieso hat dieser eindeutige, providentielle Ruf, der mir den Weg wies, gerade mich erreicht?
Erwäge es jeden Tag von neuem: Der Apostel muß immer ein "anderer Christus" sein, Christus selbst.
201 Wundere dich nicht und sei nicht traurig wegen seines Vorwurfs, du hättest ihn "Auge in Auge" mit Christus konfrontiert; und sei auch nicht bekümmert über seinen zornigen Kommentar: "Jetzt kann ich nicht mehr ruhig leben, bis ich eine Entscheidung getroffen habe… "
Bete für ihn… Es wäre ganz vergeblich, ihn "beschwichtigen" zu wollen: Vielleicht ist jetzt eine alte Unruhe – die Stimme seines Gewissens – in ihm aufgebrochen.
202 Sie setzen dir zu, weil du zu Menschen, die sich noch niemals eine solche Frage gestellt haben, von Hingabe an Gott sprichst? – Ja, und? Darin besteht doch deine Berufung: Apostel von Aposteln zu sein…
203 Du erreichst die Menschen nicht, weil du eine andere "Sprache" sprichst. Ich rate dir, natürlich zu sein.
Die Bildung, die du hast, ist so aufgesetzt!
204 Du zögerst, ohne Umschweife von Gott, vom christlichen Leben, von Berufung zu sprechen – weil du nicht wehtun willst?… Du vergißt, daß nicht du es bist, der ruft, sondern Er: "Ego scio quos elegerim" –ich kenne, die ich mir erwählt habe.
Außerdem mißfiele es mir sehr, wenn sich hinter solchen falschen Rücksichten Bequemlichkeit oder Lauheit versteckten. Willst du, so wie die Dinge liegen, wirklich der Freundschaft mit Gott eine armselige menschliche Freundschaft vorziehen?
205 Du hast dich mit diesem und mit jenem und mit einem dritten unterhalten, weil dich der Eifer für die Seelen verzehrt. Der eine bekam Angst; der andere holte sich Rat bei einem "Lebenskundigen", der ihn falsch beriet…
Bleibe du nur beharrlich, damit sich niemand eines Tages darauf herausreden kann: "Quia nemo nos conduxit" – niemand hat uns gerufen…
206 Ich verstehe deine heilige Ungeduld. Doch mußt du dabei auch bedenken, daß die einen viel Zeit zum Überlegen brauchen und die anderen manchmal erst im Laufe der Jahre reagieren… Warte mit offenen Armen auf sie! Heilige deine Ungeduld mit viel Gebet und Abtötung. Kommen sie dann eines Tages, werden sie jugendlicher und großherziger sein; sie werden ihre Spießigkeit abgeschüttelt und an Tapferkeit gewonnen haben.
Wie sehr wartet Gott auf sie!
207 Der Glaube ist eine unerläßliche Voraussetzung für das Apostolat. Er erweist sich oft darin, mit Ausdauer von Gott zu sprechen, auch wenn die Früchte lange auf sich warten lassen.
Wenn wir durchhalten und unsere Sendung in uns lebendig bleibt in der sicheren Überzeugung, daß der Herr es so will, dann wird man nach und nach überall, auch in deiner Umgebung, die Anzeichen einer "christlichen Revolution" wahrnehmen: Die einen werden sich Gott ganz hingeben, die anderen ihr inneres Leben ernst nehmen und wieder andere – die etwas Bequemeren – zumindest wachsamer werden.
208 Tage echten Jubels! Drei neue Berufungen!
Es erfüllt sich das Wort Jesu: "Mein Vater wird dadurch verherrlicht, daß ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet."
209 Ich mußte lächeln, denn ich kann dich sehr gut verstehen. Du sagtest: Mich begeistert die Aussicht, in neue Länder aufzubrechen, dort Breschen zu schlagen, vielleicht sehr weit weg von hier… Ich müßte mich erkundigen, ob es auf dem Mond Menschen gibt!
Bitte den Herrn, Er möge diesen apostolischen Eifer immerfort in dir wachsen lassen!
210 Angesichts so vieler schläfriger Seelen überkommt einen manchmal der verrückte Wunsch, sie anzuschreien, sie wachzurütteln, damit sie reagieren und aus ihrer schrecklichen Benommenheit herauskommen. Es ist so traurig zu sehen, wie sie blind umhertappen, ohne den Weg zu finden!
Daß Jesus über Jerusalem weinte – ich verstehe es gut: es waren Tränen seiner göttlichen Liebe…
211 Erfasse Tag für Tag tiefer die apostolische Dimension deiner christlichen Berufung! Vor zwanzig Jahrhunderten hat Er sein Wahrzeichen – das Kreuz – aufgerichtet, damit sich unter ihm alle sammeln, die redlichen Herzens sind und fähig zu lieben. Und Er will, daß wir das – genau das! – den Menschen verkünden. Kannst du dir denn einen noch drängenderen Ruf vorstellen als das "Ignem veni mittere in terram !" – Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen? Und demgegenüber die Tatsache, daß zweieinhalb Milliarden Menschen Christus noch nicht kennen…
212 "Hominem non habeo" – ich habe keinen Menschen, der mir hilft. Das könnten – leider! – viele Menschen sagen, deren Seele krank und wie gelähmt ist – und die doch Gott und den Nächsten dienen können… und dienen sollen.
Herr, laß mich niemals gegenüber den Seelen gleichgültig bleiben!
213 Hilf mir, ein neues Pfingsten zu erflehen, das die Erde von neuem entzündet.
214 "Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein."
Immer klarer sehe ich, Herr, daß die Bande des Blutes, wenn sie nicht in Deinem liebeglühenden Herzen verankert sind, für die einen ein dauerndes Kreuz bedeuten; für die anderen Quelle mehr oder minder massiver Versuchungen, in der Beharrlichkeit nachzulassen; für wieder andere Ursache einer vollständigen Unwirksamkeit; und für alle im Grunde Hindernis, das der Ganzhingabe entgegensteht.
215 Die Pflugschar, die den Acker umbricht und in ihm die Furchen zieht, sieht weder den Samen noch die Frucht.
216 Nachdem du dich entschieden hast, entdeckst du jeden Tag Neues. Du erinnerst dich an gestern, als du dich immer wieder fragtest: "Und wie ist es hiermit… und wie steht es damit… ?", um dann in deinen Zweifeln oder in deinen Enttäuschungen herumzustochern.
Jetzt findest du immer die richtigen Antworten – immer gut begründet und klar. Und wenn sie sich auf eine deiner manchmal naiven Fragen beziehen, dann kommt dir in den Sinn: "So muß Jesus mit den ersten Zwölf umgegangen sein".
217 Berufungen, Herr, mehr Berufungen! Mir ist es gleich, ob die Saat meine war oder die eines anderen. – Du, Jesus, hast gesät… mit unsren Händen! – Ich weiß nur, daß Du uns reife Früchte verheißen hast: "Et fructus vester maneat!" – und eure Frucht soll bleiben!
218 Sprich klar und deutlich! Behaupten sie, daß du sie "einfangen" willst, antworte, daß du das natürlich willst. Aber sie können ganz unbesorgt sein; denn wenn sie keine Berufung haben – das heißt: wenn Er sie nicht ruft –, werden sie nicht kommen. Und wenn Er sie ruft – ist es nicht beschämend, am Ende dazustehen wie jener junge Mann aus dem Evangelium: allein und traurig…?
219 Deine Aufgabe als Apostel ist groß und schön. Du befindest dich im Schnittpunkt von Gnade und Freiheit; und du bist anwesend, wenn sich im Leben so mancher Menschen das herrlichste aller Wunder ereignet: ihre Begegnung mit Christus.
220 Man könnte geradezu meinen, sagte jemand, daß ihr alle, Mann für Mann und Frau für Frau, einzeln ausgewählt seid…
So ist es!
221 Sieh es doch ein! Du mußt dir eine gründliche Bildung aneignen. Denn eine Fülle von Menschen wird auf uns zukommen, und sie werden fragen, konkret und auch fordernd: "Gut. Was also ist zu tun?"
222 Ein wirksames Rezept für deine apostolische Arbeit: Konkrete Pläne, und zwar nicht von einer Woche zur anderen, sondern von heute auf morgen und von jetzt auf gleich…
223 Christus erwartet viel von deiner Arbeit. Aber du mußt auf die Suche nach den Seelen gehen, so wie der gute Hirt dem hundertsten Schaf nachging – ohne darauf zu warten, ob man dich ruft. Nimm deine Freunde in Anspruch, um anderen Gutes zu tun. Sag jedem einzelnen: Niemand darf sich zufrieden geben mit seinem eigenen geistlichen Leben, wenn daraus nicht intensiver apostolischer Einsatz erwächst.
224 Es ist untragbar, daß du die Zeit mit "deinem Firlefanz" vergeudest, während es so viele Seelen gibt, die auf dich warten.
225 Immer wird dein Apostolat auch ein Apostolat der katholischen Glaubenslehre sein.
226 Das Pfingstwunder besteht darin, daß alle Wege dieser Erde ihre göttliche Weihe erhalten. Nie darf es dahingehend mißverstanden werden, daß nur einem einzigen Weg – auf Kosten der anderen Wege – ein Monopol oder eine ausschließliche Wertschätzung zukäme.
Pfingsten: das ist die unbeschreibliche Vielfalt der Sprachen, der Umstände, der mannigfachen Formen, in denen wir Gott begegnen – keine aufgezwungene Gleichförmigkeit.
227 Du schriebst mir: Zu unserer Gruppe gesellte sich ein Junge, der in den Norden reiste, ein Bergmann. Er sang sehr gut und stimmte in unseren Chor mit ein. Ich habe für ihn gebetet, bis er an seinem Reiseziel ausstieg. Beim Abschied sagte er: "Wie gerne würde ich die Reise mit euch fortsetzen!"
Ich erinnerte mich sofort an das "mane nobiscum!" – bleibe bei uns, Herr! Erneut bat ich Christus mit viel Glauben, die anderen möchten Ihn auch in einem jeden von uns, die wir Ihn auf "Seinem Weg" begleiten, "erkennen".
228 Auf dem Weg derer, die sich zu Recht enttäuscht fühlen, sind Massen davongelaufen und laufen weiter davon… Das schmerzt… aber wie viele Ressentiments haben wir bei Menschen in geistlicher oder materieller Not sich ansammeln lassen!
Wir müßten Christus von neuem zu den Armen und den "Kleinen" bringen! Denn gerade unter ihnen weilt Er am liebsten.
229 Lehrer: Du sollst – und zwar mit Freude – deine Schüler dahin bringen, daß sie binnen kurzem das verstehen, wozu du selber, um es zu begreifen, Stunden des Studiums benötigt hast.
230 Der Wunsch, zu "lehren" und "von Herzen zu lehren", bringt in den Lernenden jene Dankbarkeit hervor, die sich als ein fruchtbarer Boden für das Apostolat erweist.
231 Mir gefällt diese Devise: "Jeder Wanderer gehe seinen Weg" – den Weg, den Gott ihm gewiesen hat – in Treue, in Liebe, auch wenn es mühsam ist…
232 Welch ungeheuer tiefe Lektion enthält doch jede einzelne Lehre aus dem Neuen Testament!
Nachdem der Meister, der in den Himmel auffährt zur Rechten des Vaters, ihnen geboten hat: "Geht hin in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen… ", bleiben die Jünger zurück – voller Frieden, aber doch noch unschlüssig. Sie wissen nicht, was sie tun sollen und sammeln sich um Maria, die Königin der Apostel, bis sie zu nimmermüden Verkündern der Wahrheit werden, die die Welt retten wird.
LEIDEN
233 Du sagtest mir, im Leben Jesu gebe es Szenen, die dich besonders ergreifen: So wenn Er mit leidenden Menschen zusammentrifft . . Wenn Er den an Leib und Seele Geschundenen Frieden und Genesung bringt… Es sei ergreifend zu sehen, wie Er den Aussatz hellt, das Augenlicht wiederschenkt, den Gelähmten am Teich gesund macht, den armen Teufel, den alle vergessen haben… Er erscheint dir dann so ganz und gar menschlich, so nah!
Ja, und Er ist es, denn Er bleibt immer derselbe wie damals.
234 Du hast den Herrn darum gebeten, Er möge dich ein wenig um seinetwillen leiden lassen… Sieh da — als nun das Leiden kommt, und zwar auf eine sehr menschliche, sehr gewöhnliche Art, mit Schwierigkeiten und Sorgen in der Familie oder den tausend Kleinigkeiten des Alltags, fällt es dir doch schwer, hinter all dem Christus zu sehen.
Halte deine Hände geduldig hin für diese Nägel… Und dein Schmerz wird sich in Freude verwandeln.
235 Beklage dich nicht, wenn du leidest. Nur kostbare Steine werden geschliffen.
Es tut weh? — Danke Gott für den "Schliff", denn Er hat dich wie einen Diamanten in seine Hände genommen… Ein gewöhnlicher Kieselstein wird nicht derart bearbeitet.
236 Wer feige vor dem Leiden die Flucht ergreift, der hat beim Anblick von Menschen, die den Schmerz freudig annehmen, Stoff zum Nachdenken.
Nicht wenige Männer und Frauen sind fähig, christlich zu leiden. Folgen wir ihrem Beispiel!
237 Du jammerst? Und als hättest du Grund dafür, erklärst du mir: Hier ein Stich!… Und da noch einer!…
Begreifst du denn nicht, wie töricht es ist, überrascht zu sein, daß Rosen auch Dornen haben?
238 Erlaube mir, auch weiterhin — wie bis jetzt — mit dir im Vertrauen zu sprechen: Der Anblick eines Kruzifixes ist mir Grund genug, daß ich nicht wage, von meinen Leiden zu sprechen… Und ich habe viel gelitten, das verheimliche ich gar nicht — aber immer mit Freude.
239 Du wirst nicht verstanden? Er war die Wahrheit und das Licht, aber auch die Seinen haben Ihn nicht verstanden. Oft habe ich dir geraten, dich im Gebet der Worte des Herrn zu erinnern: "Der Jünger steht nicht über dem Meister."
240 Für ein Kind Gottes sind Widerspruch und Verleumdung das gleiche, was für einen Soldaten die Verwundungen sind, die er auf dem Schlachtfeld erleidet.
241 Sie ziehen über dich her… Dein guter Ruf!… Was liegt schon daran…
Auf alle Fälle sollst du Scham und Schmerz nicht deinetwegen, sondern ihretwegen empfinden — deine Verleumder müssen dir leid tun…
242 Manchmal wollen sie nicht verstehen: Sie sind wie verblendet… Aber andere Male bist du es, der es nicht fertigbringt, sich verständlich zu machen: Arbeite in diesem Punkt an dir!
243 Es genügt nicht, recht zu haben. Es ist ebenso nötig, dies auch zur Geltung zu bringen… und zu erreichen, daß die anderen es anerkennen. — Wie dem auch sei: Du sage die Wahrheit, wann und wo immer es nottut, und kümmere dich nicht um das Gerede der Leute.
244 Wenn du ein Schüler und Lehrling des Meisters bist, kann es dich nicht erstaunen, daß auch du dich an dem Unverständnis so vieler Menschen wundscheuern mußt, Menschen, die dir schon dadurch viel helfen könnten, daß sie auch nur das geringste Bemühen um Verständnis zeigten.
245 Du hast ihn zwar nicht körperlich mißhandelt… Aber du hast ihn so oft ignoriert, so oft für ihn nur einen gleichgültigen Blick gehabt, wie für einen Fremden… Hältst du das für geringfügig?
246 Ohne es zu wollen, helfen die Verfolger den Verfolgten, heilig zu werden…
Aber: wehe solchen "Helfern"!
247 Wie oft besteht der irdische Lohn in Verleumdung…!
248 Manche Menschen scheinen darauf versessen zu sein, sich "Leiden" zu erfinden; sie quälen sich selbst mit ihren Einbildungen. Kommen dann später wirkliche Leiden und Widerwärtigkeiten, so erweisen sie sich außerstande, dem Beispiel der Gottesmutter zu folgen und wie sie zu Füßen des Kreuzes auszuharren — die Augen auf den Sohn gerichtet…
249 Opfer, Opfer! — Ja, gewiß, Christus folgen heißt, das Kreuz tragen… Er selbst hat es gesagt. Trotzdem höre ich es nicht gern, wenn Menschen, die den Herrn lieben, zuviel von Kreuz und von Verzicht reden; denn wer liebt, bringt mit Freude Opfer — auch wenn sie schwerfallen. Denn das Kreuz ist ja das Heilige Kreuz.
Die Seele, die so zu lieben und sich hinzugeben fähig ist, erfährt Glück und Frieden in überreichem Maß. Warum also immer wieder, gleichsam Trost heischend, von "Opfer" sprechen, wenn doch das Kreuz Christi dein Leben ist und dich glücklich macht?
250 Wie sehr würde die Zahl der Neurastheniker und Hysteriker sinken, brächte man den Leuten — zugleich mit der katholischen Glaubenslehre! wirklich bei, wie man als Christ lebt: mit Liebe zu Gott, in dem Wissen, daß die Nöte aller Art als ein Segen aus seiner Hand anzunehmen sind!
251 Geh nicht an fremdem Leid gleichgültig vorüber. Der da leidet — ein Verwandter, ein Freund, ein Kollege… ein Unbekannter — ist dein Bruder. Erinnere dich an die Stelle im Evangelium, die du so oft mit Kummer gelesen hast: Nicht einmal die Verwandten Jesu nahmen Anteil an Ihm, an seinem Los.
Bemühe dich darum, daß sich diese Situation nicht wiederholt.
252 Stell dir vor, es gäbe auf Erden niemanden außer Gott und dir.
Du wirst dann leichter die Kränkungen und Demütigungen ertragen… Und außerdem wirst du die Dinge tun, die Gott will, und sie so tun, wie Er sie getan haben möchte.
253 Manchmal, so meinte ein Kranker, verzehrt von Sorge um die Seelen, bäumt sich der Leib ein wenig auf und stöhnt… Aber ich versuche, auch "dieses Stöhnen" in Lächeln zu verwandeln. Das hilft sehr.
254 Eine unheilbare Krankheit schränkte seine aktiven Möglichkeiten ein. Dennoch versicherte er mir voller Freude: "Die Krankheit ist gut für mich, jeden Tag liebe ich sie mehr. Wenn ich zu wählen hätte ,… hundertmal würde ich wählen, mit ihr geboren zu sein!"
255 Jesus wurde ans Kreuz genagelt, nachdem Er sich dreiunddreißig Jahre lang — sein ganzes Leben! — darauf vorbereitet hatte.
Die Ihm wirklich nachfolgen wollen, seine Jünger, müssen durch Loslösung von ihrem Ich, aktiv wie passiv, ihr ganzes Leben in liebende Miterlösung verwandeln.
256 Das Kreuz ist allgegenwärtig. Es ragt plötzlich empor, wo man es am wenigsten erwartet hat. — Vergiß aber nicht: Wenn du das Kreuz verspürst, weißt du, daß jetzt deine Wirksamkeit beginnt!
257 Der Ewige Hohepriester, unser Herr, segnet immer mit dem Kreuz.
258 "Cor Mariae perdolentis, miserere nobis !" — Rufe das heiligste Herz Mariens an mit dem festen Vorsatz, dich mit ihrem Schmerz zu vereinen, als Sühne für deine Sünden und für die Sünden aller Menschen aller Zeiten.
Und dieser Schmerz — das erbitte von ihr für jede Seele — möge in uns die Abscheu vor der Sünde vertiefen und uns dazu bereitmachen, die körperlichen oder seelischen Belastungen unseres Alltags in Liebe als Sühne anzunehmen.
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DEMUT
259 "Das Gebet": Demut des Menschen, der sein tiefes Elend und die Größe Gottes erkennt und sich anbetend an Ihn wendet, da er von Ihm alles und von sich selbst nichts erwartet.
"Der Glaube": Demut des Verstandes, der auf seine eigenen Maßstäbe verzichtet und sich dem Urteil und der Autorität der Kirche beugt.
"Der Gehorsam": Demut des Willens, der sich Gott zuliebe einem fremden Willen unterwirft.
"Die Keuschheit": Demut des Fleisches, das dem Geist untertan sein will.
"Die Abtötung" in den äußeren Dingen: Demut der Sinne.
"Die Buße": Demut aller Begierden, die Gott aufgeopfert werden.
Demut ist Wahrhaftigkeit auf dem Weg des aszetischen Kampfes.
260 Es ist etwas sehr Großes, sich vor Gott als ein Nichts zu wissen. Denn
ist ja die Wirklichkeit.
261 "Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig… " Die Demut Jesu! Welch eine Lehre für dich, der du ein armes Werkzeug bist, aus Lehm gemacht. Der Allbarmherzige hat dich erhoben aus der Tiefe deiner Niedrigkeit, Er hat dich ganz ohne dein Verdienst geadelt, damit du die Sonne seiner Gnade widerspiegelst. Du aber — wie oft hast du deinen Hochmut mit dem Schein der Würde oder der Gerechtigkeit bemäntelt!…
Und wie viele Gelegenheiten, vom Meister zu lernen, hast du versäumt, weil du es nicht verstanden hast, sie in Hinblick auf Gott zu betrachten.
262 Sogenannte Depressionen, weil du deine Schwächen siehst oder sie plötzlich entdeckst, haben kein geistliches Fundament…
Bitte um die echte Demut.
263 Erlaube mir, daß ich dir einige von den vielen klaren Zeichen mangelnder Demut ins Gedächtnis rufe:
zu denken, daß das, was du tust oder sagst, besser getan oder gesagt ist als von den anderen; immer deine eigenen Vorstellungen durchsetzen zu wollen;
auf Diskussion zu bestehen, wenn du im Unrecht bist, oder sie stur und unerbittlich zu führen — falls du recht hast;
deine Meinung ungebeten und ohne daß die Nächstenliebe es verlangt, zum besten zu geben;
die Ansichten anderer für belanglos zu halten; zu vergessen, daß deine Gaben und Eigenschaften nur geliehen sind;
nicht einsehen zu wollen, daß du jeder Ehre und Wertschätzung unwürdig bist und daß du nicht einmal den Erdboden, der dich trägt, und die Dinge, die du besitzt, verdienst; dich selber in Gesprächen als Vorbild hinzustellen;
negativ von dir zu sprechen, damit die anderen sich eine um so bessere Meinung von dir bilden oder dir widersprechen;
dich zu entschuldigen, wenn du getadelt wirst; deinem Leiter einige beschämende Fehler zu verbergen, damit er sein Bild von dir nicht revidiert;
mit Wohlgefallen zu hören, wie andere dich loben, oder dich darüber zu freuen, daß sie gut von dir gesprochen haben;
dich zu beklagen, daß andere mehr geschätzt werden als du;
dich zu weigern, "niedrige" Aufgaben zu erfüllen;
den Wunsch oder das Bestreben zu haben aufzufallen;
im Gespräch Selbstlob anzudeuten oder etwa auf deine Redlichkeit, deinen Scharfsinn, deine Gewandtheit, dein berufliches Ansehen anzuspielen;
dich zu schämen, weil dir gewisse Gaben mangeln.
264 Demütig sein heißt keineswegs, ängstlich oder furchtsam zu sein.
265 Fliehen wir vor jener falschen Demut, die nur ein Deckmantel für Bequemlichkeit ist.
266 Petrus sagt: "Du, Herr, willst mir die Füße waschen?" Jesus antwortet: "Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen." Wieder Petrus: "Niemals sollst du mir die Füße waschen!" Jesus erwidert: "Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir." Simon Petrus ergibt sich: "Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt."
Wenn wir in uns den Ruf zu einer Ganzhingabe vernehmen, die keine Vorbehalte und kein Zaudern kennt, antworten wir oft in falscher Demut, wie anfänglich Petrus… Doch hätten wir nur das große Herz dieses Apostels! Er läßt es nicht zu, daß jemand Jesus mehr liebt als er. Wer so liebt, muß auf diese Weise reagieren:
Hier bin ich! Wasche meine Hände, mein Haupt, meine Füße! Reinige mich ganz! Denn ich will Dir ganz gehören.
267 Für dich schreibe ich aus einem Brief ab: "Die Demut, die uns das Evangelium lehrt, ergreift mich tief. Um so mehr aber empört mich die jämmerliche Art, wie manche Christen sich aufführen: eingeschüchterte Schafe, die dem Ansehen der Kirche schaden. Solche Leute muß der atheistische Schriftsteller vor Augen gehabt haben, der meinte, die christliche Moral sei eine Sklavenmoral…"
In der Tat: wir sind Knechte, aber solche, die zur Würde der Kinder Gottes erhoben werden und die keine Sklaven ihrer Begierden sein wollen.
268 Die Überzeugung von deiner recht minderen Beschaffenheit — also deine Selbsterkenntnis — wird dir dazu verhelfen, auf Demütigungen, Verachtung oder Verleumdung mit übernatürlichem Sinn zu reagieren, so daß Freude und Frieden in deiner Seele immer tiefere Wurzeln schlagen.
Nachdem du dein "Fiat" — wie Du willst, Herr! — gesprochen hast, wirst du zu dem Schluß gelangen: "Was — nur das hat er über mich gesagt? Man sieht, daß er mich nicht kennt, sonst hätte er es nicht dabei bewenden lassen."
Da du selbst am besten weißt, daß du eigentlich eine noch schlechtere Behandlung verdientest, wirst du sogar jenem Menschen gegenüber Dankbarkeit empfinden und dich über etwas freuen, das einen anderen gegrämt hätte.
269 Je höher eine Statue steht, desto schwerer und gefährlicher ihr Aufprall, wenn sie herabstürzt.
270 Geh mit immer mehr Demut und Aufrichtigkeit zur geistlichen Leitung und pünktlich, denn auch das ist Demut.
Denke daran — und laß dich nicht beirren, denn Gott ist es, der zu dir spricht —, daß du offen bist wie ein kleines Kind, dem man nach und nach Neues beibringt: das Sprechen und Lesen, die Namen der Blumen und Vögel, die Freuden und Sorgen des Lebens, und das lernt, fest auf dem Erdboden zu stehen…
271 "Nach wie vor", sagst du mir, "bin ich eine arme Kreatur."
Das hast du auch früher schon gewußt — und es war dir tief zuwider! Jetzt aber pflegst du schon — ohne klein beizugeben und ohne zu resignieren — darüber zu lächeln und mit wachsender Freude deinen Kampf immer wieder neu zu beginnen.
272 Wenn du einsichtig und demütig bist, wirst du beobachtet haben, daß kein Mensch in seinem Leben je auslernt…
Auch die Weisesten haben bis an ihr Ende zu lernen; tun sie es nicht, so haben sie aufgehört, weise zu sein.
273 Jesus, wenn ich Apostel sein soll, mußt Du mich in Deiner Güte sehr demütig machen.
Die Sonne läßt alles aufleuchten, was sie berührt: Herr, erfülle mich mit Deinem Licht, durchdringe mich ganz! Gewähre mir, daß mein Wollen sich Deinem anbetungswürdigen Willen vollkommen vereine, um zu dem Werkzeug zu werden, das Du wünschst… Schenke mir die Torheit Deiner Demut. Das waren ihre Früchte: eine Geburt in Armut, ein unscheinbares Arbeitsleben, der Tod in Schande, angenagelt am Kreuz, die äußerste Selbsterniedrigung durch die Gegenwart im Tabernakel…
Gewähre mir, Herr, daß ich mich erkenne! Daß ich mich erkenne und daß ich Dich erkenne… Dann werde ich meine Nichtigkeit niemals aus den Augen verlieren.
274 Nur Dummköpfe sind starrsinnig, und die dümmsten am meisten.
275 Vergiß nicht, daß in rein menschlichen Angelegenheiten auch die anderen recht haben können: Sie sehen dasselbe wie du, aber aus einer anderen Perspektive, in einem anderen Licht, mit anderen Schattierungen und anderen Umrissen.
Nur im Glauben und in der Moral gibt es ein undiskutierbares Urteil: das unserer Mutter, der Kirche.
276 Wie gut ist es, wenn man es versteht, die eigene Ansicht zu korrigieren! Und wie wenige Menschen erlernen diese Fähigkeit.
277 Bevor du gegen die Nächstenliebe verstößt, gib nach! Bestehe nicht, so weit irgend möglich ist, apodiktisch auf deiner Meinung. Sei demütig wie das Gras, das sich beugt, ohne zu überlegen, wessen Fuß es niedertritt…
278 Zur Bekehrung gelangt man durch die Demut, von den Podesten der Eigenliebe herunterzusteigen.
279 Du sagtest mir: "Das 'Ich' muß enthauptet werden!…" — Aber wie schwer fällt das, nicht wahr?
280 Oft muß man sich Gewalt antun, um sich zu demütigen und dem Herrn mit Wahrhaftigkeit zu wiederholen: "Serviam!" Ich will Dir dienen!
281 "Memento, homo, quia pulvis es…" — Bedenke, Mensch, daß du Staub bist…
Wenn du Staub bist — warum ärgerst du dich dann, daß man auf dich tritt?
282 Auf dem Pfad der Demut gelangt man überallhin…, vor allem in den Himmel.
283 Ein sicherer Weg zur Demut besteht darin zu betrachten, wie wir — obgleich wenig begabt, unbekannt und unvermögend — dennoch zu wirksamen Werkzeugen werden können, wenn wir den Heiligen Geist um seine Gaben und seinen Beistand bitten.
Drei Jahre lang hatte Jesus die Apostel unterwiesen; trotzdem liefen sie bestürzt vor den Feinden Christi davon. Nach Pfingsten jedoch waren sie fähig, Geißelung und Kerker zu erdulden, und schließlich opferten sie ihr Leben zum Zeugnis für ihren Glauben.
284 Es ist wahr: Niemand kann sich der eigenen Beharrlichkeit vollkommen sicher sein… Aber diese Ungewißheit ist ein Grund mehr, demütig zu sein. Und außerdem ein klarer Beweis für unsere Freiheit.
285 Obgleich du so unbedeutend bist, hat Gott sich für fruchtbringende Aufgaben zu seiner Verherrlichung deiner bedient — und Er tut es weiterhin.
Rühme dich dessen nicht! Denke vielmehr: Was würde ein Werkzeug aus Stahl oder Eisen, das der Künstler zum Einfassen von Edelsteinen oder anderen Goldschmiedearbeiten gebraucht, wohl über sich selbst sagen?
286 Was ist mehr wert: ein Kilogramm Gold oder ein Kilogramm Kupfer? — Und doch ist in vielen Fällen das Kupfer nützlicher als das Gold.
287 Deine Berufung — Ruf Gottes! — ist es: anzuleiten, mitzureißen, zu dienen, zu führen. Wenn du dich aus falscher oder mißverstandener Demut abkapselst und dich in eine Ecke verkriechst, verstößt du gegen die Pflicht, ein Werkzeug Gottes zu sein.
288 Wenn der Herr sich deiner bedient, um in die Seelen seine Gnade auszusäen, dann bedenke, daß du nur die Verpackung eines Geschenkes bist: ein Stück Papier, das man zerreißt und wegwirft.
289 "Quia respexit humilitatem ancillae suae" — denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat Er herabgeschaut…
Jeden Tag bin ich tiefer davon überzeugt, daß die echte Demut die übernatürliche Grundlage aller Tugenden ist!
Sprich darüber mit Unserer Lieben Frau, damit sie uns beisteht, diesen Weg zu gehen.
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BÜRGERSINN
290 Die Welt wartet auf uns. Ja, wir lieben sie leidenschaftlich, denn ihr Schöpfer hat uns darüber belehrt: "Sic Deus dilexit mundum… " — so sehr hat Gott die Welt geliebt… Außerdem ist sie der Schauplatz, auf dem wir unseren Feldzug führen müssen — diesen wunderbaren Kampf der Liebe —, damit wir alle den Frieden erlangen, den Christus uns gebracht hat.
291 Der Herr hat uns mit einer zarten Geste der Liebe erlaubt, die Erde für Ihn zu erobern.
In seiner grenzenlosen Demut hat Er sich darauf beschränken wollen, uns dies möglich zu machen… Er hat uns dabei den leichteren und angenehmeren Anteil überlassen: das Handeln und den Sieg.
292 Die Welt… — "Das ist unsere Sache !"… — Du versicherst es hocherhobenen Hauptes und mit dem Selbstbewußtsein des Landmanns, der gelassen über erntereiche Felder schreitet: "Regnare Christum volumus!" — Wir wollen, daß Christus über diese seine Erde herrscht!
293 "Es ist die Zeit der Hoffnung, und ich lebe von diesem Schatz. Das ist keine Floskel, Vater, es ist wirklich so".
Gut. Lege alles in deine Hoffnung hinein, die ja die Hoffnung auf Christus ist: die ganze Welt und all die menschlichen Werte, die dich so machtvoll anziehen: Freundschaft, Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Theologie, Sport, Natur, Kultur — die Seelen.
294 Dieser unbeschreibliche, sinnenfrohe Zauber der Welt, der nie nachläßt. Die Blumen am Wegrand, ihre Farbe, ihr Duft, die dich betören… die Vögel des Himmels und überhaupt alles…
Mein armes Kind! Du mußt verstehen: Wäre all das nicht so verlockend, was wöge denn dann das Opfer, das du dem Herrn darbringst?
295 Deine Berufung als Christ verlangt von dir, in Gott zu leben und dich gleichzeitig um die irdischen Dinge zu kümmern; und zwar so, daß du sie ihrer Eigengesetzlichkeit entsprechend einsetzt — um sie dem Herrn zurückzubringen
296 Es ist unglaublich, wie glücklich man in dieser Welt sein kann! Und wie Leute dennoch unbedingt Trübsal blasen wollen: sie jagen mit hängender Zunge hinter ihrem Egoismus her und tun so, als sei nach diesem Leben alles zu Ende!
Du darfst nicht zu ihnen gehören… Läutere in jedem Moment deine Absicht!
297 Die Welt ist erkaltet, sie scheint wie im Schlaf. — Von deiner Warte aus betrachtest du sie oft mit flammendem Blick: Laß sie doch aufwachen, Herr!
Weise deiner Ungeduld den sicheren Weg: Wenn wir es fertigbringen, unser Leben im Feuer der Liebe zu verbrennen, dann werden wir auch den letzten Winkel der Welt mit diesem Feuer entzünden. Und die Aussicht wird eine andere sein.
298 Die Treue — dein Dienst an Gott und an den Menschen —, um die ich wieder bitte, ist mehr als eine bloß impulsive Begeisterung; es ist jene andere Begeisterung, die man sich auf der Straße erkämpft, wenn man die viele Arbeit sieht, die überall noch zu tun ist.
299 Ein gutes Kind Gottes soll sehr menschlich sein — aber nicht in der Weise, daß es rüpelhaft und taktlos wird.
300 Es ist schwierig, unsere Umwelt, jeden einzelnen in ihr, durch unsere stille Arbeit und unsere gewissenhafte Pflichterfüllung als Staatsbürger "aufhorchen" zu lassen und dann auf unseren Rechten zu bestehen, um sie im Dienste der Kirche und der Gesellschaft auszuüben.
Es ist schwierig… aber auch sehr wirksam.
301 Es ist nicht wahr, daß ein Leben als guter Katholik und als loyales Glied der bürgerlichen Gesellschaft sich widersprechen. Ebensowenig können Kirche und Staat zusammenstoßen, wenn sie ihre legitime, jeweilige Autorität zur Erfüllung der ihnen von Gott aufgetragenen Sendung ausüben.
Die das Gegenteil behaupten, lügen — ja, sie lügen. Es sind die gleichen Leute, die uns Katholiken im Namen einer angeblichen Freiheit "freundlicherweise" in die Katakomben zurückverbannen möchten.
302 Deine Aufgabe als christlicher Staatsbürger ist es, dazu beizutragen, daß die Liebe und die Freiheit Christi alle Äußerungen unseres heutigen Lebens prägen: Kultur und Wirtschaft, Arbeit und Freizeit, Familienleben und das ganze soziale Miteinander…
303 Wer sich als Kind Gottes weiß, kann nicht einem Klassendenken, einerlei welcher Art, verhaftet sein. Ihn bewegen die Sorgen aller Menschen. Er versucht, in dem Geist der Gerechtigkeit und der Liebe unseres Erlösers zur Bewältigung der Probleme beizutragen.
Auf diese Grundhaltung der Christen hatte schon der Apostel hingewiesen, als er schrieb, daß es bei Gott kein Ansehen der Person gibt — ein Wort, das ich unbedenklich übersetze: Es gibt nur eine Rasse, die Rasse der Kinder Gottes!
304 Der Welt verfallene Menschen setzen alles daran, den Seelen so bald wie möglich Gott zu rauben — und damit sehr bald auch die Welt. Sie lieben diese Welt nicht: sie beuten sie lediglich aus und treten die Mitmenschen mit Füßen!
Falle nicht auch du solch doppeltem Betrug zum Opfer!
305 Manche Leute verbittern sich selbst den ganzen Tag… Alles ist ihnen zuwider. Sie gehen schon mit der geradezu physischen Obsession zu Bett, daß der Schlaf, diese einzig mögliche "Weltflucht", nur von kurzer Dauer sein wird. Wachen sie auf, so überkommt sie sofort das bedrohliche und niederdrückende Gefühl, daß abermals ein neuer Tag vor ihnen liegt.
Viele haben vergessen, daß wir — nach dem Willen des Herrn — in dieser Welt unterwegs sind zur ewigen Glückseligkeit; und sie bedenken nicht, daß nur der sie wird erlangen können, der seinen irdischen Weg mit der Freude der Kinder Gottes zurücklegt.
306 An deiner ganzen Existenz als Staatsbürger. der Christ ist, muß der Unterschied deutlich werden zwischen einem Leben der Freudlosigkeit und einem Leben aus innerem Frohsein heraus; zwischen chronischer Ängstlichkeit und Ausstrahlung von Mut; zwischen einem Verhalten, das von Verschlagenheit, Doppelzüngigkeit oder Heuchelei bestimmt wird, und einer Lebensführung in Schlichtheit und wie aus einem Guß. Mit einem Wort: Laß alle den Unterschied sehen zwischen Weltverfallenheit und Gotteskindschaft.
307 Hüte dich vor dem fundamentalen Irrtum zu denken, es gäbe in deiner und in deinem Lebensbereich in sich anständige und legitime Handlungen und Intentionen, die nicht auf die Heiligkeit der Lehren Jesu Christi hingeordnet oder mit ihnen in Einklang gebracht werden könnten.
Überhöre aber bitte nicht, daß ich ausdrücklich von den "anständigen und legitimen" Tätigkeiten spreche. Andere haben sowieso keine Berechtigung.
308 Die Religion ist vom Leben nicht zu trennen — weder im Denken noch in der Wirklichkeit des Alltags.
309 Am fernen Horizont scheinen Himmel und Erde sich zu vereinigen. Vergiß aber nicht, daß der wahre Orte an dem sie miteinander verschmelzen, dein Herz ist: das Herz eines Kindes Gottes.
310 Wir können nicht einfach die Hände in den Schoß legen, während eine subtile Art der Verfolgung die Kirche zu einer tödlichen Regungslosigkeit verurteilen möchte. Am liebsten brächte man ihren Rückzug aus der Öffentlichkeit zuwege, um so vor allem zu verhindern, daß sie zu den Fragen der Erziehung, des kulturellen Lebens oder der Familie Stellung nimmt.
Es geht ja nicht um "unsere" Rechte! Es handelt sich um Rechte Gottes, deren Wahrung Er uns Katholiken anvertraut hat. Und wir wahren sie, indem wir ihnen Geltung verschaffen.
311 Zahlreiche Realitäten des irdischen Lebens — beispielsweise der Technik, der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Politik oder der Kultur — werden zu ungeheuren Hindernissen für ein Leben aus dem Glauben, wenn sie sich selbst überlassen bleiben oder wenn sie allein von Menschen bestimmt werden, denen das Licht unseres Glaubens fehlt. Diese Realitäten bilden dann einen ummauerten Bezirk, aus dem die Kirche feindselig ausgeschlossen bleibt.
Du — Forscher, Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker, Handwerker… — hast als Christ die Pflicht, all dies zu heiligen. Denke an die Worte des Apostels, daß die gesamte Schöpfung wie in Geburtswehen liegt und auf die Befreiung der Kinder Gottes wartet.
312 Beabsichtige nicht, die Welt in ein Kloster zu verwandeln, denn das wäre eine Verirrung. Aber versuche auch nicht, aus der Kirche einen weltlichen Verein zu machen, denn das wäre Verrat.
313 Es ist eine traurige Sache, wenn jemand eine "cäsarische Mentalität" hat und daher die Freiheit seiner Mitbürger in allem, was Gott dem Urteil der Menschen anheimgestellt hat, nicht verstehen kann.
314 "Wer hat gesagt, man müsse sich in eine Zelle oder in die Gebirgseinsamkeit zurückziehen, um heilig zu werden?" — so fragte sich erstaunt ein guter Familienvater. Und er fügte hinzu: "Dann wären nicht die Menschen heilig, sondern die Zelle oder der Berg. Man hat vergessen, daß der Herr zu allen, jedem einzelnen ausdrücklich gesagt hat:
Seid vollkommen, wie auch mein himmlischer Vater vollkommen ist".
Ich bemerkte dazu nur: "Nicht allein daß der Herr unsere Heiligkeit will — Er schenkt auch jedem einzelnen die dazu erforderlichen Gnaden."
315 Liebe dein Vaterland. Solche Liebe ist eine christliche Tugend. Entartet aber der Patriotismus zum Nationalismus, der mit Abneigung und Verachtung ungerecht und lieblos auf andere Völker und Nationen herabsieht, dann ist dies Sünde.
316 Es ist kein Zeichen von Patriotismus, Verbrechen der eigenen Nation zu rechtfertigen und die Rechte anderer Völker zu mißachten.
317 "Es gibt nicht mehr" — auch darauf verwies der Apostel schon zu seiner Zeit — "Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen".
Diese Worte gelten heute wie damals: Vor dem Herrn gibt es keine Unterschiede der Nationen, der Rassen, der Klassen, des Standes .. Jeder von uns ist in Christus neugeboren, ein neues Geschöpf, ein Kind Gottes. Wir alle sind Brüder und sollen brüderlich miteinander umgehen.
318 Schon vor vielen Jahren erkannte ich sonnenklar einen Grundsatz, der seine Gültigkeit nie verlieren wird: Innerhalb einer Gesellschaft, die sich vom Glauben und von der Moral Jesu Christi abgewandt hat, bedarf es einer neuen Art und Weise, die ewige Wahrheit des Evangeliums durch das eigene Leben zu bezeugen und zu verbreiten. Im innersten Kern der menschlichen Gesellschaft, der Welt, müssen die Kinder Gottes durch ihre Tugenden leuchten wie Lichter in der Finsternis —"quasi lucernae lucentes in caliginoso loco".
319 Die immerwährende Lebenskraft der katholischen Kirche verbürgt uns, daß die Wahrheit und der Geist Christi niemals an den Bedürfnissen der Zeiten vorbeigehen.
320 Um den Spuren Christi zu folgen, braucht ein Apostel unserer Zeit nicht als Reformer aufzutreten, geschweige denn die historischen Realitäten seiner Gegenwart zu ignorieren… Es genügt vollauf, wie die Urchristen zu handeln, die Umwelt neu zu beseelen.
321 Du lebst mitten in der Welt, als Bürger unter deinen Mitbürgern, im Umgang mit Menschen, die sich für gut oder für weniger gut halten. Du mußt den Wunsch verspüren, an sie alle etwas von der Freude weiterzugeben, die dich erfüllt, weil du Christ bist.
322 Es ergeht ein Befehl des Kaisers Augustus, nach dem sich alle Bewohner Israels in die Steuerlisten einzutragen haben. Maria und Josef machen sich auf den Weg nach Bethlehem… Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie der Herr sich der gewissenhaften Befolgung eines Gesetzes bedient, damit seine prophetische Verheißung in Erfüllung geht?
Habe Wertschätzung für die Normen und Regeln eines ehrenhaften Zusammenlebens und beachte sie; denn deine loyale Pflichterfüllung kann zweifellos dazu beitragen, daß auch andere den lauteren Gemeinschaftssinn von Christen als eine Frucht der Gottesliebe erkennen und auf diesem Wege zu Ihm finden.
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AUFRICHTIGKEIT
323 Wer seinem geistlichen Leiter eine Versuchung verschweigt, teilt ein Geheimnis mit dem Teufel. Damit ist er zum Freund seines ärgsten Feindes geworden.
324 Du bist zu Fall gekommen. Der Staub, den dein Sturz aufgewirbelt hat, verklebt dir die Augen. Du quälst dich mit Gedanken, die dir den Frieden rauben möchten…
Hast du schon versucht, dich reuevoll beim Herrn und vertrauensvoll bei einem deiner Brüder auszusprechen?
325 Aufrichtigkeit: gegenüber Gott, gegenüber deinem Leiter, gegenüber allen Menschen… Wenn die intakt bleibt, bin ich deiner Beständigkeit sicher.
326 Wie du offen und einfach wirst? Vernimm und betrachte in deinem Herzen die Worte des Petrus: "Domine, Tu omnia nosti… – Herr, Du weißt alles!
327 Du bist bereit, dein Herz zu öffnen. – "Was soll ich sagen?" fragst du mich. Und ich antworte dir ruhigen Gewissens: Zuerst das, wovon du nicht möchtest, daß es jemand erfährt.
328 Die Fehler, die du bei den anderen siehst, sind vielleicht deine eigenen Fehler. "Si oculus tuus fuerit simplex…" – Wenn dein Auge ohne Arg ist, dann wird dein ganzer Leib hell sein; wenn aber dein Auge boshaft ist, dann wird dein ganzer Leib finster sein. Und weiter: "Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?"
Prüfe dich.
329 Wenn wir unser eigenes Verhalten beurteilen wollen, dann müssen wir – alle – dem Mangel an Objektivität vorbeugen… Das gilt auch für dich.
330 Zugegeben, du sagst "fast" die ganze Wahrheit… Du bist also nicht wahrhaftig.
331 Du beklagst dich… Aber mit einer heiligen Unnachgiebigkeit sage ich dir: Du tust es nur – weil ich diesmal den wunden Punkt berührt habe…
332 Du hast begriffen, was Aufrichtigkeit ist, da du schreibst: "Ich versuche, mich daran zu gewöhnen, die Dinge beim Namen zu nennen und vor allem, keine Bezeichnungen für Dinge zu suchen, die es gar nicht gibt."
333 Mache dir klar: Durchsichtigsein besteht weniger darin, etwas zur Schau zu stellen, als vielmehr darin, sich nicht "bedeckt" zu halten…
Es geht darum, die Dinge sichtbar zu machen, die am Grunde des Gefäßes ruhen – nicht die Luft um sie herum.
334 Unser Handeln in der Gegenwart Gottes soll immer so sein, daß wir vor den Menschen nichts zu verbergen brauchen.
335 Jetzt ist die Zeit der inneren Bedrängnis ein für allemal vorüber… Du hast die Erfahrung gemacht, daß auch die verzwickteste Angelegenheit sich wunderbar löst, wenn du deinem geistlichen Leiter in Aufrichtigkeit begegnest.
336 Wie falsch verhalten sich Eltern, Lehrer, Leiter… , die unumschränkte Aufrichtigkeit fordern und dann, wenn sie die ganze Wahrheit erfahren, schockiert sind!
337 In einem Wörterbuch fandest du die Synonyme für "unaufrichtig": doppelzüngig, schlau, verstellt, arglistig… Du hast dann nicht weitergelesen, sondern an den Herrn die Bitte gerichtet, daß du niemals solche Bezeichnungen verdienen mögest. Und von neuem nahmst du dir vor, die Aufrichtigkeit – eine natürliche und eine übernatürliche Tugend zugleich – noch mehr zu vervollkommnen.
338 "Abyssus abyssum invocat… " – ein Abgrund ruft den nächsten – schon einmal habe ich dich daran erinnert. Dies Wort trifft genau die Verhaltensweise der Lügner und Heuchler, der Wortbrüchigen und der Verräter: Da sie sich in dieser ihrer Lebensweise selber unbehaglich fühlen, verbergen sie ihre Unredlichkeit und schaffen, vom Verwerflichen zum noch Verwerflicheren fortschreitend, einen Abgrund zwischen sich und ihren Mitmenschen.
339 "Tota pulchra es Maria, et macula originalis non est in te!" – Ganz schön bist du, Maria, und ohne Makel von Anfang an – so besingt sie die Liturgie voller Jubel. In Maria finden wir nicht den leisesten Schatten der Unlauterkeit. Jeden Tag bitte ich unsere Mutter darum, wir möchten es lernen, unsere Seele der geistlichen Leitung zu öffnen, damit das Licht der Gnade unsere ganze Lebensweise erleuchtet!
Wenden wir uns vertrauensvoll an Maria. Sie wird uns den Mut zur Aufrichtigkeit erlangen, dessen wir bedürfen, um der Allerheiligsten Dreifaltigkeit immer näher zu kommen.
LOYALITÄT
340 Loyalität gewährleistet die Sicherheit, beständig und unbeirrt den geraden Weg zu gehen, und sie verleiht überdies die feste Gewißheit, daß es im Leben Sinn und Glück gibt.
Prüfe dich, ob es auch bei dir so ist.
341 Du sagtest mir im Vertrauen, daß Gott dich zeitweise mit Licht erfüllt, dann wieder nicht…
Nachdrücklich habe ich dich daran erinnert, daß der Herr immer unendlich gut ist. Darum genügen jene Zeiten der Helligkeit, um dich in deinem geistlichen Leben wachsen zu lassen. Doch auch die anderen helfen dir voranzuschreiten – sie festigen dich in deiner Treue.
342 Salz der Erde. – Der Herr hat gesagt, daß seine Jünger – auch du und ich– das Salz der Erde sind: Es heilt, es bewahrt vor Verwesung, es gibt der Welt den Wohlgeschmack des Göttlichen…
Aber Er hat auch gesagt: "Quod si sal evanuerit…" – wenn das Salz seinen Geschmack verliert, wird es weggeworfen und von den Menschen zertreten.
Begreifst du jetzt, was dir angesichts so mancher beklagenswerter Vorgänge bis heute unbegreiflich erschien?
343 Die Stelle aus dem zweiten Brief an Timotheus, wo der Apostel beklagt, daß Demas nach Thessalonich entflohen und den Verlockungen dieser Welt verfallen sei, macht mich schaudern: Ein Mensch, den Paulus in anderen Briefen unter den Heiligen erwähnt, verriet einer Bagatelle wegen und aus Angst vor Verfolgungen die Sache Gottes.
Ja, ich zittere, wenn ich das lese – denn ich kenne meine eigene Hinfälligkeit… Und es veranlaßt mich, von mir selbst auch in scheinbar unbedeutenden Angelegenheiten dem Herrn gegenüber die äußerste Treue zu fordern. Wenn mir etwas nicht dazu dient, mich noch enger mit Ihm zu verbinden, dann will ich es nicht!
344 Im Gedanken an so manche Situation der Geschichte, die der Teufel aufs neue herbeizuführen sucht, scheint mir das, was du über Loyalität schreibst, ins Schwarze zu treffen: "Den ganzen Tag über steigt mir aus Kopf, Herz und Mund das Stoßgebet zum Himmel: Rom !"
345 Ist das nicht eine wunderbare Entdeckung?! Was du selbst nur halb begriffen hattest, wurde dir mit einem Male sonnenklar, als du es anderen erklären mußtest. Als du ausführlich mit jemandem zu sprechen hattest, der mutlos geworden war, weil er untauglich vorkam und den anderen nicht zur Last fallen wollte, da verstandest du besser, warum ich immer wieder sage: Wir müssen wie die Eselchen sein, die am Schöpfrad des Brunnens ihre Runden drehen – getreu und mit großen Augenklappen. Denn weder sehen noch genießen wir die Resultate unserer persönlichen Arbeit – die Blüten, die Früchte, den üppigen Garten –, aber wir sind der Wirkungen unseres redlichen Mühens gewiß.
346 Loyalität geht mit dem Verlangen nach Bildung einher. Die aufrichtige Liebe, die dich bewegt, darf nicht Gefahr laufen, aus Unwissenheit Ansichten und Haltungen zu verbreiten oder gutzuheißen, die von der Wahrheit weit entfernt sind.
347 Du schreibst mir: "Ich möchte so fest und unbeirrt in meiner Loyalität sein, im Ausharren, möchte so wach und voller Liebe dienen, daß Sie Freude an mir haben und ich Ihnen eine kleine Stütze sein kann."
Ich antworte dir: Gott stärke dich in deinem Vorsatz, damit wir Ihm "Hilfe und Stütze" sein können.
348 Es stimmt, manche, die zuerst begeistert sind, gehen fort… Das soll dich nicht beunruhigen. Sie sind gleichsam die Nadeln, mit denen Gott das Garn einfädelt.
Bete für sie! Vielleicht können wir so erreichen, daß sie weiterhin andere "auf den Weg" bringen…
349 Du fühlst dich schwankend werden. Darum schreibe ich dir diese Stelle aus einem Brief ab: "Vielleicht bleibe ich weiterhin das unnütze Werkzeug, das ich immer war. Und doch: die Art und Weise, mein Leben zu sehen und alles in ihm anzugehen, hat sich verändert; denn ich habe den festen Wunsch, auf meinem Weg auszuharren – bis zum Ende!"
Zweifle niemals daran: Er läßt uns nicht fallen.
350 Dein Leben ist Dienst – Dienst in unerschütterlicher Treue und ohne Vorbehalte… Nur so werden wir ganz erfüllen, was der Herr von uns erwartet.
351 Weder in spiritueller noch in juridischer Hinsicht werde ich jemals das Denken und Handeln derer teilen, für die der Kirche zu dienen Karriere zu machen heißt.
352 Es tut weh zu sehen, daß manche Leute sich nicht einmal scheuen, das Kreuz Christi rhetorisch auszuwerten, wenn sie meinen, das fördere ihre Karriere… Das sind dieselben, die unduldsam auf alles reagieren, was nicht mit ihren Vorstellungen übereinstimmt.
Für dich soll das ein Grund mehr sein, deinen geraden Weg weiterzugehen und den Meister um die Kraft zu bitten, daß du allezeit sagen kannst: "Non mea voluntas, sed tua fiat!" –. Herr, gib, daß ich in Liebe Deinen heiligen Willen tue!
353 Du mußt jeden Tag in deiner Loyalität gegenüber der Kirche, dem Papst, dem Apostolischen Stuhl wachsen. Sie ist Frucht einer wachsenden Liebe, deren Mittelpunkt Gott allein ist.
354 Dein innerer Antrieb, die Kirche zu lieben, ist stark, und er wird um so stärker, je mehr sich andere anstrengen, sie zu beschmutzen. – Mir erscheint das ganz natürlich; denn die Kirche ist deine Mutter.
355 Wer nicht begreifen will, daß der Glaube verlangt, der Kirche und den Seelen zu dienen, wird früher oder später diesen inneren Zusammenhang umkehren: Schließlich "bedient" er sich der Kirche und der Seelen zu seinen persönlichen Zwecken.
356 Hoffentlich verfällst du niemals in den Irrtum, den mystischen Leib Christi zu identifizieren mit der persönlichen Haltung, die eines seiner Glieder in privaten oder öffentlichen Angelegenheiten an den Tag legt. Und hoffentlich gibst du selber einfachen Menschen keinen Anlaß zu solch einem Irrtum…
Siehst du ein, wie wichtig es ist, daß du konsequent und loyal bist?
357 Ich verstehe dich nicht, wenn du mitten in einem Gespräch über Fragen der Moral und des Glaubens die Bemerkung fallen läßt, du seiest ein unabhängiger Katholik…
Unabhängig? Von wem? Eine solche Unabhängigkeit täuscht darüber hinweg, daß man dabei ist, den Weg Christi zu verlassen.
358 Schließe keine Kompromisse, wenn es um die Lehre der Kirche geht. Bei jeder Legierung ist es immer das edlere Metall, das wertgemindert wird…
Außerdem – dieser Schatz gehört ja nicht dir. Das Evangelium mahnt uns, daß der Eigentümer von dir Rechenschaft verlangen wird, wenn du es am wenigsten erwartest…
359 Du hast recht: es gibt Katholiken, die praktizieren und fromm sind in den Augen der Leute und vielleicht auch wirklich ehrlich – aber sie stellen sich naiv in den Dienst der Kirchenfeinde…
Unter so verschiedenen und von ihnen mißverstandenen Begriffen wie etwa "Okumenismus", "Pluralismus" oder "Demokratie" hat sich in ihr eigenes Zuhause der ärgste Feind eingeschlichen: die "Unwissenheit".
360 Obwohl es paradox erscheint: Nicht selten stiften gerade Leute, die sich selbst "Söhne und Töchter der Kirche" nennen, in ihr die größte Verwirrung.
361 Du hast den Kampf satt. Diese Atmosphäre mangelnder Loyalität widert dich an… Alle fallen über den Gestürzten her und treten ihn mit Füßen…
Ich weiß gar nicht, wieso dich das wundert. Jesus Christus hat doch das gleiche erlebt… Aber Er resignierte nicht; denn dazu war Er ja gekommen: um die Kranken zu retten und die Unverständigen…
362 Loyale Menschen sollen sich aus allem heraushalten – das wünschen die, die nicht loyal sind.
363 Meide jede Art von Sektierertum! Es macht loyale Zusammenarbeit unmöglich.
364 Die wahre Einheit kann nicht dadurch gefördert werden, daß man neue Spaltungen verursacht… Am wenigsten dann, wenn deren Initiatoren aus Selbstherrlichkeit die legitime Autorität zu verdrängen suchen.
365 Du wurdest nachdenklich, als du meine Bemerkung hörtest, ich wolle in mir das Blut meiner Mutter, der Kirche, spüren – und nicht etwa das Blut Alexanders des Großen oder Karls des Großen oder der Sieben Weisen Griechenlands…
366 Ausharren heißt, in der Liebe bleiben: "Per Ipsum et cum Ipso et in Ipso…" Das dürfen wir, angewendet auf unseren Alltag, auch so übersetzen: Er – mit mir, durch mich und in mir…
367 Es wird sicherlich auch unter Katholiken laue Christen geben oder zumindest solche, die im Umgang gelegentlich diesen Eindruck erwecken.
Wenn du daran Anstoß nimmst, so zeigt das nur, daß du das menschliche Elend verkennst – auch dein eigenes. Und außerdem ist es ungerecht und illoyal, wegen der Schwächen einiger weniger Christus und seiner Kirche am Zeug zu flicken.
368 Es ist wahr, wir Kinder Gottes sollen dem Herrn nicht dienen, um gesehen zu werden. Aber es soll uns auch nichts ausmachen, wenn man uns sieht. Und auf gar keinen Fall dürfen wir von unserem Wege abgehen, weil man uns sehen könnte.
369 Zwanzig Jahrhunderte sind vergangen. Und jeden Tag wiederholt sich das Schreckliche von neuem: Immer noch wird Jesus Christus verurteilt, gegeißelt, gekreuzigt…
Auch unter den Katholiken sind viele, die durch Taten und Worte in das Geschrei einstimmen: "Den? Ich kenne ihn nicht!"
Könnte ich doch auf der ganzen Welt viele Menschen im vertraulichen Gespräch daran erinnern, daß Gott der Allbarmherzige ist –aber auch der Allgerechte! Ganz klar hat darum der Herr gesagt: "Wer mich vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen".
370 Immer war ich der Ansicht, daß mangelnde Loyalität, taktischer Rücksichten wegen, nichts anderes als Lieblosigkeit ist – und ein Mangel an Persönlichkeit.
371 Wende deinen Blick der Gottesmutter zu und betrachte, wie sie die Tugend der Loyalität lebt. Elisabeth braucht sie –und Maria macht sich sogleich auf den Weg zu ihr. Das Evangelium sagt: "cum festinatione", in freudiger Eile. Du – lerne daraus!
DISZIPLIN
372 Willig gehorchen — aber mit Intelligenz, in Liebe und verantwortungsbewußt — und ungeachtet der gelegentlichen Neigung, über die Leitenden Urteile zu fällen.
373 In der Erfüllung apostolischer Aufgaben darf die Treue deines Gehorsams nicht abhängen von deiner Meinung über die menschlichen Qualitäten oder die Führungseigenschaften des Leiters. Dann wäre nämlich der Gehorsam keine Tugend mehr.
Kreuze können sehr verschieden sein: aus Diamanten, aus Perlen, aus Smaragden, aus Emaille, aus Elfenbein… auch aus Holz, wie das Kreuz unseres Herrn. Jedes Kreuz verdient die gleiche Verehrung, denn jedes erinnert uns an das Opfer des menschgewordenen Gottes. — Übertrage diese Erwägung auf deinen Gehorsam und vergiß nicht, daß Er, ohne zu zögern, das Holz des Kreuzes umarmt und uns so erlöst hat.
Nur wenn du gehorchst und damit die Lauterkeit deiner Absicht gezeigt hast, kannst du noch mit einer brüderlichen Zurechtweisung — nach den erforderlichen Bedingungen erteilt — helfen und durch die Erfüllung dieser Pflicht die Einheit festigen.
374 Gehorsam… mit dem Wort, mit dem Herzen und mit dem Verstand. Gehorsam, nicht einem Menschen, sondern Gott gegenüber…
375 Dir ist die Tugend des Gehorsams fremd, wenn du die gegebene Anweisung nicht wirklich liebst — wenn du, also, was dir aufgetragen worden ist, nicht wirklich im Innern annimmst.
376 Viele Nöte lassen sich sofort beheben, andere mit der Zeit. Aber alle überwinden wir, wenn wir treu sind, das heißt: wenn wir gehorchen und das, was geboten ist, erfüllen.
377 Der Herr will von dir ein ganz bestimmtes Apostolat — nicht anders als damals, wo die hundertdreiundfünfzig großen Fische — nicht irgendwelche Fische, sondern eben diese — auf der rechten Seite des Bootes ins Netz gingen.
Du fragst mich: Woher kommt es, daß ich nichts fange, obwohl ich weiß, daß ich "Menschenfischer" bin, obwohl ich Kontakt mit vielen Freunden habe und auch klar erkenne, an wen sich mein besonderes Apostolat wenden soll? Fehlt es mir an Liebe zu Gott? Fehlt es mir an innerem Leben?
Petrus gibt dir bei jenem wunderbaren Fischfang die Antwort darauf: "Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn Du es sagst, werde ich die Netze auswerfen."
Im Namen. Jesu Christi: Beginne von neuem! Gestärkt! Weg mit der Resignation!
378 Gehorche ohne viel unnützes Grübeln… Mißmut oder Unlust gegenüber einer Anweisung zu äußern, ist eine bedeutsame Verfehlung; sie zu "empfinden" ist jedoch keine Schuld, sondern kann sogar Gelegenheit bieten, durch kraftvolle Selbstüberwindung einen heroischen Tugendakt zu setzen… Nicht ich habe das erfunden. Erinnerst du dich? Das Evangelium berichtet von dem Familienvater, der seinen beiden Söhnen den gleichen Auftrag gab… Und Jesus freut sich über den, der trotz anfänglichen Widerspruchs ihn dann doch erfüllt! Der Herr freut sich, weil der Gehorsam Frucht der Liebe ist.
379 Sehr häufig hat der Ungehorsam seinen Grund in "verschlossenen Ohren". Man will den Befehl nicht hören. Und warum nicht? Weil es an Demut oder an Dienstbereitschaft fehlt…
380 Du möchtest in rechter Weise gehorchen? Dann höre vor allem genau hin, damit du Tragweite und Sinn der Anweisung begreifst. Und hast du etwas nicht verstanden, dann frage!
381 Wann wirst du endlich begreifen, daß du gehorchen mußt? Es ist nämlich auch eine Form von Ungehorsam, wenn du deine Zeit vergeudest, anstatt das zu tun, was zu deinen täglichen Pflichten gehört. Jede Minute deines Tages soll ausgefüllt sein: mit Arbeit, mit Studium, mit Apostolat, mit innerem geistlichen Leben.
382 Die Kirche achtet mit ehrfürchtiger Sorgfalt auch auf die liturgischen Formen, damit wir die Schönheit der Geheimnisse unseres Glaubens immer tiefer erfassen und inniger lieben. Ähnlich, wenn auch auf einer anderen Ebene, begegnen wir unseren Leitern mit einer natürlichen Höflichkeit, die von innen kommt — ohne übertriebenes Gehabe —, und mit ungezwungenen, aber respektvollen Umgangsformen, weil wir durch sie erfahren, was Gott von uns will.
383 Wer Leitungsaufgaben wahrnimmt, muß zuerst das Gemeinwohl im Auge haben. Es ist davon auszugehen, daß schwerlich irgendeine Anweisung, die sich auf das geistliche Leben oder auf das Apostolat bezieht, allen gleichermaßen gefallen wird.
"Man kann es nie allen recht machen!" sagt ein Sprichwort. Mache dir klar: daß dem so ist, spricht keineswegs für Mängel des Gesetzes, sondern vielmehr für den ungerechtfertigten Hochmut und die Egozentrik einiger weniger.
384 Ordnung, Autorität, Disziplin… Das sind für manche Leute, falls sie überhaupt hinhören, nur Reizwörter… Sie lächeln geringschätzig und sagen, sie ließen sich nicht ihre Freiheit nehmen.
Sie selbst — ob Mann oder Frau — verlangen freilich von uns, daß wir ihre Irrwege respektieren oder gar uns ihnen anpassen. Ihre Proteste sind demagogisch. Daß die echte Freiheit der anderen ein solch primitives Verhalten nicht zuläßt, nicht zulassen kann, das begreifen sie nicht.
385 Wem die Aufgabe zufällt, Seelen geistlich zu führen, der muß für alles Menschlich-Natürliche offen sein, um es auf die Ebene des Übernatürlichen zu erheben, damit es so gleichsam vergöttlicht werden kann. Wenn etwas den Bezug zu Gott ausschließt, dann — und darüber darfst du dich nicht täuschen — ist es auch nicht menschlich, sondern bloß "animalisch", unziemlich für ein vernunftbegabtes Geschöpf.
386 Autorität bedeutet nicht, daß, wer höher gestellt ist, den ihm Nachgeordneten "anbrüllt" und dieser wiederum seinen Untergebenen… Wo so etwas vorkommt, handelt es sich um eine Karikatur der Autorität, bar jeder Liebe und jedes Anstandes. Sie reißt eine Kluft auf zwischen dem Vorgesetzten und den ihm Unterstellten, weil er, anstatt ihnen zu dienen, sie allenfalls "gebraucht".
387 Gehöre nicht zu den Leuten, die bei sich zu Hause im Durcheinander leben, dafür aber das Zuhause der anderen in Ordnung bringen möchten.
388 Sag — meinst du wirklich, du wüßtest alles, nur weil dir Autorität übertragen wurde?
Hör gut zu! Ein fähiger Leiter weiß vor allem, daß er von den anderen lernen kann und lernen soll!
389 Gewissensfreiheit im Sinne einer Befreiung vom Gewissen? Nein! Wie viel Unheil hat den Völkern und den einzelnen dieser schreckliche Irrtum gebracht, der erlaubt, den tiefsten Gesetzen im eigenen Innern zuwiderzuhandeln.
Freiheit des Gewissens — ja! Sie beruht aber darauf, daß das Gewissen unverrückbare Gesetze erkennen kann und ihnen folgen will. Mit anderen Worten: daß es ein ernstlich geformtes Gewissen ist.
390 Jemanden leiten heißt nicht, ihn quälen.
391 Du hast eine Leitungsaufgabe. Bedenke dabei: Die besten und stärksten Werkzeuge werden stumpf, nutzen sich ab und sind schließlich unbrauchbar, wenn man schlecht mit ihnen umgeht.
392 Wenn jemand bei Leitungsangelegenheiten im Alleingang "forsche" Entscheidungen trifft, sind diese so gut wie immer von einer einseitigen Sicht der Dinge bestimmt.
Mögen deine Vorbildung und deine Fähigkeiten auch noch so groß sein — du solltest auf alle Fälle die heranziehen, die mit dir die Aufgabe der Leitung teilen.
393 Schenke anonymen Anschuldigungen keine Beachtung! Es sind die Waffen der Lumpen.
394 Unverzichtbarer Grundsatz jeder guten Führung: Die Menschen so nehmen, wie sie sind, ihnen helfen zu wachsen und keinen von ihnen jemals gering achten.
395 Ich finde es sehr gut, daß du dich jeden Tag darum bemühst, die Sorge um deine Untergebenen noch tiefer zu empfinden; denn so erkennen sie das liebevolle Verständnis des Leiters als Solidarität, die sie mitträgt. Und gerade darin kann die wirksamste Hilfe für die bestehen, denen du als Vorgesetzter zu dienen hast.
396 Was richten doch Leute in Führungspositionen an, die über Personen und Fragen, von denen sie keine Ahnung haben, sich auslassen und Urteile fällen: leichtfertig, inkompetent, gern mit "markigen" Formulierungen — und bisweilen sogar mit sogenannten "Vorbehalten", die aus unguten Motiven herrühren.
397 Wenn die wahre Autorität zu einem diktatorischen Autoritarismus entartet und wenn dieser Zustand lange anhält, kommt es zu Brüchen in der geschichtlichen Kontinuität: Die Träger echter Autorität werden alt oder sterben, unreife Nachfolger, die keine Erfahrung sammeln konnten, gelangen ans Ruder, und eine unwissende, aufbegehrende Jugend drängt an die Macht… Für wieviel Unheil und für wie viele Beleidigungen Gottes — eigene und direkt oder indirekt verschuldete — ist der verantwortlich, der einen so schlechten Gebrauch von seiner Autorität macht!
398 Wer verantwortlich Menschen führt und sich dabei von negativer Sicht der Dinge und Mißtrauen leiten läßt, wird leicht zum Tyrannen.
399 Bemühe dich gewissenhaft darum, deine Leitungsaufgaben wirklich objektiv wahrzunehmen. Gib nicht dem Hang so mancher Leute nach, stets zuerst oder sogar ausschließlich die Fehler und das, was schiefliegt, zu sehen.
Sei froh in dem Wissen, daß der Herr allen Menschen die Fähigkeit geschenkt hat, sich im Kampf gegen die eigenen Fehler zu heiligen!
400 Neuerungssucht kann zur Mißwirtschaft im ganzen Leitungsorganismus führen.
Wir brauchen neue Satzungen, sagst du…
Meinst du, der menschliche Körper wäre mit einem anderen Nerven- oder Gefäßsystem besser dran?
401 Es gibt Menschen, die geradezu gierig auf Vermassung aus sind. Einheit verwandeln sie in gestaltlose Uniformität, indem sie die Freiheit abwürgen.
Man könnte meinen, sie wüßten nichts von der wunderbaren Einheit des menschlichen Körpers, dessen Gesundheit abhängt von dem harmonischen Zusammenspiel der verschiedenen Gliedmaßen und Organe mit ihren jeweils spezifischen Funktionen.
Gott hat weder gewollt, daß alle gleich sind, noch, daß wir alle auf dem einzigen Wege "im Gleichschritt" dahermarschieren…
402 Man muß den Menschen beibringen, wie sie arbeiten sollen; dabei darf man die theoretische Vorbereitung nicht überbewerten, weil ja das praktische Tun auch zur Ausbildung dazugehört. Die unvermeidlichen Fehler in der Arbeit muß man hinnehmen; denn das Bessere ist Feind des Guten.
403 Vertraue niemals auf Organisation allein!
404 Der gute Hirt braucht seine Herde nicht einzuschüchtern. Das ist vielmehr Art der schlechten Regenten. Kein Wunder also, daß diese am Ende vereinsamt und verhaßt sind.
405 Sehr oft besteht die Aufgabe des Leiters einfach darin, daß er es fertigbringt, die ihm Anvertrauten "ins Schlepptau zu nehmen". Mit Geduld und Liebe.
406 Eine gute Führung muß zwar flexibel sein, darf aber nicht auf Forderung verzichten!
407 "Alles will ich ertragen — solange man mir nicht zu sündigen befiehlt!" — Das sagte mit einer letzten Entschiedenheit jenes bedrängte Geschöpf, dessen persönliches Leben und dessen Hoffnungen als Mensch wie als Christ mächtige Feinde beinahe vernichtet hatten.
Denke darüber nach! Lerne daraus! Alles mag hingehen — solange man dir nicht zu sündigen befiehlt.
408 Nicht alle Staatsbürger gehören dem stehenden Heer an. Aber wenn es zum Kriege kommt, stellt sich jeder mit all seinen Kräften und Mitteln zur Verfügung… Und der Herr hat gesagt: "Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert."
409 "Ich war", schreibt jemand, "sozusagen ein Einzelkämpfer im Krieg. Ich durchstreifte das Gebirge und focht nur dann, wenn es mir behagte. Später habe ich gedacht, daß ich mich doch in die reguläre Truppe einreihen sollte. Ich begriff, daß Kriege leichter von einer richtigen disziplinierten Armee gewonnen werden. So ein armer Einzelkämpfer kann eben nicht auf eigene Faust eine ganze Stadt einnehmen oder die Welt erobern… Also hängte ich meine altmodische Flinte an den Nagel — und jetzt bin ich gut ausgerüstet. Freilich, andererseits weiß ich wohl, daß ich mich nicht mehr im Gelände unter einem schattigen Baum hinlegen kann, um davon zu träumen, wie ich ganz allein meine Kriege gewinne."
Gesegnet sei die Disziplin, gesegnet sei die Einheit unserer heiligen Mutter, der Kirche.
410 Vielen aufrührerischen Katholiken möchte ich gerne sagen, daß die, die sich nicht in Disziplin und Gehorsam der legitimen Autorität unterordnen, gegen ihre Pflicht und Schuldigkeit verstoßen. Sie werden zu einer "Partei", zu einer Art von privaten Konventikeln, in denen intrigante Kampfhähne und Klatschbasen ihre sinnlosen persönlichen Streitigkeiten austragen und Wirrwarr und Krisen hervorrufen.
411 Ein sanfter Wind und ein Orkan —das ist zweierlei. Ersterem kann jeder standhalten, es ist ein Kinderspiel, sozusagen nur simulierter Kampf…
Kleine Widerwärtigkeiten, unbedeutende Verzichte, vorübergehende Nöte — gern hast du sie hingenommen; du warst innerlich froh und dachtest: Jetzt arbeite ich wirklich für Gott, denn ich bekomme sein Kreuz zu spüren…
Aber ach, mein armes Kind, da kam der große Sturm. Naturgewalten brachen los, die hundertjährige Bäume zu entwurzeln vermögen. Sie ließen dich im Innersten erzittern und erschütterten deine äußere Sicherheit… Hab Vertrauen! Keine Macht kann deinen Glauben und deine Liebe ausreißen und dich vom Weg abbringen, wenn du dich nicht von dem "Haupt" entfernst, wenn du mit ihm vereint bleibst.
412 Mit welcher Nonchalance vernachlässigst du deine gewählte Lebensordnung! Die Aufgaben und Pflichten eines jeden Tages bringst du so oberflächlich hinter dich, daß es fast schlimmer ist, als erfülltest du sie gar nicht.
Und so willst du in der Liebe zu dem Weg deiner Berufung immer mehr wachsen? So mit dieser Liebe andere Menschen anstecken?
413 Beharre auf keinem anderen persönlichen Verlangen als nur auf dem Recht, deine Pflicht zu tun.
414 Die Last wiegt schwer? Nein und tausendmal nein! Die Verpflichtungen, die du in Freiheit auf dich genommen hast — sie sind die Flügel, die dich über den Morast der Leidenschaften hinweg nach oben tragen.
Spürt etwa ein Vogel das Gewicht seiner Flügel? Schneide sie ihm ab, lege sie auf eine Waage — natürlich sind sie schwer! Kann er aber noch fliegen, wenn man ihn der Schwingen beraubt? Er braucht sie so, wie sie sind! Er spürt ihr Gewicht nicht, denn dank ihrer steigt er auf in die Lüfte, hoch über die anderen Geschöpfe…
Auch deine "Flügel" sind schwer! Fehlten sie dir aber, so würdest du abstürzen und im Morast versinken.
415 Maria "bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen… "
Wo eine reine und aufrichtige Liebe vorherrscht, da wird die in Gehorsam angenommene und befolgte Ordnung — mag sie bisweilen auch persönliche Opfer verlangen — niemals zu einer Pression. Im Gegenteil — sie verbindet mit dem geliebten Herrn.
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PERSÖNLICHKEIT
416 Der Herr braucht starke, tapfere Seelen, die nicht mit dürftigem Mittelmaß paktieren; Menschen, die mit einer klaren und festen Ausrichtung zu jedem Milieu Zugang finden.
417 Heiterer und ausgeglichener Charakter, unbeugsamer Wille, tiefer Glaube und glühende Frömmigkeit: das sind die unverzichtbaren Kennzeichen eines Kindes Gottes.
418 Der Herr kann aus Steinen Abraham Kinder erwecken… Allerdings ist es an uns, Ihm nicht nur Bruchstein darzubieten… Ein harter, wenn auch noch formloser Felsbrocken läßt sich eher zu einem prachtvollen Quader behauen.
419 Ein apostolischer Mensch darf nicht in der Mittelmäßigkeit steckenbleiben. Gott hat ihn ja dazu berufen, daß er in seinem Dasein die echte Humanität verwirklicht und so die ewige Neuheit der göttlichen Botschaft verkündigt. Um das zu können, muß er eine "große" Seele haben, reich an Geduld und heroisch hingegeben!
420 Jeden Tag, so sagtest du mir, mache ich in meinem Innern eine neue Entdeckung… Und meine Antwort: Du fängst nun an, dich selbst zu erkennen.
Wer wirklich liebt, der findet tausend liebenswerte Aufmerksamkeiten und in ihnen tausend Gründe, um noch tausendmal mehr zu lieben
421 Es wäre ein Jammer, wenn man aus der Art, wie sich Katholiken im gesellschaftlichen Leben verhalten, schlösse, daß sie eingeschüchtert und sozusagen minderbemittelt seien.
Wir dürfen nie vergessen, daß unser Meister "perfectus Homo", vollkommener Mensch war, nein: ist!
422 Wenn der Herr dir gute Anlagen oder ein besonderes Talent geschenkt hat, dann nicht bloß, damit du sie genießt oder mit ihnen angibst, sondern damit du sie in dienender Liebe zum Nächsten entfaltest. Und wo kannst du eine bessere Gelegenheit finden, um zu dienen, als in deiner gegenwärtigen Lage, da du mit so vielen Menschen zusammenlebst, die deine Ideale teilen?
423 Unter dem gewaltigen Druck einer materialistischen Welt ohne Glauben, die den brutalen Gesetzen der "Lustmaximierung" gehorcht — kann man da überhaupt noch die Freiheit verlangen und rechtfertigen, anders zu denken und anders zu handeln als sie?
Ein Kind Gottes hat es nicht nötig, diese Freiheit eigens zu erbitten, denn Christus hat sie uns ein für allemal erworben. Freilich muß sie in jeder Lebenssituation verteidigt und offen praktiziert werden. Nur dann werden die anderen begreifen, daß kein noch so krankes und verderbtes Milieu unsere Freiheit abwürgen kann.
424 Deine Verwandten, deine Kollegen, deine Freunde — alle nehmen immer deutlicher deine Veränderung wahr. Sie merken, daß es sich bei dir nicht um eine vorübergehende Entwicklungsphase handelt. Du bist nicht mehr derselbe wie früher.
Laß dich nicht irritieren! Weiter auf deinem Wege! Das Wort des Apostels wird in dir Wirklichkeit: "Vivit vero in me Christus." — Christus ist es, der in dir lebt.
425 Menschen, die nein sagen können, verdienen zunächst einmal Achtung. Doch darüber hinaus bitte sie, ihr Nein zu begründen. Entweder lernst du dabei, oder du vermagst etwas richtigzustellen.
426 Früher warst du ein Schwarzseher, unentschlossen und lustlos. Jetzt bist du wie verwandelt: wagemutig, optimistisch und selbstsicher… Denn endlich hast du dich dazu durchgerungen, in Gott allein Halt zu suchen.
427 Wie traurig ist die Lage eines Menschen, der hervorragende natürliche Tugenden besitzt, nicht aber das leiseste Gespür für das übernatürliche. Wie leicht wird es dazu kommen, daß er jene Tugenden ausschließlich seinen persönlichen Zwecken nutzbar macht. — Denke einmal darüber nach!
428 Du möchtest dir eine wirklich katholische, eine "universale" Geisteshaltung aneignen. Ich schreibe dir hier einige ihrer Merkmale auf:
Weiter Horizont! Die unwandelbare lebendige Wahrheit des katholischen Glaubens in ihrer Tiefe zu ergründen versuchen;
das gesunde und solide — nicht oberflächliche! — Streben danach, die fundamentalen Lehren der Tradition zu erneuern, etwa in der Philosophie und Geschichtsinterpretation;
ein waches Gespür für die zeitgenössischen Denkströmungen und wissenschaftlichen Tendenzen;
schließlich eine positive und offene Haltung gegenüber den zeitbedingten Strukturwandlungen in der Gesellschaft und auch gegenüber den veränderten und sich weiterhin verändernden Lebensformen.
429 Du mußt lernen, von den gängigen Auffassungen deiner Umgebung, wann und wo immer es erforderlich ist, abzuweichen, ohne dabei die Liebe zu verletzen und ohne unsympathisch zu wirken.
430 Mit der Gnade Gottes und einer gründlichen Bildung kannst du dich den Ungebildeten verständlich machen… Aber sie werden dir kaum folgen, wenn dir die "Sprachengabe" abgeht, das heißt, wenn du nicht imstande bist oder zumindest dich darum bemühst, ihre Denkweise zu treffen…
431 Das Gebot der Höflichkeit gilt immer und gegenüber allen. Besonders aber gegenüber denen, die als deine Gegner auftreten. Du darfst niemandem feindlich gesonnen sein, weil er in einem Irrtum befangen ist, aus dem du ja versuchen sollst, ihn zu befreien.
432 Das verzogene Kind tat dir richtig leid, nicht wahr? — Also verwöhne dich selbst nicht so sehr! Siehst du nicht, daß du Gefahr läufst, ein Weichling zu werden?
Außerdem: Weißt du nicht, daß die wildwachsenden Blumen in der freien Natur, die Hitze und Unwettern ausgesetzt sind, am würzigsten duften?
433 Er wird es sehr weit bringen, so hört man, und an seine zukünftige Verantwortung zu denken kann einen erbleichen lassen… Niemand kennt von ihm irgendeine uneigennützige Arbeit, irgendeinen klugen Satz, eine gehaltvolle Schrift… Eine totale "Niete"…
Dabei erweckt er stets den Eindruck, er sei in tiefes Sinnen versunken, aber jedermann weiß, daß er noch nie ernstlich und gründlich nachgedacht hat. Miene und Allüren verleihen ihm den ernsthaften Ausdruck eines Maultieres, und daher steht er im Ruf eines "klugen Menschen", der es sehr weit bringen wird. Aber ich frage mich: Was wird er anderen beibringen können, wie und womit wird er ihnen dienen, wenn wir ihm nicht helfen, sich zu ändern?
434 Der besserwisserische Bildungsprotz hält die Einfachheit und Demut des wirklich Gebildeten für Ignoranz.
435 Ahme nicht das Beispiel derer nach, die, kaum daß sie eine Weisung erhalten haben, schon überlegen, wie sie sie abändern können. Man möchte meinen, sie haben zuviel "Persönlichkeit"! Sie stiften nur Zwietracht und Durcheinander.
436 Deine Erfahrung und Gewandtheit, die Gewohnheit, zwischen den Zeilen zu lesen, ein routinierter Scharfblick und das professionelle Kritisieren — all das hat dich im Gesellschaftlichen und im Geschäftsleben weit, vielleicht zu weit gebracht, so daß du etwas zynisch geworden bist. Nun hat dieser übersteigerte "Realismus", dem es an Gespür für die geistlich-übernatürliche Dimension des Lebens fehlt, dein inneres Leben erfaßt. — Weil du die Einfachheit verloren hast, bist du manch mal kalt und herzlos.
437 Im Grunde bist du ein lieber Kerl, aber du hältst dich für einen Machiavelli. — Mach dir einmal klar, daß man als guter und rechtschaffener Mensch in den Himmel kommt und nicht als unangenehmer Intrigant.
438 Deine gute Laune — wunderbar. Aber alles und jedes als einen Spaß aufzufassen — gib es zu —, das ist einfach zuviel des Guten…
Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Weil dir die Willenskraft fehlt, um deine Angelegenheiten ernst zu nehmen, suchst du dich selbst zu rechtfertigen, indem du dich über die anderen lustig machst, die besser sind als du.
439 Ich bestreite nicht, daß du begabt bist. Aber deine unbeherrschte Aufgeregtheit bringt dich dazu, wie ein Dummkopf zu handeln.
440 Diese Unausgeglichenheit deines Charakters! Mit der Tastatur stimmt etwas nicht: Die hohen und die tiefen Töne kommen gut heraus, aber nicht die mittleren… Und das eben sind die des gewöhnlichen Alltags! Die hören die anderen am meisten.
441 Lerne aus folgendem: Bei einem denkwürdigen Anlaß machte ich einen ausgezeichneten Mann — gelehrt und mutig war er! — darauf aufmerksam, daß er seine einflußreiche, hohe gesellschaftliche Stellung aufs Spiel setze, wenn er weiterhin jene heilige Sache in Schutz nähme, die so viele "gute Katholiken" bekämpften. — Gemessen und ernst, in einem Ton, der die Verachtung irdischer Ehren zum Ausdruck brachte, antwortete er mir: "Meine Seele setze ich aufs Spiel"!
442 Diamanten erhalten ihren Schliff durch Diamanten — und die Seelen durch andere Seelen.
443 "Ein großes Zeichen erschien am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt".
Du und ich und wir alle sollen die Gewißheit haben, daß nichts die Persönlichkeit so sehr vervollkommnet, als das Ja zur Gnade zu sprechen.
Gib dir Mühe, dem Vorbild Marias zu folgen, und du wirst ein Mann — eine Frau — aus einem Guß werden.
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GEBET
444 Wären wir uns unserer Verpflichtungen bewußt – wie könnten wir dann einen ganzen Tag verbringen, ohne daran zu denken, daß wir eine Seele haben?
Aus dem täglichen Gebet muß die immer neue Begradigung unseres Weges hervorgehen, damit wir nicht von ihm abkommen.
445 Wer aufhört zu beten, lebt noch eine Weile von seinen spirituellen Reserven – und danach vom Schwindeln.
446 Die geistliche Betrachtung: Zu einer bestimmten Zeit, zu einer festgesetzten Stunde. Wenn wir nämlich unsere Gebetszeit nach Lust und Laune ansetzen, dann ist dies ein Mangel an aszetischem Geist. Und das Gebet ohne Aszese ist wenig wirksam.
447 Dir fehlt es an innerem Leben. Du schließt in dein Gebet weder die Anliegen der Deinen noch die Sorge um neue Berufungen ein; du bemühst dich weder darum, klar zu sehen, noch konkrete Vorsätze zu fassen, noch sie zu erfüllen; du suchst die Nähe Gottes nicht beim Studium, nicht bei der Arbeit, nicht bei deinen Gesprächen und nicht im Umgang mit den anderen.
Wie also ist es um dein Bewußtsein der Gegenwart Gottes bestellt, das ja sowohl Wurzel als auch Frucht deines Gebetes sein soll?
448 So? Du konntest es nicht, weil du keine Zeit hattest? Du hast Zeit. Außerdem: was soll aus deiner Arbeit werden, wenn du sie nicht in der Gegenwart Gottes bedenkst, um Ordnung in sie hineinzubringen? Wie willst du denn dein tägliches Arbeitspensum gut erfüllen ohne das Gespräch mit Gott? Du argumentierst wie jemand, der sagt, er könne leider nicht studieren, weil ihn das Unterrichten zu sehr in Anspruch nehme… aber ohne Studium kannst du eben auch keinen nützlichen Unterricht erteilen.
Das Gebet hat immer Vorrang. Wenn du das einsiehst, aber trotzdem nicht danach handelst, dann behaupte nicht, du hättest keine Zeit: Du willst einfach nicht!
449 Gebet, noch mehr Gebet! Das erscheint angesichts des Umstandes, daß du wegen der Prüfungen in der intensivsten Arbeit steckst, fast paradox… Doch du brauchst das Gebet! Und zwar nicht nur die gewohnte Zeit der Betrachtung, sondern Gebet gerade auch zwischendurch, in den Augenblicken des Leerlaufs, in den Pausen zwischen dieser und der nächsten Arbeit. Kurz: beten, anstatt die Gedanken an Belangloses zu verschwenden.
Es macht nichts aus, wenn es dir trotz deines Bemühens nicht gelingt, dich zu konzentrieren, dich zu sammeln. Ein solches Beten kann viel wertvoller sein als die Zeit der Betrachtung in der ungestörten Ruhe einer Kirche.
450 Um es wirklich fertigzubringen, den ganzen Tag im Bewußtsein der Gegenwart Gottes zu durchleben, empfiehlt es sich, diesen Tag mit einer "Audienz" bei Jesus Christus zu beginnen.
451 Das Gebet ist kein Vorrecht für Mönche. Es ist Pflicht und Aufgabe aller Christen, der Männer wie der Frauen, die in der Welt leben und wissen, daß sie Kinder Gottes sind.
452 Selbstverständlich sollst du deinem Weg weiter folgen: ein Mensch der Tat, berufen zur Kontemplation.
453 Ein Katholik, der nicht betet?… Das ist wie ein Soldat ohne Waffen.
454 Danke dem Herrn für das wunderbare Geschenk, das Er dir gemacht hat, als Er dir die Augen dafür öffnete, daß "nur eines notwendig" ist. Und verbinde mit deinem Dank auch jeden Tag die inbrünstige Bitte für alle, die Ihn noch nicht kennen oder Ihn nicht verstehen.
455 In der Zeit, als einige Freunde versuchten, dich zu gewinnen, fragtest du dich, woher sie die innere Stärke und das überspringende apostolische Feuer nahmen. – Jetzt, da du selber betest, begreifst du, daß das Gebet die Quelle ist, deren Wasser das Umfeld der Kinder Gottes befruchtet.
456 Du mißachtest das Gebet. Kommt das nicht letztlich daher, daß du Angst hast und die Anonymität suchst? Daß du es also nicht wagst, mit Christus von Angesicht zu Angesicht zu sprechen?
Du siehst, man kann dieses Mittel auf mancherlei Weise "verachten" und dabei doch so tun, als achte man es.
457 Gebet: Zeit heiliger Vertrautheit mit Ihm – und fester Entschlüsse.
458 Wie sehr begründet war das Gebet dieses Christen: Herr, verlas mich nicht! Siehst Du nicht, wie "jener andere" mich nach unten zieht?
459 Wird der Herr meine Seele von neuem entflammen? Der Verstand und eine tiefe, wie aus großer Ferne herandrängende Sehnsucht vielleicht ist es die Hoffnung – sagen "ja"… Andererseits bemächtigt sich des schwankenden Herzens und des schwachen Willens eine lähmende Schwermut, die alles erstarren läßt, bitter macht und wie hinter einer narrenden Maske verbirgt.
Höre die Verheißung des Heiligen Geistes: "Denn nur noch eine kurze Zeit, dann wird der kommen, der kommen soll, und Er bleibt nicht aus. Mein Gerechter aber wird durch den Glauben leben."
460 Das wahre Gebet, das den ganzen Menschen gleichsam absorbiert, wird nicht so sehr durch die Einsamkeit der Wüste gefördert, als vielmehr durch die innere Sammlung.
461 Wir beteten draußen im Freien, es war später Nachmittag, der Abend dämmerte schon. Einem zufälligen Passanten mag die kleine Szene recht sonderbar vorgekommen sein: Wir saßen ziemlich verstreut auf dem Boden, und nur hin und wieder wurde die Stille vom Vorlesen einiger Betrachtungspunkte unterbrochen.
Dieses Gebet auf freiem Felde – den Herrn bestürmende Bitten für alle Anwesenden, für die Kirche, für die Menschen – drang zum Himmel und wurde fruchtbar… die Begegnung mit Gott ist an jedem Ort möglich.
462 Mir gefällt es, daß du im Gebet gern viele Kilometer zurücklegst: Dir stehen andere Länder vor Augen, du siehst im Geiste Menschen anderer Rassen an dir vorüberziehen, du hörst im Geiste eine Vielfalt von Sprachen… Es ist, als halle in dir das Gebot Jesu Christi wider: "Euntes docete omnes gentes" – gehet hin und lehret alle Völker.
Du willst aufbrechen und die fernsten Fernen erreichen… Stecke mit diesem Feuer der Liebe alle in deiner Nähe an! Du wirst deine Träume und Sehnsüchte erfüllt sehen – noch früher, noch mehr und schöner, als du erwartest.
463 Dein Gebet mag dann und wann zu einem Nachdenken werden; gelegentlich selten vielleicht – wird es voller Inbrunst sein, manchmal – vielleicht sehr oft –wirst du nur innere Trockenheit, nichts als Trockenheit verspüren… Entscheidend ist allein, daß du – mit Gottes Hilfe – dich nicht entmutigen läßt. Denke an den Soldaten, der Wache hält: Er weiß nicht, ob das Staatsoberhaupt, der König im Palast anwesend ist, und auch nicht, was er tut. Und ebensowenig weiß in der Regel der Beschützte, wer für ihn Wache hält.
Bei Gott, unserem Vater, ist das ganz anders: Er wohnt, wo du wohnst. Er kümmert sich um dich. Er kennt dich vollkommen und weiß deine geheimsten Gedanken. Verlaß also nie diesen Wachtposten des Gebetes.
464 Sieh doch, mit wie vielen an sich einleuchtenden Scheingründen. der Feind dich dahin zu bringen sucht, daß du das Beten aufgibst! Zum Beispiel: "Ich habe keine Zeit" – und dabei vergeudest du sie reichlich – oder "das liegt mir nicht" oder "mein Herz empfindet gar nichts" und so fort…
Das Beten ist keine Frage des Redens oder Fühlens, sondern der Liebe. Und allein schon das Bemühen, dem Herrn etwas sagen zu wollen, ist ein Zeichen dieser Liebe – auch wenn man gar nichts sagt.
465 "Eine Minute intensiv beten, das genügt." Ausspruch von einem, der
niemals betete…
Könnte, wer liebt, je begreifen, daß es genügen soll, den geliebten Menschen eine Minute lang konzentriert anzusehen?
466 Dieses heiße Verlangen, in den Schlachten Christi zu kämpfen und zu siegen, kann nur durch Gebet und Opfer, durch Glaube und Liebe erfüllt werden. Also: beten, glauben, leiden… und die LIEBE lieben.
467 Die Abtötung ist die Zugbrücke, über die wir in die Burg des Gebetes gelangen.
468 Gib nicht auf! Mag ein Mensch noch so unwürdig sein, mag sein Gebet noch so unvollkommen erscheinen: Wenn es demütig und beharrlich aus dem Herzen aufsteigt, wird Gott es immer erhören.
469 Herr, so betete ein Büßer, ich verdiene es nicht, daß Du mich erhörst. Dann fügte er hinzu: Jetzt aber erhöre mich, "quoniam bonus" – weil Du gut bist.
470 Der Herr hatte seine Jünger ausgesandt, das Reich Gottes zu verkündigen. Nachdem sie zurückgekehrt sind, ruft Er sie zusammen und lädt sie ein, sich mit Ihm an einen Ort der Stille zurückzuziehen, um sich ein wenig zu erholen… Welche Fragen wird Jesus ihnen dort wohl gestellt haben? Und was alles wird Er ihnen erzählt haben?
Nun – das Evangelium ist auch heute noch genauso aktuell…
471 Ich verstehe sehr gut, was du meinst, wenn du mir über dein Apostolat schreibst: "Jetzt werde ich drei Stunden Gebet mit meinem Physik-Lehrbuch halten… Mit diesem Aufopfern will ich die 'Stellung' auf der anderen Seite des Tisches hier in der Bibliothek erobern… Ich meine jenen Freund, den Sie schon von damals kennen, als Sie hier waren." Genau erinnere ich mich noch an deine Freude, als du damals von mir hörtest, daß es zwischen Gebet und Arbeit keinen Bruch geben darf.
472 Die Gemeinschaft der Heiligen: der junge Ingenieur, der mir sagte: "Vater, an dem und dem Tag, um soundsoviel Uhr, haben Sie für mich gebetet" – der hatte sie deutlich erfahren.
Das Gebet ist und bleibt unsere allererste und fundamentalste Hilfeleistung für die Seelen.
473 Gewöhne dir an, wie die kleinen Kinder frühmorgens schon, beim Anziehen, kleine Gebete zu sprechen.
Dann wirst du den Tag über leichter das Bewußtsein von der Gegenwart Gottes in dir bewahren.
474 Das Rosenkranzgebet ist von besonderer Wichtigkeit für alle, die hauptsächlich geistige Arbeit leisten oder die studieren. Denn die scheinbar monotonen Wiederholungen eines Kindes, das seine Mutter, Unsere Liebe Frau, anfleht, zerstört nach und nach die Keime des eitlen Geltungsbedürfnisses und des Stolzes.
475 "Du Unbefleckte Jungfrau, ich weiß wohl, daß ich in meiner menschlichen Gebrechlichkeit nichts anderes tue, als Tag für Tag die Menge meiner Sünden zu vermehren…" Dies sei deine Art, mit Maria, unserer Mutter, zu sprechen, sagtest du mir vor ein paar Tagen.
Ich gab dir den entschiedenen Rat, den Rosenkranz zu beten: Gesegnet sei die "Eintönigkeit" des immer wiederholten "Gegrüßet seist du, Maria", die die Eintönigkeit deiner Sünden wettmacht!
476 Eine bedauerliche Art, das Rosenkranzgebet schließlich ganz zu unterlassen, ist, es auf die letzte Stunde des Tages zu verschieben.
Vor dem Zubettgehen betet man den Rosenkranz – wenn überhaupt – schlecht und ohne die Geheimnisse zu betrachten. Man verfällt dann leicht in bloße Routine, die die wahre, die einzig mögliche Frömmigkeit erstickt.
477 Den Rosenkranz zu beten heißt nicht bloß, die Lippen zu bewegen und die einzelnen "Gegrüßet seist du, Maria" hinzumurmeln. Das ist das Plappern der Frömmler…
Das mündliche Gebet des Christen soll aus dem Herzen kommen, und zwar so, daß der Geist sich dabei in die Betrachtung der einzelnen Geheimnisse versenken kann.
478 Du verschiebst den Rosenkranz solange auf "später", bis du ihn schließlich ganz unterläßt – denn es ist schon Zeit zum Schlafengehen. – Solltest du wirklich keine Zeit finden, dann bete ihn unauffällig auf der Straße. Das kann dir außerdem dazu verhelfen, die Gegenwart Gottes lebendig zu halten.
479 "Bete für mich" – sagte ich ihm, so wie ich es immer zu sagen pflege. Er fragte verwundert: "Wieso? Ist Ihnen etwas passiert?"
Ich mußte ihm erklären, daß jedem von uns in jedem Augenblick etwas "passiert", und ich fügte hinzu: Wo es an Gebet mangelt, da passiert noch mehr und da drücken die Dinge noch schwerer.
480 Erwecke viele Male am Tage in deinem Herzen Regungen der Reue! Denke daran, daß Jesus unaufhörlich beleidigt wird und daß hierfür, leider, nicht ebenso unaufhörlich gesühnt wird.
Deshalb sage ich immer wieder: Verrichten wir kurze Stoßgebete der Reue! Je mehr, desto besser! Tu es mir darin nach: mit deinem Leben und mit deinen guten, aufrichtigen Ratschlägen für die anderen um dich herum…
481 Wie liebenswert ist die Szene der Verkündigung! Wir haben sie oft im Geiste betrachtet: Maria betet, gesammelt, Leib und Seele ganz auf das Gespräch mit Gott gerichtet. Im Gebet erfährt sie den Willen Gottes, und betend läßt sie diesen Willen zum Leben ihres Lebens werden. Vergiß das Beispiel Unserer Lieben Frau nicht!
ARBEIT
482 Die Arbeit ist die ursprüngliche Bestimmung des Menschen und ein Segen Gottes. Sie als eine Strafe anzusehen, ist ein beklagenswerter Irrtum.
Gott, der beste Vater aller Väter, gab dem Menschen das Paradies zur Wohnstätte, "ut operaretur" – damit er arbeite.
483 Studium, Arbeit: unerläßliche Pflichten für jeden Christen; Mittel, um uns gegen die Feinde der Kirche zu verteidigen; Wege, um durch berufliches Ansehen viele gute Menschen zu gewinnen, die unter ihrer Isolation, in der sie sich abmühen, leiden. Wer inmitten der Welt Apostel sein will, für den sind Studium und Arbeit sehr wesentliche Voraussetzungen, um wirken zu können.
484 Ich bitte Gott, daß die Kindheit und Jugend Jesu dir als Vorbild dienen: Sowohl was das Gespräch mit den Gelehrten im Tempel als auch was die Arbeit in der Werkstatt Josefs anbetrifft.
485 Von den dreiunddreißig Jahren, die Jesus lebte, waren dreißig Jahre der Stille und Verborgenheit, der Unterordnung und der Arbeit…
486 Ein junger Mann schrieb mir: "Mein Ideal ist so groß, daß nur das Meer es fassen kann." – Ich antwortete ihm: Und was sagt dir der "kleine" Tabernakel… und die "einfache" Werkstatt von Nazareth?
In der Größe des Alltäglichen – dort wartet Er auf uns!
487 In den Augen Gottes ist keine Arbeit, für sich genommen, "groß" oder "klein". Allein die Liebe, mit der sie getan wird, bestimmt ihren Wert.
488 Der "Heroismus" der Arbeit besteht darin, jede Aufgabe wirklich zu Ende zu bringen.
489 Laß es mich nochmals bekräftigen: In der Schlichtheit deiner gewöhnlichen Arbeit, in dem immerfort sich wiederholenden Kleinkram des Alltags mußt du das große und neue Geheimnis entdecken, das vielen Menschen verborgen bleibt: die göttliche Liebe.
490 Es ermutigt dich, sagst du mir, dir vorzustellen, wie viele Geschäftsleute sich wohl schon zur Zeit der Urchristen in der Ausübung dieses ihres Berufes geheiligt haben!
Du willst beweisen, daß das auch heute möglich ist. Der Herr wird deinem Bestreben seinen Beistand nicht versagen.
491 Auch du hast eine Berufung zum Beruf. Sie ist ein "Stachel", der dich zu arbeiten antreibt, und damit zugleich der "Angelhaken", um Menschen für Christus zu "fischen".
Habe deshalb immer saubere Absichten, und strenge dich an, in deiner Arbeit für Gott und Menschen einen guten Ruf zu erlangen. Darauf nämlich setzt der Herr!
492 Um die Dinge zu einem guten Ende zu bringen, müssen sie zunächst einmal in Angriff genommen werden…
Dies klingt banal; und doch ist es gerade solch eine einfache Entschlossenheit, die dir fehlt. Wie freut sich der Teufel über deine Trägheit!
493 Eine nach professionellen Maßstäben stümperhafte Arbeit kann nicht geheiligt werden. Denn wir dürfen Gott keine schlecht verrichteten Werke darbringen.
494 Wenn jemand fortwährend die Kleinigkeiten mißachtet, kann es dahin kommen, daß er trotz rastlosen Schaffens letztlich doch ein Faulenzer ist…
495 Du hast mich gefragt, was du Gott darbringen kannst. Ich brauche meine Antwort nicht lange zu überlegen: Das, was du sonst auch tust, nur jetzt besser ausgeführt und mit einer Liebe, die dich mehr an Ihn als an dich selber denken läßt – vollendet.
496 Hier hast du eine Aufgabe, die für einen gewöhnlichen Christen immer aktuell sein wird und etwas Heroisches an sich hat: die unterschiedlichsten Arbeiten, auch die scheinbar ganz bedeutungslosen, auf eine heiligmäßige Weise zu verrichten.
497 Wir wollen arbeiten. Und wir wollen viel und gut arbeiten. Aber vergessen wir nicht, daß unsere stärkste Waffe das Gebet ist. Deshalb werde ich nicht müde zu ,wiederholen: Wir müssen kontemplative Seelen mitten in der Welt sein, darum bemüht, Arbeit in Gebet zu verwandeln.
498 Du bist in der Küche, nahe beim Herd, während du mir schreibst. Es fängt schon an, dunkel zu werden, und es ist kalt. Neben dir schält deine Schwester Kartoffeln. Sie hat als jüngste und letzte von euch die "göttliche Torheit" einer konsequent gelebten christlichen Berufung entdeckt. Du überlegst: Scheinbar tut sie genau dasselbe wie früher, und doch ist der Unterschied gewaltig!
Gewiß, denn früher schälte sie "nur" Kartoffeln und damit Schluß… Jetzt aber ist sie, indem sie Kartoffeln schält, dabei, sich zu heiligen…
499 Du begreifst immer mehr, sagst du, was "priesterliche Seele" bedeutet… Sei mir wegen meiner Antwort nicht böse: Deinem Handeln nach zu urteilen, begreifst du es nur in der Theorie. Denn jeden Tag ergeht es dir gleich: Bei der abendlichen Gewissenserforschung lauter gute Wünsche und Vorsätze; aber bei deiner Arbeit, morgens und nachmittags, lauter Einwände und Ausreden.
Meinst du tatsächlich, daß du so denen beizuzählen bist, die, wie der Apostel Petrus schreibt, aufgebaut werden "zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen"?
500 Als du deine gewohnte Arbeit wieder aufnahmst, stöhntest du – und es war wie ein Protest: "Immer dasselbe!"
Es stimmt, sagte ich dir, immer dasselbe. Aber diese gewöhnliche Arbeit – die gleiche, die deine Berufskollegen tun – soll für dich ein ständiges Gebet sein; ein Gebet, das immer aus denselben herzbewegenden Worten besteht, aber jeden Tag zu einer anderen Melodie.
Das eben ist unser Auftrag: die Prosa dieses Lebens in ein göttliches Versmaß zu gießen und so in heroische Poesie zu verwandeln.
501 In der Heiligen Schrift lesen wir: "Stultorum infinitus est numerus" –unermeßlich ist die Zahl der Toren. In der Tat scheint ihre Zahl ständig zu wachsen. – Wieviel Narrheit, wieviel Mangel an gesundem Menschenverstand mußt du ertragen! Leute in den unterschiedlichsten Stellungen tarnen dies durch das Ansehen aufgrund ihres Amtes oder verbergen es hinter einer Maske von "Tugenden"… Und das geschieht auch da, wo du es am wenigsten erwartest.
Allerdings verstehe ich nicht, daß du angesichts solcher Erfahrungen die Ausrichtung des Lebens auf Gott hin aus dem Auge verlierst und innerlich davon ungerührt bleibst. Dein geistliches Leben muß arg verdorrt sein, wenn du solche Situationen aus rein menschlicher Berechnung erträgst – entziehen kannst du dich ihnen ja ohnehin nicht.
Wenn du diesen Menschen nicht hilfst, den rechten Weg zu finden, indem du selbst verantwortungsbewußt und vorbildlich arbeitest – heiligmäßig –, wirst auch du zu einem Scharlatan wie sie; mindestens aber machst du dich zum Komplizen.
502 Sicher, es ist wichtig, daß du dich voll und ganz einsetzt – dennoch mußt du deiner beruflichen Arbeit den ihr zukommenden Stellenwert geben: Sie ist nur Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Auf keinen Fall darfst du sie jemals für das Wesentliche halten. Wie oft verhindert die Vergötzung des Berufs das Einswerden der Seele mit Gott!
503 Entschuldige, daß ich abermals darauf zurückkomme: Das Werkzeug ist Mittel, es darf nicht Selbstzweck werden.
Könnte ein Bauer etwa mit einer Hacke arbeiten, die einen Zentner wöge? Natürlich nicht. Allein sie zu schleppen, würde schon seine ganze Kraft verbrauchen. Der Same wäre umsonst ausgesät, denn er könnte nicht aufgehen.
504 Es ist schon immer so gewesen: Eifersucht, Mißtrauen, Neid treffen häufig den, der intensiv arbeitet, mag er dabei auch noch so rechtschaffene und saubere Beweggründe haben. – Falls du in leitender Stellung bist, denke daran: Vorurteile, die gewisse Kollegen gegen einen der Ihren in Umlauf bringen, sind kein Grund, um sich von dem so Abgestempelten zu trennen – eher ein Hinweis darauf, daß er für größere Aufgaben in Frage kommen könnte.
505 Hindernisse? – Gelegentlich gibt es sie wirklich. – Aber manchmal erfindest du sie aus Bequemlichkeit oder Feigheit. Der Teufel ist äußerst geschickt bei der "Verpackung" von Gründen, die Arbeit sein zu lassen! Er weiß genau, daß Müßiggang aller Laster Anfang ist.
506 Du arbeitest unermüdlich, aber da du dich an keine Ordnung hältst, bleibt deine Mühe wirkungslos.
In diesem Zusammenhang fällt mir eine Antwort ein, die ich einmal von jemandem bekam, der viel Erfahrung auf dem Gebiet hatte. Ich wollte ihm gegenüber einen seiner Mitarbeiter loben und sagte: "Er arbeitet enorm viel!" Der Betreffende meinte trocken: "Sagen Sie lieber, er ist ständig in Aktion."
Du entfaltest eine unermüdliche, aber leider fruchtlose Tätigkeit – du bist ständig in Aktion.
507 Um die Arbeitsleistung eines anderen in ihrem Wert herabzusetzen, ließest du da und dort fallen: Er hat schließlich nur seine Pflicht getan…
Ich bemerkte dazu: Scheint dir das wenig? Unsere gewissenhafte Pflichterfüllung belohnt der Herr mit der Seligkeit des Himmels: "Euge serve bone et fidelis… intra in gaudium Domini tui." – Sehr gut, du guter und getreuer Knecht! Geh ein in die ewige Freude!
508 Der Herr hat ein Recht darauf und für uns ist es eine Pflicht –, daß wir Ihn "zu jeder Zeit" verherrlichen. Wenn wir also unsere Zeit vergeuden, stehlen wir Gott die Ehre.
509 Dir ist klar: Die Arbeit drängt, und jede der Bequemlichkeit konzedierte Minute ist der Verherrlichung Gottes entzogene Zeit. Worauf wartest du also noch, um jeden Augenblick gewissenhaft zu nutzen?
Darüber hinaus rate ich dir, einmal zu prüfen, ob all diese leeren Minuten – eigentlich ja Stunden, wenn man sie zusammenzählt! –nicht Folge von Unordnung und Trägheit sind?
510 Traurigkeit und innere Unruhe wachsen proportional zur vergeudeten Zeit. Wenn du aber heilige Ungeduld empfindest, die Zeit wirklich auszuschöpfen, bist du voller Freude und Frieden – denn du hast dann keine Zeit mehr, an dich selbst zu denken.
511 Sorgen? Ich habe keine, sagte ich dir, denn ich "trage Sorge" für viele Dinge…
512 Du machst eine kritische Phase durch: du fühlst ein verschwommenes Unbehagen; du hast Schwierigkeiten, deinen Tagesablauf zu regeln; die Arbeit reibt dich auf, die vierundzwanzig Stunden des Tages reichen nicht aus, um all deine Verpflichtungen darin unterzubringen…
Hast du versucht, den Rat des Apostels zu befolgen: "Alles soll in Anstand und Ordnung geschehen"? Das bedeutet: tut alles in der Gegenwart Gottes, mit Ihm, durch Ihn und ausschließlich für Ihn.
513 Wenn du deinen Zeitplan aufstellst, dann überlege auch, wie du den "Leerlauf" nutzen wirst, der sich unversehens immer wieder einmal ergibt.
514 Ich habe Erholung immer als ein Ausspannen vom Alltag, aber nie als Zeit des Müßiggangs verstanden.
Sich erholen heißt Kräfte sammeln, Hoffnungen beleben, Zukunftspläne erwägen – kurz:
die Art der Tätigkeit wechseln, um dann mit frischem Schwung zur gewohnten Arbeit zurückzukehren.
515 Weil du jetzt so viel zu tun hast, sind mit einem Mal all "deine Probleme" verschwunden… – Sei ehrlich: Seitdem du dich dazu entschlossen hast, für Ihn zu arbeiten, hast du keine Zeit mehr, an deine Egoismen zu denken.
516 Stoßgebete behindern die Arbeit ebensowenig, wie das Schlagen des Herzens die Körperbewegungen behindert.
517 Die eigene Arbeit heiligen – das ist keine Phantasterei, sondern die Aufgabe jedes Christen: deine Aufgabe und meine…
Der Maschinenschlosser, der diese Entdeckung auch für sich gemacht hatte, sagte: "Ich werde verrückt vor Freude bei dem Gedanken, daß ich mich heiligen kann, indem ich an meiner Drehbank arbeite und singe, viel singe, mal im Herzen, mal mit der Stimme… Wie gut ist unser Gott!"
518 Die Arbeit macht dir keine Freude, weil du siehst, wie wenig deine Kollegen Gott lieben und wie sie sich seiner Gnade und auch all dem Guten, das du ihnen geben möchtest, entziehen.
Du mußt versuchen, alles, was sie unterlassen, dadurch aufzuwiegen, daß du dich in der Arbeit Gott hingibst, und zwar mit so großer Inbrunst, wie du es noch niemals getan hast. Auf diese Weise vermagst du deine Arbeit in ein Gebet zu verwandeln, das für alle Menschen zum Himmel dringt.
519 Freudig arbeiten heißt nicht, leichtfertig und oberflächlich arbeiten, so als ob man sich einer hinderlichen Last zu entledigen hätte.
Achte darauf, dein Tun nicht durch Gedankenlosigkeit oder Leichtsinn zu entwerten, damit du der Gefahr entgehst, am Ende mit leeren Händen vor Gott dazustehen…
520 Manche Leute lassen sich bei ihrer Arbeit von Vorurteilen leiten. Grundsätzlich meinen sie, es sei auf keinen Menschen Verlaß. Außerdem begreifen sie nicht, daß es notwendig ist, sich um die Heiligung der eigenen Aufgabe zu bemühen. Sprichst du mit ihnen darüber, so antworten sie, du möchtest sie bitte mit zusätzlichen Belastungen verschonen. Denn im Grunde betrachten sie ihre Arbeit als eine Last, die sie nur widerwillig tragen.
Da hast du eine der zahlreichen "Schlachten des Friedens", die es zu gewinnen gilt: in der eigenen Tätigkeit Gott finden und – mit Ihm und wie Er – den Mitmenschen dienen.
521 Du fürchtest dich vor den Schwierigkeiten und ziehst dich deshalb zurück. Weißt du, mit welchem einzigen Wort man dein Verhalten kennzeichnen könnte? Bequemlichkeit, Bequemlichkeit und nochmals Bequemlichkeit….
Du hattest gesagt, du seist bereit, dich zu verausgaben, und zwar ganz. Und nun begnügst du dich mit der Rolle des Anfängers! Raffe dich auf, werde ein ganzer Kerl!
522 Du bist Student – also widme dich deinen Büchern mit der Einstellung eines Apostels. Sei zutiefst davon überzeugt, daß deine Arbeit Stunde um Stunde ein Opfer ist, das du Gott darbringst und mit dem du den Menschen, deinem Land und – deiner eigenen Seele dienst.
523 Studium – das ist für dich der "Schauplatz deines Kampfes". Tausendmal nimmst du dir vor, die Zeit gut zu nutzen, und dann läßt du dich doch von jeder Kleinigkeit ablenken. Manchmal gehst du dir selbst auf die Nerven, wenn du merkst, wie willensschwach du bist. Doch du nimmst jeden Tag den Kampf von neuem auf.
Hast du schon vergessen, die Anstrengungen deines Studiums für konkrete apostolische Anliegen aufzuopfern?
524 Geschäftigsein ist leichter als Studieren – allerdings auch weniger wirksam.
525 Offensichtlich ist dein geistliches Leben in Unordnung, wenn du weißt, daß Studium Apostolat ist und dich trotzdem damit zufriedengibst, dich gerade noch über Wasser zu halten…
Mit dieser Nachlässigkeit verlierst du den guten Geist! Es kann dir dann wie dem Knecht aus dem Gleichnis ergehen, der ängstlich-berechnend das empfangene Talent versteckte. Wenn du diese Fehlhaltung nicht korrigierst, setzt du selbst die Freundschaft mit dem Herrn aufs Spiel und bleibst schließlich im Sumpf deiner Bequemlichkeit stecken.
526 Studium ist notwendig, aber es genügt nicht allein.
Denn was kann man schon von einem Menschen erwarten, der alle Kräfte nur daransetzt, seinen Egoismus zu befriedigen? Oder von einem, der kein anderes Ziel kennt, als nach einigen Jahren in behaglicher Sicherheit zu leben? Man muß studieren, ja, aber damit die Welt für Gott erobert und gewonnen werden kann! Erst ein solcher Vorsatz erhebt unsere Bemühungen auf eine höhere Ebene: Wir sind dann bestrebt, unsere Arbeit in eine Begegnung mit Gott zu verwandeln und sie zur Grundlage für die Arbeit anderer zu machen, die uns auf unserem Weg folgen werden.
Auf diese Weise wird das Studium zum Gebet.
527 Nachdem ich das Leben so vieler Menschen kennengelernt habe, die, ohne ihren Platz in der Welt zu verlassen, heroisch allein auf Gott hin gelebt haben, bin ich zu dem Schluß gekommen: Arbeit ist für einen Katholiken keine sture Pflichterfüllung, sondern bedeutet Lieben – über sich selbst hinauszuwachsen im Dienen und im Opfer, mit Freude und ohne je nachzulassen.
528 Hast du einmal dieses Ideal der brüderlichen Arbeit um Christi willen erfaßt, so wirst du dich stark und großer Dinge fähig fühlen. Du wirst erkennen. wie glücklich man in dieser Welt sein kann – mögen auch noch so viele Menschen sie verkommen und abscheulich finden, weil sie ausschließlich ihrem Ich nachjagen.
529 Heiligkeit: ein Mosaik aus unzähligen Steinchen großzügiger Hingabe. – Unsere Aufgaben bis zum letzten erfüllen, und das Tag für Tag mit Beständigkeit, darin besteht der Heroismus, der von uns bei der Arbeit verlangt wird. Einen anderen Weg, heilig zu werden, gibt es für uns nicht.
530 Jener Priester, unser gemeinsamer Freund, hat mich überzeugt. Als er von seiner apostolischen Arbeit sprach, versicherte er mir, daß es keine Tätigkeiten gibt, die unwichtig sind. "Denn", so sagte er, "diese blühende Arbeit hier verdanken wir dem stillen Bemühen sehr vieler Menschen, die intensiv arbeiten und beten. Damit haben sie vom Himmel den Strom der Gnade herabgerufen, der alles zum Blühen brachte."
531 Stell auf deinen Arbeitstisch, in dein Zimmer ein Bild der Muttergottes! Steck es auch in deine Brusttasche, und schau es an, wenn du mit deiner Arbeit beginnst, wenn du sie beendest und zwischendurch auch! Ich versichere dir: Sie wird für dich die Kraft erbitten, die deine Arbeit zu einem Dialog der Liebe mit Gott werden läßt.
LEICHTFERTIGKEIT
532 Hält man sich klar und nüchtern das ganze Elend des irdischen Lebens vor Augen und betrachtet demgegenüber den ganzen Reichtum eines Lebens mit Christus, dann läßt sich meiner Überzeugung nach nur ein einziges Wort finden, das das Verhalten so vieler Menschen eindeutig kennzeichnet: Torheit, und abermals Torheit…
Es ist nicht nur so, daß wir – die meisten von uns – bloß im Irrtum befangen wären, nein, viel schlimmer; wir sind unverbesserlich dumm.
533 Es ist traurig genug, daß du nicht bereit bist, wie ein Quaderstein verborgen zu bleiben und so den Bau zu tragen. Aber dazu noch zu einem Stolperstein für die anderen zu werden, das halte ich für Bosheit!
534 Nimm keinen Anstoß daran, daß es schlechte Christen gibt, die sehr geschäftig sind, aber nicht praktizieren. Der Herr, so schreibt der Apostel, wird einen jeden nach seinen Werken belohnen: dich für deine, mich für meine Werke.
Wenn wir beide fest entschlossen sind, anständig zu leben, dann gibt es in der Welt schon zwei Schwindler weniger.
535 Solange du nicht gegen deine zügellose Denkweise angehst, gleicht dein Kopf einem Trödlerladen: nichts als Utopien, Illusionen und – altes Gerümpel.
536 Wenn du dich mit deiner frischen Art für die Sache Gottes einsetztest, so könntest du ein überzeugender, zupackender Christ sein.
Bis jetzt bist du leider nur ein leichtfüßiger, lustiger Vogel.
537 Deine grenzenlose Oberflächlichkeit erinnert mich an einen alten Scherz: "Da kommt ein Löwe!", schrien die Leute. "Na und?", meinte der arglose Naturfreund, "Ich fange doch nur Schmetterlinge!"
538 Eine schreckliche Mischung! Der unermüdlich tätige Ignorant…
Gib niemals dein Bemühen um Weiterbildung auf, auch wenn du schon vor Altersschwäche umfällst!
539 Die Ausrede des oberflächlichen Egoisten: "Es liegt mir nicht, mich für irgend etwas zu engagieren."
540 Du willst zwar nicht das Böse, aber auf das Gute willst du auch nicht. Und so, auf beiden Beinen hinkend, verfehlst du den Weg, und dein Leben bleibt "voll von Leere"…
541 "In medio virtus…" – Die Tugend liegt in der Mitte, sagt eine weise Sentenz, und gemeint ist damit, daß wir jeden Extremismus meiden sollen. Verfalle aber nicht in den Fehler, aus einem klugen Rat einen dummen Spruch zu machen, ihn als Ausrede zu nehmen für Bequemlichkeit und Schläue, für Lauheit und Oberflächlichkeit, für mangelnde Ideale und Spießigkeit.
Denke an die Worte der Heiligen Schrift: "Wärest du doch kalt oder heiß! Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien."
542 Niemals stößt du zum Kern einer Sache vor, immer bleibst du am Unwesentlichen hängen. Erlaube, daß ich dir mit einem Wort aus der Heiligen Schrift sage: dein ganzes Verhalten ist "in den Wind reden… "
543 Verhalte dich nicht wie der Zuhörer einer Predigt, der, anstatt die Belehrung auf sich selbst zu beziehen, feststellt: "Das wird dem Schmitz und dem Meier gut tun… "
544 Gelegentlich hört man die Meinung, eine Verleumdung sei nicht böswillig; sie sei so etwas wie eine Hypothese, mit deren Hilfe die Unwissenheit Unbekanntes oder Unverstandenes zu erklären sucht, um sich als Wohlinformiertheit ausgeben zu können.
Und doch liegt darin ja doppelte Bosheit: die Kopplung der Ignoranz mit der Lüge.
545 Rede nicht so verantwortungslos daher! Begreifst du nicht, daß, nachdem du "den ersten Stein geworfen" hast, andere im Schutz der Anonymität einen Steinhagel in Gang bringen?
546 Bist du es am Ende selbst, der solch eine unzufriedene Stimmung unter den Menschen seiner Umgebung schafft? Wenn ja, dann bist du, verzeih, nicht nur böse, sondern auch töricht.
547 Das wäre eine traurige Genugtuung, nach einem Unglück oder einem Mißlingen bloß feststellen zu können: "Ich habe es ja kommen sehen…"
Sie würde besagen, daß die Not eines Mitmenschen dir gleichgültig war. Andernfalls hättest du nämlich versuchen müssen, sie abzuwenden, wenn du dazu in der Lage warst.
548 Es gibt viele Arten, Verwirrung zu stiften. Eine davon ist, die Ausnahme erheben.
549 Du sagst, du seist Katholik. – Aber du machst mir Kummer, weil ich sehe, daß deine Überzeugung nicht fest genug ist, aus dir einen tatkräftigen Katholiken zu machen mit einem Glauben ohne Vorbehalte und Brüche.
550 Es wäre zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre! Ich meine die Naivität, mit der du aus Leichtfertigkeit, Unwissenheit, Minderwertigkeitskomplexen dem abgeschmacktesten Unsinn beipflichtest.
551 Beschränkte Köpfe, rücksichtslose Ellenbogenmenschen, Heuchler unterstellen allen anderen, diese seien so wie sie selbst… Und das Schlimmste dabei ist: sie behandeln sie auch so, als wäre ihre Annahme richtig.
552 Schlimm genug schon, wenn du "deine" Zeit vergeudest, denn sie gehört nicht dir, sondern Gott, den du verherrlichen sollst. Bist du aber darüber hinaus noch schuld, daß andere sie vergeuden, dann schadest du nicht nur deinem Ansehen, sondern hilfst noch dabei mit, Gott die Ihm geschuldete Ehre zu entziehen.
553 Dir fehlen die Reife und die Innerlichkeit eines Menschen, der sicher durch das Leben geht, weil er ein Ideal und ein Ziel hat.
Bete zu Maria, damit sie dich lehrt, Gott aus ganzer Seele zu preisen, ohne dich von allem und jedem ablenken zu lassen.
NATÜRLICHKEIT
554 Der auferstandene Christus… Nur einige wenige Menschen – die, die nach Gottes Plan nötig waren – werden Zeugen des größten aller Wunder…
Die normale Unauffälligkeit ist das Siegel der göttlichen Werke.
555 Arbeitet man einzig und allein zur Ehre Gottes, dann geschieht alles einfach und natürlich. Es ist, als ob man es eilig hätte und sich nicht mit großen "Demonstrationen" aufhalten könnte, damit der einmalige, unvergleichliche Umgang mit dem Herrn nicht verloren geht.
556 Aufgebracht fragtest du mich: Warum müssen Atmosphäre und Einrichtungen apostolisch arbeitender Zentren häßlich, ungepflegt… und so praxisfern sein? – Und dann sagtest du noch: Außerdem ist es ja auch keineswegs billiger!
Mir erschien dein Unmut sehr verständlich. Und ich überlegte, daß Jesus ja alle ansprechen und an sich ziehen wollte: Arme und Reiche, Gelehrte und Ungebildete, Frohe und Traurige, Alte und Junge… Wie liebenswert ist er! Wieviel natürliche und übernatürliche Anziehungskraft er hat!
557 Ohne Natürlichkeit keine Wirksamkeit! Mag ein Maler noch so begabt sein – was kann er mit einem Pinsel anfangen, den man in eine seidene Hülle steckt?
558 Die Heiligen sind ihren Mitmenschen immer "unbequem".
559 Heiligsein gleich Anormalsein?… Es ist an der Zeit, dieses Vorurteil auszurotten.
Mit der übernatürlich geprägten Natürlichkeit christlicher Aszese müssen wir neu verständlich machen, daß selbst mystische Phänomene keineswegs anormal sind: sie besitzen nicht anders als etwa psychische oder physiologische Vorgänge die ihnen eigene Normalität.
560 Ich sprach mit dir über die Perspektiven, die sich vor unseren Augen auftun, und über den Weg, den wir zu gehen haben. – Ich sehe da keine wirklichen Hindernisse! – sagtest du mir, fast verwundert darüber, daß alles so klar ist…
Präge dir das unverlierbar ein: Es darf auch keine Hindernisse geben!
561 Meide alberne Beflissenheit gegenüber dem Leiter, die du gelegentlich – vielleicht unbewußt an den Tag legst, indem du dich auch in den belanglosesten Angelegenheiten regelmäßig zum Sprachrohr für seine Anliegen oder Ansichten machst.
Sei außerdem darauf bedacht, seine Schwächen nicht als bloße schrullige Einfälle hinzustellen. Das verführt zu einer Kumpanei, die seiner Autorität schadet, oder gar zu der Taktlosigkeit, ein Fehlverhalten als witzige Eigenart anzusehen. Du würdest ihm damit einen schlechten Dienst erweisen.
562 Du schaffst um dich ein Klima der Befangenheit, eine Atmosphäre des Mißtrauens und des Argwohns; wenn du sprichst, machst du den Eindruck eines Schauspielers: Jedes deiner Worte scheint im Hinblick auf die nächstfolgenden gesprochen, du setzt sie Zug um Zug…
Erinnere dich, wie das Evangelium die verschlagenen, heuchlerischen Pharisäer und Gesetzeslehrer schildert: die Fragen, die sie Jesus stellten, waren Fallen, "ut caperent eum in sermone", damit er sich durch seine Antworten verfangen sollte.
Verabscheue solche Falschheit!
563 Natürliche Einfachheit hat nichts mit Grobheit, Schmutz, Ärmlichkeit oder schlechter Erziehung zu tun.
Manche Leute möchten unbedingt den Dienst für Christus auf die Welt der Slums und – pardon! – der Läuse beschränken. Den Ärmsten der Armen beizustehen, ist eine notwendige, eine bewundernswerte Arbeit. Bei ihr stehenzubleiben, hieße indes, die große Mehrheit aller anderen Menschen links liegen zu lassen. Vor allem aber: Was tun, nachdem die Bedürftigen aus ihrer Not befreit sind? Sie etwa ignorieren?
564 Du seist dazu unwürdig? Nun – dann bemüh dich eben, würdig zu werden. Und damit basta!
565 Was soll diese Sucht, in allem "außergewöhnlich" sein zu wollen? –Was dich gegenwärtig drückt, ist ganz "gewöhnlich"!
566 Selig bist du, weil du geglaubt hast – so preist Elisabeth unsere heilige Mutter. – Die Vereinigung mit Gott – das Leben der Gnade in uns – bewirkt immer eine anziehende Art, die natürlichen Tugenden zu üben: Maria trägt die Freude in das Haus ihrer Base, weil sie Christus "trägt".
WAHRHAFTIGKEIT
567 Vor einem Kruzifix betend faßtest du den Entschluß: Lieber will ich um der Wahrheit willen leiden, als daß die Wahrheit durch meine Schuld leidet.
568 Oft ist die Wahrheit ganz und gar gegen alle Vorstellungen von ihr… Vor allem deshalb, weil sie immer eine konsequente Art zu leben verlangt.
569 Wenn es dir unangenehm ist, die Wahrheit zu hören – warum fragst du dann?
Vielleicht möchtest du, daß man dir mit "deiner" Wahrheit antwortet, um so deine Irrwege zu rechtfertigen?
570 Du versicherst, wie sehr du die Wahrheit respektierst – ist das etwa der Grund, weshalb du immer so "respektvollen" Abstand von ihr hältst?
571 Verhalte dich nicht wie ein Schwächling! Es ist doch kein Fanatismus, die Wahrheit, die man genau kennen, lieben und verteidigen sollte, auch tatsächlich jeden Tag tiefer erkennen, mehr lieben und sicherer verteidigen zu wollen.
Dagegen – das sage ich ganz offen – kennzeichnet es gerade die Sektierer, daß sie sich dieser logischen Forderung unter Berufung auf eine falsche Freiheit widersetzen.
572 Es ist leicht, von vornherein "Nein" zu sagen und eine Glaubenswahrheit zu bestreiten oder zu bezweifeln. Das war zur Zeit Jesu Christi schon so. Du, der du dich als Katholik bekennst, mußt vom "Ja" ausgehen.
Danach wirst du sie studieren und in der Lage sein, die Gewißheit hinsichtlich dieses "Ja" zu begründen. Denn es gibt zwischen Wahrheit und Wissenschaft, zwischen Wahrheit und Leben keinen Widerspruch – es kann ihn auch gar nicht geben.
573 Gib deine Tätigkeit nicht auf, gehe von deinem Weg nicht ab, auch wenn du dazu gezwungen bist, mit Menschen voller Vorurteile zu verkehren, die so tun, als ob ihre Art, zu leben und zu denken, das einzig mögliche Richtmaß für alle Motive, Überlegungen und Begriffsbestimmungen abgäbe.
Bemühe dich darum, daß sie dich verstehen, aber setze deinen Weg fort, wenn dir das nicht gelingt.
574 Sicherlich werden dir manchmal Menschen begegnen, die du wegen ihrer Sturheit schwerlich überzeugen kannst. Jedoch lohnt es sich immer – sieht man einmal von solchen Fällen ab – Unstimmigkeiten zu klären und sie mit aller nur erforderlichen Geduld auszuräumen.
575 Manche Leute hören nur die Worte oder wollen nur die Worte hören, die sie selbst im Kopf haben.
576 Für viele Menschen besteht das Verständnis, das sie von den anderen erwarten, in deren Übertritt zur eigenen "Partei"…
577 Ich vermag nicht an deine Wahrhaftigkeit zu glauben, wenn du kein Unbehagen – kein unangenehmes Gefühl –schon bei der kleinsten, an sich harmlosen Lüge verspürst. Sie beleidigt Gott und ist deshalb weder klein noch harmlos.
578 Warum von vornherein diese Unterstellung des Üblen, wenn du dies oder das siehst, hörst, liest oder besprichst? Warum dieser Hang, "Böses" darin aufzuspüren, das eigentlich nicht in der Absicht der anderen, sondern nur in deiner eigenen Seele liegt?
579 Wer etwas mit unlauterer Gesinnung liest, wird kaum die lautere Gesinnung des Schreibers wahrnehmen können.
580 Der Sektierer sieht in allem, was andere unternehmen, nur Sektierertum. Er mißt die Mitmenschen mit dem dürftigen Maß seines Herzens.
581 Jener Staatsmann tat mir leid. Er ahnte wohl, daß es einige ungelöste Fragen gab – wie könnte es im Leben je anders sein –, aber er wich zurück und wurde ärgerlich, als man sie ihm beim Namen nannte. Er wollte sie lieber ignorieren, lieber alles im Dämmerlicht oder Halbdunkel belassen und so Ruhe haben.
Ich riet ihm, die Probleme klar und ohne Beschönigung anzugehen, denn nur so könnten sie verschwinden. Und ich versicherte ihm, danach werde er wirklich in Frieden leben.
Versuche nicht, eigene oder fremde Probleme dadurch zu lösen, daß du sie ignorierst: das wäre Bequemlichkeit und Faulheit. Dem Teufel würden so Tür und Tor geöffnet.
582 Hast du deine Pflicht erfüllt?… Und in lauterer Absicht?… Ja? –Dann mach dir weiter keine Sorgen wegen mancher absonderlicher Menschen, die das Böse entdecken – das allerdings nur in ihrer eigenen Sehweise existiert.
583 In inquisitorischer Manier fragten sie dich, ob du deine Entscheidung, die in ihren Augen wertfrei war, für gut oder schlecht hieltest.
Du antwortetest mit ruhigem Gewissen: "Ich kann nur soviel sagen, daß meine Absicht lauter ist, und – außerdem: Ich allein weiß, was mich mein Entschluß gekostet hat…." Dann fügtest du noch hinzu: Da Gott der Grund und das Ziel meines Lebens ist, gibt es für mich nichts "Wertfreies".
584 Du hast ihm deine Ideale erklärt und deine Lebensweise erläutert: die sichere, feste Lebensweise eines katholischen Christen. Er schien überzeugt zu sein und deinen Weg verstanden zu haben. – Aber dann kamen dir doch Zweifel: Vielleicht war inzwischen dieses Verständnis von seinen recht fragwürdigen Lebensgewohnheiten erstickt worden…
Suche ihn von neuem auf und mache ihm klar, daß das Ja zur Wahrheit nur dann echt ist und Wirkung zeitigt, wenn man auch entsprechend leben will und sich darum bemüht.
585 Was fällt diesen Leuten eigentlich ein, fragst du mich, daß sie mit uns "Experimente machen" möchten? Und warum ihr Mißtrauen gegen uns?
Hör zu, antworte ihnen in meinem Auftrag, sie sollten ihrer eigenen Misere mißtrauen… Und dann geh ruhig deines Weges.
586 Sie tun dir leid. Bar allen Anstands werfen sie die Steine – und verstecken sofort die Hände auf dem Rücken.
Höre, was der Heilige Geist über sie sagt: "Alle Ränkeschmiede sollen verwirrt und beschämt werden, Schande wird jäh über sie kommen". Dieses Wort wird unerbittlich in Erfüllung gehen.
587 Du bist irritiert, weit es Leute gibt, die den guten Ruf jenes apostolischen Unternehmens angreifen und es bekritteln? Das mag schon sein… Um so mehr sage du, wie es sich damit in Wahrheit verhält. Zumindest gibt es dann einen Kritiker weniger.
588 Auch aus dem herrlichsten, ertragreichsten Weizenfeld lassen sich unschwer Disteln, Mohn und Unkraut in Mengen einsammeln.
Über die persönliche Geschichte eines rechtschaffenen, gewissenhaften Menschen kann. man ebenso Seite um Seite voll dunkler Schilderungen schreiben… Bedenke nur, wieviel gegen unseren Herrn Jesus Christus gesagt und geschrieben worden ist.
Ich rate dir, auf deinem Weizenfeld die satten, goldgelben Ähren zu sammeln: die wirkliche Wahrheit.
589 Du versicherst mir, du möchtest ein zuverlässig gebildetes Gewissen haben. Vergiß dann nicht, daß jeder, der einer Verleumdung nicht entgegentritt, zu einem Sammler von Unrat wird.
590 Du sprichst von "Aufgeschlossenheit" und meinst damit deine Neigung, leichthin jede beliebige, gegen jenen Mitmenschen gerichtete Behauptung anzunehmen, ohne ihn zu hören. Dies ist keine Gerechtigkeit… und noch viel weniger Nächstenliebe.
591 Manchmal schadet die Verleumdung denen, die sie erleiden… Aber in Wahrheit entehrt sie diejenigen, die sie in die Welt setzen und verbreiten .. . Und die tragen dann diesen Makel tief in ihrer Seele.
592 Warum, fragst du dich betroffen, gibt es so viele gehässige Schwätzer? Nun, die einen sind unwissend, andere verbohrt, wieder andere böswillig – die meisten aber geben einfach das Aufgeschnappte weiter aus Trägheit, aus Leichtfertigkeit oder aus Unwissenheit!
Deshalb möchte ich dir von neuem einschärfen: Wo du nicht loben kannst und wo du nicht reden mußt, da schweige!
593 Erträgt das Opfer die Verleumdung schweigend, dann lassen die Verleumder ihre "tapfere Feigheit" an ihm aus.
Mißtraue den allzu kategorischen Behauptungen, wenn die, die sie aufstellen, das Gespräch mit dem Betroffenen nicht gesucht oder sogar gemieden haben.
594 Es gibt viele Methoden, eine "Umfrage" zu veranstalten. Man braucht dazu nur eine Prise Böswilligkeit und ein offenes Ohr für üble Nachrede, und schon kann man ein Dutzend Foliobände gegen jeden unbescholtenen Menschen, jede bewährte Institution zusammentragen. – Und gerade dann, wenn dieser Mensch oder diese Institution erfolgreich arbeiten! – Und noch viel mehr, wenn die Erfolge auf dem Feld des Apostolates liegen.
Es ist schon traurig genug, daß manche Leute derartige "Umfragen" organisieren, aber noch trauriger ist die Haltung derer, die sich dafür hergeben, die Rolle von "Lautsprechern" für die schäbigen und haltlosen Behauptungen zu übernehmen.
595 Schmerzlich berührt sagte jemand: Manche Menschen haben nichts vom Charakter Jesu Christi an sich, sondern sie tragen nur eine Maske von ihm. Deshalb gehen ihnen die christlichen Maßstäbe ab: sie verfehlen die Wahrheit und bringen keine Frucht.
Wir, die wir uns als Kinder Gottes zu verhalten versuchen, sollten nicht vergessen, daß der Meister gesagt hat: "Wer euch hört, der hört mich…" – Seien wir also darum bemüht, Christus gegenwärtig zu machen, niemals aber eine Karikatur von ihm.
596 In diesem Fall, wie in vielen anderen Fällen, regen sich die Menschen, und jeder meint, er sei im Recht – und Gott lenkt sie. Mit anderen Worten: Jenseits aller speziellen und partiellen Motive des einzelnen wird am Ende die unerforschliche, liebenswerte Vorsehung Gottes triumphieren.
Laß dich also vom Herrn "lenken", und widersetze dich nicht seinen Plänen, auch wenn sie deinen eigenen Vorstellungen von vermeintlicher "Wichtigkeit" zuwiderlaufen.
597 Es berührt einen unangenehm zu sehen, wie manche an echter Wissensbereicherung wenig interessiert – die von den Wissenschaften zusammengetragenen Erkenntnisse zurückweisen, dafür aber mit mehr oder weniger willkürlichen Methoden eine "Wissenschaft" nach ihrem eigenen Geschmack zu kreieren versuchen.
Diese Beobachtung wird deine Entschlossenheit erst recht bekräftigen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
598 Bequemer, als selbst zu forschen, ist es, gegen diejenigen, die die Wissenschaft und die Technik mit neuen Erkenntnissen bereichern, zu polemisieren. – Wir sollten keinesfalls zulassen, daß inkompetente, kleingeistige "Möchte-gern-Kritiker" sich zu Tyrannen über Denken und Fühlen der normalen Nicht-Fachleute aufwerfen.
599 "So klar ist das nicht, so klar ist das nicht…" – Gegenüber der entschlossenen Geradlinigkeit seiner Gesprächspartner war das alles, was ihm einfiel. Dafür wurde diesen eines klar: daß er nichts verstanden hatte.
600 Es widerstrebt dir, jemanden zu verletzen, Gegensätze aufzudecken oder Mangel an Toleranz zu zeigen… Und so gibst du immer wieder rasch nach: bezüglich deiner Haltung oder deines Standpunktes… Es handle sich um unwichtige Sachen, versicherst du mir. Dennoch hat das für viele verheerende Folgen.
Verzeih mir, wenn ich dir aufrichtig sage: Mit einer solchen Einstellung praktizierst du eine besonders törichte und schädliche Form eben jener Ignoranz, die dir so zuwider ist: du verhinderst nämlich, daß die Wahrheit Stimme gewinnt.
601 Gott behandelt in seiner unendlichen und vollkommenen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit seine ungleichen Kinder mit der gleichen Liebe, aber auf ungleiche Art. Denn Gleichheit bedeutet nicht, alle mit derselben Elle zu messen.
602 Du sagst die Wahrheit – zur Hälfte, so daß viele Interpretationen möglich sind. Das ist eine Form der Lüge.
603 Auf dem Feld der Wissenschaft und hinsichtlich des Rufes ist der Zweifel eine Pflanze, die sich leicht säen, aber nur schwer jäten läßt.
604 Du erinnerst mich an Pilatus: "Quod scripsi, scripsi!" – was ich geschrieben habe, ist endgültig –, nachdem er ein schreckliches Verbrechen zugelassen hat.
Du bist "unerschütterlich"! Aber du hättest es vorher sein müssen… nicht danach!
605 In den eigenen Entscheidungen konsequent zu bleiben, ist eine Tugend. Aber wenn im Laufe der Zeit sich die Umstände verändern, verpflichtet eben diese Tugend auch dazu, die Sicht und die Lösung der Probleme zu überprüfen und eventuell zu korrigieren.
606 Verwechsle nicht unbeugsames Festhalten mit borniertem Starrsinn.
"Man kann mich brechen, aber nicht beugen!" verkündest du mit fröhlicher Überheblichkeit. Hör gut zu: Ein zerbrochenes Werkzeug ist unbrauchbar. An seine Stelle treten andere Instrumente. Unter dem Anschein der Toleranz werden sie ihre giftige Intoleranz verbreiten.
607 "Sancta Maria, Sedes Sapientiae" –Heilige Maria, Sitz der Weisheit. – Rufe oft unsere Mutter mit diesem Stoßgebet an, auf daß sie ihre Kinder – beim Studium, bei der Arbeit, im Umgang mit dem Nächsten – mit der Wahrheit erfülle, die Christus uns gebracht hat.
STREBEN
608 Die einen reduzieren die Religion auf einen Katalog von Verboten oder begnügen sich mit einem konturlosen Katholizismus. Die anderen wollen den Herrn mit dem Gesicht zur Wand stellen oder in eine Dunkelkammer der Seele verbannen…
Ihnen gegenüber müssen wir in Wort und Tat bekräftigen, daß wir Christus zum wirklichen König aller Menschenherzen machen wollen – die noch lauen Herzen der Seinen nicht ausgenommen!
609 Arbeite bei apostolischen Unternehmungen nicht so, als ob du nur für heute bautest. Widme dich diesen Aufgaben in der Hoffnung, daß nach dir andere kommen werden: Brüder von dir mit dem gleichen Geist. Sie werden ernten, was du jetzt säst, den Bau vollenden, dessen Grund du jetzt legst.
610 Bist du erst einmal wirklich von christlichem Geist beseelt, dann wird dein ganzes Streben geradlinig! – Nicht deinen persönlichen Erfolg zu suchen, fühlst du dich getrieben, sondern mit Sehnsucht verlangt es dich nach der Erfüllung deines Ideals.
611 Das Ringen um Hingabe – es hat doch nur dann einen Sinn, wenn es ein großes, ein wirklich göttliches Werk zu vollbringen gilt: die Heiligkeit…
Daher betont die Kirche bei der Kanonisierung eines Heiligen das heroische Ausmaß seiner Christus-Nachfolge.
612 Wenn du erst einmal ernstlich für den Herrn arbeitest, wird es für dich die größte Freude sein zu sehen, daß andere dir dabei Konkurrenz machen.
613 Was ist dein Leben anderes als eine kurze Stunde, die Gott gehört…
Entschließe dich wirklich, in ihr etwas zu tun, das Frucht bringt: die Zeit drängt! Es ist doch eine so kostbare, wundervolle Sendung für einen Mann, eine Frau in dieser Welt, vertrocknete und abgestorbene Herzen im Feuer Christi neu zu entzünden.
Es lohnt der Mühe, den Frieden und das Glück eines beherzten, freudigen "Kreuzzugs" der Liebe Christi überall hinzutragen.
614 Für deine Ehre setzt du dein Leben aufs Spiel. Jetzt setze deine Ehre aufs Spiel für deine Seele!
615 Du sollst dich mit deinen Brüdern eng verbunden wissen in der Gemeinschaft der Heiligen. Verteidige furchtlos diese wunderbare Einheit!
All das Gute, das du erstrebst, wäre zum Scheitern verurteilt, bliebest du dabei allein! Ein versprengtes Schaf ist fast immer ein verlorenes Schaf.
616 Dein Ungestüm machte mir Spaß! Dir fehlten die materiellen Mittel für deine Arbeit, fremde Hilfe war nicht in Sicht. Dein Kommentar: "Ich habe nur diese Arme hier, aber manchmal, wenn mich die Ungeduld packt, möchte ich ein Ungeheuer mit fünfzig Armen sein, um reichlicher auszusäen und zu ernten!"
Erbitte dir vom Heiligen Geist solch eine Wirksamkeit… Er wird sie dir gewähren!
617 Zwei Bücher in russischer Sprache fielen dir in die Hände. Sie erweckten in dir den starken Wunsch, Russisch zu lernen. Du stelltest dir vor, wie wunderbar es wäre, als ein Weizenkorn dort zu sterben – in diesem Land, das heute einem dürren Acker gleicht, der aber eines Tages zu einem riesigen Weizenfeld werden wird…
Ich finde es gut, daß du solche Wünsche hast. Aber widme dich jetzt der "kleinen Pflicht" – der großen Aufgabe eines jeden Tages: deinem Studium, deiner Arbeit, deinem Apostolat und vor allem deiner inneren Formung.
Auf dem Terrain hast du noch manches Stück Land zu bestellen – und diese Arbeit ist nicht weniger heroisch und nicht weniger schön…
618 Wozu taugt ein Student, der nicht studiert?
619 Wenn dir das Studium einmal gegen den Strich geht, dann opfere Jesus diese Mühe auf. Sage Ihm, du bliebest bei deinen Büchern, damit dein Wissen eine Waffe würde im Kampf gegen seine Feinde und ein Mittel, um viele Seelen für Ihn zu gewinnen… Du kannst sicher sein: Dein Studium wird dann immer mehr zu Gebet.
620 Wenn du Stunden und Tage vergeudest, wenn du die Zeit totschlägst, öffnest du dem Teufel Tür und Tor deiner Seele. Du lädst ihn auf diese Weise sozusagen ein: "Bitte, fühle dich hier ganz wie zu Hause!"
621 Daß es schwer ist, Zeitvergeudung zu vermeiden – ja, ich gebe es dir zu… Aber denke daran, daß der Widersacher und all "die anderen" sich niemals Ruhe gönnen.
Erinnere dich außerdem an das Wort des Paulus, dieses wahren Meisters der Gottesliebe: "Tempus breve est!" – Das Leben zerrinnt uns unter den Händen, und keiner kann es zurückholen.
622 Ist dir bewußt, wieviel davon abhängt, daß du eine solide Bildung besitzt? – Wie viele Seelen warten! Kannst du es dir, wenn du daran denkst, leisten, nachlässig zu studieren oder mittelmäßige Arbeit zu leisten?
623 Auf zweierlei Weise kann man "nach oben" gelangen: Die eine ist christlich und besteht in dem anständigen und legitimen Wunsch aufzusteigen, um den Menschen mehr zu dienen; die andere ist heidnisch und besteht in brutaler und skrupelloser Herrschaftssucht, um den Nächsten unterdrücken zu können.
624 Sage mir nicht, du lebtest Gott zugewandt, wenn du dich nicht darum bemühst, dich immer und überall in ehrlicher, klarer Brüderlichkeit den Menschen, jedem Menschen, zuzuwenden.
625 Die "Ehrgeizlinge", die auf ihre kleinen und armseligen persönlichen Ambitionen fixiert sind, begreifen nicht, daß die, die Gott lieben, nur nach einem streben und nach nichts sonst: sie wollen dienen.
626 Eine Sehnsucht erfüllt dich: Du hast es eilig damit, bald aus der Schmiede zu kommen, wo Hammer und Schleifwerkzeug dir die endgültige Gestalt gegeben haben. Denn du willst das gute Werkstück sein, das sich ins Ganze harmonisch einfügt und wirksam die vorgesehene Arbeit verrichtet, die ihm zugewiesene Aufgabe auf dem weiten Felde Christi.
Ich bete viel für dich, damit dieser Eifer in dir immer lebendig bleibt, auch in Zeiten der Ermattung, der Niederlagen und der Dunkelheit… Denn "die zugewiesene Aufgabe auf dem weiten Felde Christi" ändert sich nie.
627 Kämpfe entschieden gegen diese falsche Demut – genauer: Bequemlichkeit –, die dein Heranreifen zu einem echten Kinde Gottes verhindert! Du mußt wachsen!
Beschämt es dich nicht, wenn du auf die jahrelange hingebungsvolle Arbeit deiner älteren Brüder und Schwestern blickst und dabei feststellst, daß du noch nicht fähig bist – noch nicht fähig sein willst –, nur einen Finger zu rühren, um ihnen zu helfen?
628 Laß deine Seele sich in Sehnsucht verzehren… Sehnsucht nach Liebe, nach Selbstvergessenheit, nach Heiligkeit, nach dem Himmel… Verliere dich nicht in Gedanken darüber, ob all das auch einmal Wirklichkeit werden wird – wiewohl so manche "kluge" Ratgeber dir derartige Spekulationen suggerieren möchten. Nein, entfache immer mehr Wünsche in dir: denn der Heilige Geist selbst verkündet, daß Er Wohlgefallen hat an Menschen, die große Wünsche im Herzen tragen.
Aber es sollen tatkräftige Wünsche sein, die du in deiner täglichen Arbeit realisierst.
629 "Freund" – so hat der Herr dich genannt… Dieser Ruf verlangt Antwort, verlangt den raschen, vorwärts drängenden Schritt – nach dem Schrittmaß Gottes! Andernfalls läufst du Gefahr, bloß Zuschauer zu bleiben.
630 Vergiß dein Ich! – Wäre das doch dein einziger Ehrgeiz: nur für deine Brüder und Schwestern, für die Menschen, für die Kirche zu leben – für Gott also…
631 Mitten im festlichen Trubel von Kana bemerkt nur Maria, daß der Wein ausgeht… Selbst die kleinsten Gelegenheiten zu dienen entgehen nicht dem Blick dessen, der – wie Maria – aus Gott lebend sich in herzlicher Teilnahme dem Nächsten zuwendet.
HEUCHELEI
632 Das Resultat von ständiger Heuchelei ist stets ein Leben voller Bitterkeit.
633 Herodes äußert den Wunsch: "Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige." Angesichts ähnlicher "Empfehlungen" bitten wir den Heiligen Geist um seinen Beistand. Er möge uns vor der "Protektion" und den "Hilfsangeboten" derartiger Gönner schützen!
Das Licht des wahren Trösters wird uns nicht fehlen, wenn wir – wie die Weisen aus dem Morgenland – die Wahrheit suchen und mit aller Aufrichtigkeit sprechen.
634 Manche Leute werden ärgerlich, weil du die Dinge so klar aussprichst?
Vielleicht regt sich etwas in ihrem Gewissen, das sie ersticken möchten.
Bleibe du bei dieser Klarheit! Sie kann ihnen eine Hilfe sein, richtig zu reagieren.
635 Solange du die Absichten anderer böswillig deutest, hast du kein Recht, für dich selbst Verständnis zu verlangen.
636 Dies muß korrigiert und jenes muß reformiert werden… So redest du dauernd. – Ändere zuerst dich selbst! – du hast es wirklich nötig –, und damit hättest du schon einen Anfang in deinem Reformprogramm gemacht…
Solange das nicht geschieht, werde ich deinem Rufen nach Erneuerung keinen Glauben schenken.
637 Unglaublich pharisäisch ist das Verhalten mancher Zeitgenossen! Sie nehmen Anstoß daran, wenn sie von anderen Leuten das hören, was sie selbst vorher zu ihnen gesagt haben.
638 Du bist ein Schnüffler. Man könnte meinen, das Leben deines Nächsten auszuforschen, sei deine einzige Aufgabe. Als du endlich auf jemanden gestoßen bist, der dich klar und energisch in deine Schranken verwies, fingst du an, dich laut zu beklagen, als ob man dich beleidigt hätte.
So weit geht deine Schamlosigkeit, so verbildet ist dein Gewissen! – Und für wie viele gilt dasselbe…
639 Mit einem einzigen klugen Schachzug versuchst du, dir zugleich die "Ehrenhaftigkeit" der richtigen Ansicht und die unehrenhaften "Vorteile" der gegnerischen Seite zunutze zu machen.
Dafür gibt es in allen Sprachen nur ein Wort: Verlogenheit.
640 Wie gütig sie sind!… Sie erklären sich bereit, etwas zu "entschuldigen", das ohnehin nichts anderes als Lob verdient.
641 Daß der Verfolger sich als Verfolgter hinstellt, ist ein uralter Trick. Eine alte spanische Volksweisheit nennt das mit verbundenen Augen Steine werfen.
642 Stimmt es wirklich – es wäre traurig –, daß viele Menschen mit ihren Verleumdungen gegen die Gerechtigkeit verstoßen und sich dann auf Anstand und Nächstenliebe berufen, um das Opfer mundtot zu machen, wenn es sich verteidigen will?
643 Wie peinlich ist das Wort Ökumenismus im Munde von Katholiken, die andere Katholiken schlecht behandeln!
644 Welch eine absurde Auffassung von Objektivität! Irgendwelche Leute untersuchen Personen oder Unternehmungen nach den abwegigen Kriterien ihrer eigenen Fehlhaltungen, und mit säuerlicher Unverfrorenheit kritisieren sie oder werfen sieh zu Ratgebern auf.
Konkreter Vorsatz: Wenn wir einmal tadeln müssen oder einen Rat geben sollen, machen wir uns zuerst bewußt, daß Gott uns sieht und hört, und beziehen wir unsere Worte auch auf uns selbst.
645 Greife niemals zu dem verwerflichen Mittel, gegen irgendjemanden eine systematische Verleumdungskampagne ins Werk zu setzen! Keine vermeintlich noch so "moralisch-pädagogischen" Gründe rechtfertigen unmoralisches Handeln!
646 Deine Ratschläge sind weder wirklich objektiv noch lauter, wenn du dich darüber ärgerst oder es als Zeichen des Mißtrauens deutest, daß man auch andere Leute von fundierter Bildung und rechtem Glauben zu Rate zieht.
Wenn du wirklich das Heil der Seelen und den Dienst für die Wahrheit im Auge hast –warum bist du dann gekränkt?
647 Maria hat nicht einmal Josef in das Geheimnis eingeweiht, das Gott in ihr gewirkt hatte.
Auch wir wollen uns daran gewöhnen, nicht leichtfertig zu sein. Weisen wir unseren Freuden und unseren Kümmernissen den rechten Weg, ohne Lob oder Mitleid zu heischen. "Deo omnis gloria!" – alles für Gott!
INNERES LEBEN
648 Am meisten empfängt, wer dem Gebet am nächsten… Darum nähere dich Gott. Setze alles daran, heilig zu werden.
649 Ich vergleiche gerne das innere Leben mit einem Kleid – mit dem hochzeitlichen Gewand, von dem im Evangelium die Rede ist. Gewoben ist es aus den einzelnen Akten und Gewohnheiten der Frömmigkeit. Sie sind die starken Fäden, die dem Stoff Festigkeit verleihen. Ein einziger Riß schon, an irgendeiner Stelle, macht das Kleid unbrauchbar, auch wenn alles andere noch tadellos ist. So ist auch dein inneres Leben nicht aus einem Stück, wenn du zum Beispiel zwar betest und arbeitest, dir aber der Geist der Buße fehlt –oder umgekehrt.
650 Wann wirst du es endlich begreifen? Der einzig mögliche Weg für dich ist: mit tiefem Ernst die Heiligkeit zu suchen! Du mußt dich dazu entschließen – sei mir nicht böse –, Gott wirklich ernst zu nehmen.
Deine unangebrachte "Nonchalance" kann, wenn du sie nicht bekämpfst, in einem üblen, blasphemischen Scherz enden.
651 Bald ist es dein Temperament, dem du bei mehr als einer Gelegenheit erlaubst, sinnlos und hart aufzubrausen, bald sind es Herz und Verstand, die du nicht ehrfürchtig genug dazu bereitest, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit als Wohnstatt zu dienen… Immer bleibst du etwas zu weit weg von Jesus, den du noch so wenig kennst…
So wirst du niemals inneres Leben haben.
652 "Iesus Christus, perfectus Deus, perfectus Homo" – Jesus Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch.
Unter den Christen in der Nachfolge des Herrn gibt es viele, die von seiner Göttlichkeit ehrfurchtsvoll ergriffen sind, aber seine Menschlichkeit vergessen. Sie bemühen sich nicht um die menschlich-natürlichen Tugenden. Deshalb scheitern sie – trotz des ganzen Aufwands an äußeren Frömmigkeitsformen –, wenn es darum geht, die übernatürlichen Tugenden zu leben.
653 Das universale Heilmittel: persönliche Heiligkeit! – Deshalb waren die Heiligen so voller Frieden, Starkmut, Freude, Sicherheit…
654 Erst jetzt hast du den Kern der Botschaft erfaßt, die wir Christen allen Menschen bringen: das verborgene Wunder des inneren Lebens.
Eine ganz neue Welt ist es, die du ihnen eröffnest!
655 Wieviel Neues hast du schon entdeckt! Dennoch, gelegentlich bist du etwas naiv. Du meinst schon alles gesehen, alles verstanden zu haben… aber dann greifst du wieder mit beiden Händen in die unermeßliche Fülle der göttlichen Schätze hinein… Ja, Er wird dir immer wieder "Neues" zeigen, wenn du in hellhöriger Liebe auf seinen Ruf antwortest. Und du wirst erkennen, daß du erst am Anfang des Weges stehst, denn heilig werden heißt eins werden mit Gott, und unser Gott ist unendlich und unergründlich…
656 Die Liebe – mehr als das Studium – erschließt uns den Sinn für die "Dinge Gottes".
Daher: Arbeite, studiere, nimm die Krankheit an, sei nüchtern… Und in alledem liebe Ihn!
657 Eine Frage für deine tägliche Gewissenserforschung: Habe ich heute eine Stunde verstreichen lassen, ohne mit Gott, meinem Vater, zu sprechen?… Habe ich das Gespräch mit Ihm gesucht, wie ein liebevolles Kind es tut? – Du kannst es!
658 Lassen wir uns nicht irreführen… Gott ist kein Schatten, kein fernes Wesen, das uns erschaffen und dann vergessen hat, Er ist nicht der unumschränkte Herrscher, der seinem Besitz für immer den Rücken kehrt. Obwohl wir Ihn mit unseren Sinnen nicht zu erfassen vermögen, ist seine Existenz viel wirklicher als alle Realitäten, die wir sehen und betasten können. Gott ist hier, ist bei uns: gegenwärtig, lebendig. Er sieht uns, Er hört uns, Er leitet uns an und weiß auch das Geringste, das wir tun, das Verborgenste, das wir denken
Daran glauben wir – und doch leben wir so, als ob Gott nicht existierte! Kaum je haben wir für Ihn ein Wort… Wir gehorchen Ihm nicht, wir ringen nicht darum, unsere Leidenschaften zu beherrschen. Weder zeigen wir Ihm Liebe noch leisten wir Ihm Genugtuung…
Wollen wir weiter so leben – mit einem Glauben, der tot ist?
659 Wärest du dir immer bewußt, daß Gott zugegen ist! In wieviel "heillosen" Situationen könntest du dann Heilung bringen!
660 Wie willst du die Gegenwart Gottes in deinem Leben erfahren, wenn deine Blicke ständig irgendwo umherschweifen? – Du gehst unter in Nebensächlichkeiten!
661 Vielleicht befremdet dich das Wort "Betrachtung" zunächst. Es erinnert dich an alte Bücher mit schwarzem Einband, an monotones Gemurmel oder heruntergeleierte Gebetsformeln… Aber all das hat nichts mit betrachtendem Beten zu tun.
Betrachten heißt erwägen und sehen, daß Gott dein Vater ist und du sein Kind bist, das Hilfe braucht. Betrachten heißt danken für alles, was Er dir schon gewährt hat, und für alles, was Er dir noch gewähren wird.
662 Es gibt nur ein einziges Mittel, um Jesus kennenzulernen: den Umgang pflegen! In Ihm begegnest du immer einem Vater, einem Freund, einem Ratgeber und einem Helfer in allen lauteren Bemühungen deines täglichen Lebens…
Und aus diesem Umgang wird die Liebe zu Ihm erwachsen.
663 Wenn du ausdauernd genug bist, täglich deine Vorlesungen zu besuchen, weil dir dort Wissen – allerdings ein recht begrenztes – vermittelt wird, wieso fehlt es dir dann an Ausdauer, um bei dem Meister zu "studieren", den es danach verlangt, dich eine andere Wissenschaft zu lehren, die des inneren Lebens? Nur darin findest du einen Vorgeschmack vom Reichtum der Ewigkeit!
664 Was wiegen die bedeutendste Persönlichkeit, die begehrteste Auszeichnung dieser Welt, gemessen an Jesus Christus, der immer auf dich wartet?
665 Jeden Tag eine bestimmte Zeit dem betrachtenden Gebet zu widmen und sich wie ein Freund mit Gott verbunden zu wissen: Das ist das Allerwichtigste für Menschen, die ihr Leben richtig zu nutzen verstehen. Nur auf diese Weise wird bewußtes Christsein möglich.
666 Für Liebende gibt es im Grunde keinen Abschied – sie begleiten einander immer.
Du und ich: lieben wir den Herrn "so"?
667 Hast du noch nie bemerkt, wie Liebende einander zu gefallen suchen, indem sie auch ihr Äußeres pflegen? – Genauso sorge du dich darum, wie deine Seele "aussieht"!
668 Für gewöhnlich entfaltet die Gnade ihre Wirkungen – ähnlich wie die Natur – in Stufen. Strenggenommen können wir diesem Prozeß nicht vorgreifen. Aber in allem, was von uns abhängt, müssen wir der Gnade den Boden bereiten und mitwirken, wenn Gott sie uns schenkt.
Deshalb muß die Seele auf das höchste Ziel hin ausgerichtet sein: sie muß zu diesem Ziel, das Christus ist, sanft gedrängt, aber auch bis zur letzten Konsequenz geführt werden, ohne Kompromisse, ohne Relativierungen… Doch dürfen wir dabei nicht vergessen, daß ja Heiligkeit primär keine Sache von "Kraftakten" ist. Im allgemeinen hat die Gnade ihren eigenen Rhythmus, der sich gewaltsamen Anstrengungen entzieht.
Eine heilige Ungeduld darfst du, sollst du sogar entfachen – aber verlier dabei nicht die Geduld!
669 Der göttlichen Gnade zu entsprechen – ist das, fragst du mich, eine Pflicht der Gerechtigkeit… ? Ist es Großzügigkeit…? – Es ist Liebe!
670 "Gerade in den unpassendsten Momenten schwirren mir tausend Ablenkungen durch den Kopf", so sagst du mir. Deshalb habe ich dir empfohlen, gewisse Zeiten des inneren Schweigens einzuhalten… und deine Sinne – innerlich wie äußerlich – an die Zügel zu nehmen.
671 "Bleibe bei uns, denn es will Abend werden… " Die Bitte des Kleophas und seines Freundes wird erfüllt.
Wie traurig wäre es, verstünden du und ich es nicht, Jesus "aufzuhalten", wenn Er vorübergeht! Wie schmerzlich, wenn wir Ihn nicht bitten, Er möge bei uns bleiben!
672 Ich habe dir geraten, jeden Tag einige Minuten im Neuen Testament zu lesen und dich, gleichsam selbst beteiligt, in jede der einzelnen Szenen hineinzuversetzen.
Auf diese Weise kannst du das Evangelium in deinem Leben sozusagen "Fleisch und Blut" werden lassen, kannst du es erfüllen und auch andere dahin bringen, es zu erfüllen.
673 Früher hast du dich köstlich amüsiert. Aber jetzt, da du Christus in dir trägst, bist du von innen heraus voll echter Freude, die nach außen strahlt; daher deine Anziehungskraft auf andere Menschen.
Vertiefe noch mehr den Umgang mit Christus, damit du alle Menschen erreichst.
674 Vorsicht! Entwickle viel Feingefühl! Damit nicht, während du dich abmühst, die geistliche Temperatur deiner Umgebung zu erhöhen, deine eigene sinkt.
675 Gewöhne dich daran, alles auf Gott zu beziehen.
676 Siehst du nicht, wie viele deiner Freunde sehr herzlich und einfühlsam sein können, wenn es um Menschen geht, die sie lieben: um die Verlobte, die Ehefrau, die Kinder, die Familie?
Sag ihnen – und halte dich selbst daran! –, daß der Herr es nicht weniger verdient als sie alle. Auch Ihm sollen sie sich auf die gleiche innige Weise zuwenden. Außerdem gib ihnen den Rat, ihre Herzlichkeit und Einfühlsamkeit noch tiefer zu verankern: als Früchte eines Lebens mit Gott und auf Gott hin… Schon hier auf Erden wird ihnen ein ungeahntes Glück zuteil werden.
677 Der Herr hat in deine Seele den guten Samen ausgesät. Und für diese Saat des ewigen Lebens hat Er sich eines mächtigen Mittels bedient: des Gebetes.
Denn eines kannst du nicht bestreiten: Viele Male hat Er dich während deines Gebetes vor dem Tabernakel, von Angesicht zu Angesicht, tief in der Seele den Ruf vernehmen lassen, daß Er dich ganz zu eigen haben wollte und daß du für Ihn alles aufgeben solltest. Wenn du das jetzt bestreitest, bist du ein schwächlicher Verräter. Wenn du es vergessen hast, bist du undankbar.
Ebenso hat Er sich – das kannst du nicht in Zweifel ziehen, und du hast es bis jetzt auch nicht bezweifelt – der Ratschläge und der geistlichen Anregungen deines Leiters bedient, der immer wieder und eindringlich Worte zu dir gesprochen hat, die du nicht einfach in den Wind schlagen kannst… Ganz am Anfang hat der Herr sich auch eines guten, aufrichtigen Freundes bedient, der dir harte Wahrheiten sagte, Wahrheiten der Liebe Gottes… Durch all das hat der Herr den guten Samen in deine Seele eingesenkt.
Nun entdeckst du – naiv und überrascht –, daß der Feind Unkraut in deiner Seele gesät hat. – Und er sät es weiter, während du bequem schläfst und dein inneres Leben vor die Hunde gehen läßt. – Hier und nirgends sonst liegt der Grund dafür, daß du nun in deiner Seele das ganze klebrige Gestrüpp der Weltverstricktheit wuchern siehst. Ja, schon kommt es dir gelegentlich so vor, als erstickten in ihm die Körner des guten Weizens, die du empfangen hattest…
Reiß das ganze Unkraut mit einem Ruck aus! Die Gnade Gottes genügt dir. Befürchte nicht, es könnte eine "leere Stelle" zurückbleiben, so etwas wie eine Wunde… Der Herr wird in sie von neuem seinen Samen säen: die Liebe zu Ihm, die Brüderlichkeit, den Eifer für das Apostolat… Nach einiger Zeit wird nicht mehr die geringste Spur von Unkraut zu finden sein. Jetzt aber – gerade noch rechtzeitig – mußt du es mit Stumpf und Stiel ausreißen. Und am besten ist es, wenn du, statt zu schlafen, auch bei Nacht dein Feld bewachst.
678 Selig jene begnadeten Menschen, die Jesus, sobald sie nur von Ihm hören –
Er spricht uns ja beständig an! –, sogleich als Den Weg, Die Wahrheit und Das Leben erkennen.
Du weißt sehr wohl, woran es liegt, wenn uns dieses Glück entgeht: an der mangelnden Entschlossenheit, Ihm nachzufolgen.
679 Wieder einmal hast du Christus dir ganz nahe gefühlt… Und wieder hast du begriffen, daß du alles für Ihn tun mußt.
680 Geh näher auf Jesus zu!… Noch näher – bis Er dein Freund wird, dein Vertrauter, dein Herr.
681 Jeden Tag, so sagtest du mir, fühlst du dich tiefer in Gott geborgen. –Jeden Tag wirst du also deinen Brüdern und Schwestern näher sein.
682 Bis jetzt, solange du Ihn noch nicht gefunden hattest, wolltest du mit "offenen Augen", wie man so sagt, durch das Leben gehen, damit dir ja nichts entgehe… Von diesem Moment an – geh durch das Leben mit "reinen" Augen, damit du an seiner Seite all das siehst, worauf es ankommt.
683 Wo inneres Leben ist, da wirft sich die Seele bei jeder Bedrohung mit der Schnelligkeit, mit der das Blut in die Wunde schießt, in die Arme Gottes.
684 "Das ist mein Leib…" – Jesus opferte sich, und Er verbarg sich unter der Gestalt des Brotes… Jetzt ist Er dort so gegenwärtig – mit Fleisch und Blut, mit Seele und Gottheit –, wie Er Thomas gegenwärtig war, als dieser seine Finger in die Seitenwunde des verklärten Leibes legen durfte…
Du aber gehst oft an Ihm vorbei und hast für Ihn nicht einmal den kurzen Gruß übrig, den du einem Bekannten, der dir begegnet, entbietest.
Du hast viel weniger Glauben als Thomas!
685 Stell dir vor, dein bester Freund wäre ins Gefängnis geworfen worden, damit du freikämst… Würdest du nicht alles daransetzen, um ihn zu besuchen, um ihm deine Zeit zu widmen, um ihm etwas zu schenken – kurz, um ihn durch die Wärme deiner Freundschaft ein wenig zu trösten?… Wenn dazu noch durch das Gespräch mit dem Gefangenen Böses von dir abgewendet und Gutes für dich erlangt würde – ließest du ihn dann im Stich?… Und wenn es anstelle eines Freundes um deinen eigenen Vater, um deinen Bruder ginge…?
Denke weiter!
686 Für uns hat der Herr sich in der Heiligen Hostie eingeschlossen. Er will an unserer Seite bleiben, uns stützen, uns geleiten. – Und Liebe kann man nur mit Liebe vergelten.
Wie sollten wir da nicht täglich den Tabernakel aufsuchen, und sei es nur für wenige Minuten, um Ihm den Gruß unserer Liebe zu bringen, wir, seine Kinder, seine Brüder…
687 Hast du noch nie eine ähnliche Szene beobachtet? – Da steht irgendein Unteroffizier oder ein unbedeutender kleiner Leutnant. Ein Soldat kommt vorbei und grüßt. Er ist wesentlich begabter als seine Vorgesetzten, aber er weiß, was sich gehört. Der Vorgesetzte erwidert den Gruß.
Eine Situation, die dazu einen bemerkenswerten Kontrast bildet: Vom Tabernakel dieser Kirche aus nähert sich dir Christus, vollkommener Gott und vollkommener Mensch, der für dich am Kreuz starb und der dir alles schenkt, dessen du bedarfst. Und du gehst achtlos an Ihm vorüber.
688 Du hast angefangen, dem Herrn in seiner Verborgenheit täglich einen Besuch abzustatten. Es überrascht mich nicht, daß du sagst: Ich liebe das ewige Licht vor dem Tabernakel.
689 "Jesus, ich liebe Dich" – dieses Stoßgebet und wenigstens eine geistige Kommunion…, die sollten an keinem einzigen Tag fehlen! Bete sie als Sühne für all die Beleidigungen und Sakrilegien, die der Herr dafür erleidet, daß Er unter uns hat bleiben wollen.
690 Ist es nicht selbstverständlich, daß wir Menschen, die wir sehr lieb haben, auch herzlich begrüßen? – So sollten wir – du und ich – oftmals am Tage Jesus, Maria, Josef und unseren heiligen Schutzengel grüßen!
691 Verehre unsere heilige Mutter aus ganzem Herzen! Sie versteht sich gut darauf, unsere kleinen Liebesbezeugungen zu erwidern.
Wenn du außerdem täglich im Geiste des Glaubens und der Liebe den Rosenkranz betest, wird Unsere Liebe Frau dafür sorgen, daß du auf dem Wege ihres Sohnes immer weiter voranschreitest.
692 Wie wäre es möglich, im täglichen Kampf zu bestehen, wenn uns der Beistand unserer Mutter fehlte? – Suchst du ihn beharrlich?
693 Der heilige Schutzengel begleitet uns ständig, er ist ein Kronzeuge unseres Tuns. Im persönlichen Gericht nach deinem Tode wird er all die kleinen Aufmerksamkeiten bezeugen, die du im Verlauf deines Lebens dem Herrn aus Liebe erwiesen hast. Mehr noch: Wenn du wegen der furchtbaren Anklage des Feindes befürchtest, verloren zu gehen, dann wird dein Engel all jene tiefen Regungen deines Herzens – die du vielleicht schon vergessen hattest – und all die Zeichen der Liebe bezeugen, die du Gott dem Vater, Gott dem Sohn, Gott dem Heiligen Geist gewidmet hattest.
Vergiß also deinen Schutzengel niemals! Und dieser machtvolle Himmelsfürst wird auch dich niemals vergessen, weder jetzt noch in jener entscheidenden Stunde.
694 Innerlich kalt empfingst du früher die Kommunion. Du achtetest kaum auf den Herrn, jede Kleinigkeit lenkte dich ab. – Jetzt aber steht dir vor Augen – in deinem vertrauten Gespräch mit Gott –, daß die Engel dabei anwesend sind. Dein Verhalten ist nun anders geworden, denn du denkst: So dürfen sie mich nicht sehen!
Diesmal ist dir deine Sorge: "Was wird man von mir sagen?" zum Guten ausgeschlagen. Du hast einen kleinen Schritt auf die Liebe zu getan.
695 Wenn du spürst, daß dein Herz trocken ist und du nichts zu sagen weißt, dann wende dich vertrauensvoll an die Mutter Gottes. Sage ihr: "Du Unbefleckte Mutter, bitte für mich!"
Wenn du sie gläubig anrufst, wird sie dich inmitten deiner Trockenheit Gottes Nähe spüren lassen.
HOCHMUT
696 Die Eigenliebe mit Stumpf und Stiel ausrotten und die Liebe zu Jesus Christus einpflanzen: Das ist das Geheimnis aller Wirksamkeit – und des Glücks.
697 Du behauptest, daß du Ihm folgst. Aber in jeder Situation willst immer "du selbst" handeln, nach "deinen" Vorstellungen und allein mit "deinen" eigenen Kräften. –Und doch hat der Herr gesagt: "Sine me, nihil", ohne mich vermagst du nichts.
698 Mißachtet wurde, was du dein "Recht" nennst und was ich als dein "Recht auf Hochmut" übersetzt habe. Armer Kerl! – Der Gegner war ein mächtiger Mann, du konntest dich nicht wehren. Dir war, als hätte man dich hundertmal geohrfeigt. Und trotzdem lernst du es nicht, dich zu demütigen.
Jetzt sagt dir die Stimme deines Gewissens: Du bist hochmütig – und feige. Danke Gott dafür, daß du jetzt zu erkennen beginnst: es gibt auch deine "Pflicht" – "die zur Demut".
699 Ich, ich, immer wieder ich – das ist das einzige, was dich ausfüllt. – Und du wirst solange fruchtlos dich mühen, bis endlich Er, nur Er und Er allein dich erfüllt. Erst dann wirst du "in nomine Domini" arbeiten – im Namen und in der Kraft Gottes.
700 Wie willst du Christus nachfolgen, wenn du ausschließlich um dich selbst kreist?
701 Ein allzu ungeduldiger und hemmungsloser beruflicher Ehrgeiz kann manchmal die Eigenliebe mit dem Gewande vermeintlich "dienender Nächstenliebe" drapieren. Mit Raffinesse – kein i-Tüpfelchen nehme ich davon zurück! – erfinden wir uns Selbstrechtfertigungen wie etwa: ein solches Angebot dürfe man doch nicht leichtfertig ausschlagen, oder: jetzt lägen besonders günstige Umstände vor…
Blicke auf Christus: Er ist ja "der Weg". Auch Ihm boten sich während der Jahre seines verborgenen Lebens "besonders günstige" Umstände und "geeignete" Anlässe, um der Zeit seines öffentlichen Wirkens vorzugreifen; zum Beispiel als Zwölfjähriger im Tempel, wo Ihn die Gesetzeslehrer seiner Fragen und Antworten wegen bestaunten… Aber Jesus erfüllt den Willen des Vaters und wartet: Er gehorcht!
Sei unbesorgt, daß dein heiliger Eifer, die ganze Welt zu Gott hinführen zu wollen, verloren gehen könnte. Schleichen sich aber einmal ichhafte Ambitionen ein – möglicherweise Fluchtversuche! –, dann halte daran fest, daß auch du zu gehorchen hast. Diese glanzlose Arbeit im Verborgenen – sie ist deine Aufgabe, solange der Herr nicht etwas anderes von dir möchte: Er hat "Seine" Zeiten und "Seine" Wege.
702 Aufgeblasen und hochmütig ist, wer seine aufgrund von Reichtum, Herkunft, Stellung oder Intelligenz privilegierte Situation dazu mißbraucht, andere zu demütigen, die nicht mit solchen Gaben gesegnet sind.
703 Der Stolz wird, früher oder später, auch diesen "tollen Mann" vor seiner Umwelt demütigen – dann nämlich, wenn man ihn eines Tages als einen eitlen Hohlkopf durchschaut, als eine Marionette, an deren Fäden der Teufel selber zieht.
704 Aus Geltungsbedürfnis oder simpler Eitelkeit organisieren sich viele Leute selbst einen "schwarzen Markt", auf dem sie ihre eigenen Vorzüge künstlich im Wert hochzuschrauben versuchen.
705 Ämter… Hohe? Niedrige? – Was schert dich das?… Du versicherst
ja, daß du gekommen bist, um nützlich zu sein, um zu dienen, immer in gänzlicher Verfügbarkeit. Verhalte dich dementsprechend.
706 Du schwätzt, du kritisierst… Man könnte meinen, ohne dich klappt nichts richtig.
Werde nicht böse, wenn ich dir sage, daß du dich wie ein arroganter Despot aufführst.
707 Wenn ein guter Freund dich unter vier Augen, loyal und brüderlich, auf gewisse unschöne Aspekte deines Verhaltens hinweist, bist du sogleich der Überzeugung, daß er im Irrtum ist: er verstehe dich nicht. Diese falsche Sicht rührt von deinem Stolz her und nimmt dir die Möglichkeit, besser zu werden.
Du tust mir leid: es fehlt dir an Entschlußkraft, die Heiligkeit zu suchen.
708 Gehässig, argwöhnisch, kompliziert, mißtrauisch, intrigant… All diese Bezeichnungen verdienst du, auch wenn sie dich kränken.
Ändere dich! Wieso eigentlich sollen immer die anderen die Bösen und du allein gut sein?
709 Du fühlst dich einsam… Du klagst ständig… Alles geht dir auf die Nerven. – Das kommt daher, daß dein Egoismus dich von deinen Brüdern und Schwestern isoliert und du dich Gott nicht näherst.
710 Immer diese Sucht, beachtet zu werden, und zwar möglichst mit "Pauken und Trompeten"… Vor allem aber: Immer der Wunsch, daß man auf dich mehr als auf die anderen achtet!
711 Warum witterst du in allem, was man dir sagt, Hintergedanken? Mit deiner Überempfindlichkeit setzt du ständig dem Wirken der Gnade Grenzen; denn sie erreicht dich ja – zweifle nicht daran – durch das Wort von Menschen, die nichts anderes wollen, als in ihrem Tun dem Ideal Christi zu entsprechen.
712 Solange du noch an der Überzeugung festhältst, alle anderen hätten nur für dich dazusein, solange du dich also nicht entschließt, wirklich dienen zu wollen – und das schließt auch ein, verborgen bleiben und verschwinden –, solange das so ist, wird der Umgang mit deinen Brüdern und Schwestern, Berufskollegen und Freunden ständig eine Quelle von Ärger und Mißmut sein – all das deines Hochmuts wegen.
713 Verabscheue die Prahlerei, lege die Eitelkeit ab, sage dem Stolz den Kampf an – jeden Tag, in jedem Augenblick!
714 Arme Opfer ihres eigenen Hochmuts! Sie quälen sich wegen tausenderlei Kleinigkeiten, die ihre Eigenliebe ins Riesenhafte vergrößert und die anderen nicht einmal wahrnehmen.
715 Meinst du, die anderen wären niemals so jung gewesen wie du? Meinst du, sie hätten sich niemals als Minderjährige von der Familie vereinnahmt gefühlt? Meinst du, ihnen wären die Meinen oder größeren Probleme erspart geblieben, mit denen du dich jetzt herumschlägst? Nein! Auch sie haben einmal dieselben Situationen durchgemacht, durch die du jetzt hindurch mußt, und sie sind herangereift, indem sie – mit Hilfe der göttlichen Gnade – beharrlich und ohne Selbstmitleid ihr Ich bezähmt haben. Wo es vertretbar war, sich anzupassen, haben sie sich angepaßt; wo das nicht möglich war, haben sie sich loyal verhalten, ohne Überheblichkeit, ohne Aggressivität, gelassen und demütig.
716 Rein theoretisch bist du sehr katholisch. Die Atmosphäre in unserem Hause, wo du zusammen mit anderen jungen Leuten lebst, sagt dir zu… Schade nur, daß die heilige Messe nicht um die Mittagszeit ist und daß die Vorlesungen und Kurse nicht nachmittags stattfinden und daß nicht nach dem Abendessen studiert wird, mit ein, zwei Glas Cognac! Deine Art von "Katholizismus" ist bloß Schau, ist einfach spießig.
Begreifst du nicht., daß man in deinem Alter nicht mehr so denken kann? Gib die Faulenzerei auf und deine Selbstverzärtelung! Nimm Rücksicht auf die Bedürfnisse deiner Mitmenschen, und stelle dich der Wirklichkeit, in der du lebst! Dann erst wirst du im Ernst katholisch sein.
717 "Dieser Heilige", sagte der Stifter des Altarbildes, "verdankt mir alles, was er ist."
Ein schlechter Scherz, denkst du wohl? 0 nein, auch du meinst, deinem Verhalten nach zu urteilen, Gott gegenüber deine Schuldigkeit getan zu haben, wenn du eine Medaille auf der Brust trägst und ein paar mehr oder minder routinehafte Frömmigkeitsübungen absolvierst.
718 Sie sollen meine guten Werke sehen!… – Merkst du nicht, daß du sie wie in einem Korb voller Ramschware zur allgemeinen Bewunderung auslegst?
Außerdem: vergiß nicht den zweiten Teil des Gebotes Jesu: "damit sie euren Vater im Himmel preisen".
719 "Mir selbst zugeeignet, mit der Bewunderung, die ich mir schuldig bin". – Das schrieb jemand als Widmung auf die erste Seite eines Buches. Dasselbe könnten viele arme Teufel auch auf der letzten Seite ihres Lebens eintragen.
Schlimm, wenn auch du und ich in dieser Haltung lebten oder stürben! – Prüfen wir uns also ernstlich…
720 Weder in Angelegenheiten der Kirche noch in denen der Menschen – deiner Brüder – darfst du jemals eine Haltung überheblicher Selbstherrlichkeit an den Tag legen. Dagegen kann die Selbstsicherheit da gefordert sein, wo wir bei unserem Engagement in der Gesellschaft die Ehre Gottes und das Heil der Seelen zu verteidigen haben. Das ist dann nicht Anmaßung, sondern jener Glaube und Starkmut, die wir im Leben gelassen, demütig und fest unter Beweis zu stellen haben.
721 Es ist töricht und wirkt peinlich und plump, wenn man in Anwesenheit des Betreffenden schmeichelhafte Bemerkungen über ihn macht oder seine guten Eigenschaften rühmt.
So etwas nährt leicht die Eitelkeit und kann dazu verführen, die Ehre Gottes, dem allein doch alles zu verdanken ist, zu schmälern.
722 Achte darauf, daß gerade auch deine guten Absichten immer von Demut begleitet sind. Denn nicht selten verbinden sie sich mit harten Urteilen, mit der Unfähigkeit, andere Meinungen gelten zu lassen oder mit einem gewissen persönlichen oder nationalen oder korporativen Hochmut.
723 Werde nicht mutlos, wenn du deine Fehler siehst! Raffe dich auf!
Die geistliche, apostolische Unfruchtbarkeit ist weniger eine Folge der persönlichen Fehler – zumal dann nicht, wenn man sie bereut – als vielmehr des Hochmuts.
724 Du bist zu Fall gekommen… Steh auf und sei – mehr denn je, stärker denn je – voller Hoffnung! – Nur die Eigenliebe vermag nicht zu erfassen, daß die Fehler, die wir bereuen und bekämpfen, uns zur tieferen Selbsterkenntnis und zur Demut verhelfen.
725 "Wir taugen zu nichts"… Eine Behauptung, so pessimistisch wie falsch. Wer es nur will, kann mit der Gnade Gottes – die ja die fundamentale Voraussetzung für alles ist – sehr wohl als ein gutes Werkzeug bei vielen Unternehmungen dienen.
726 "Er kleidet sich mit der Haut des Teufels, mit dem Hochmut" – dieses harte, aber treffende Wort jenes gottliebenden Mannes über die Arroganz eines Zeitgenossen stimmte mich nachdenklich.
Gleichsam als Kontrast dazu wurde meine Seele von dem Wunsch erfüllt, mich "mit der Tugend zu kleiden", die Jesus Christus verkündete: "quia mitis sum et humilis corde", denn ich bin gütig und von Herzen demütig. Diese Tugend ist es, die die Fülle der Begnadung durch die Allerheiligste Dreifaltigkeit auf Maria, die Mutter Christi und unsere Mutter, herabgerufen hat. Demütig sein… Erkennen und empfinden, daß wir ein Nichts sind.
727 Wenn es dir einmal schwerfällt, jemandem einen Gefallen zu tun, ihm einen Dienst zu erweisen, erinnere dich daran, daß dieser Mensch ein Kind Gottes ist und daß der Herr uns geboten hat, einander zu lieben.
Aber mehr noch: Begnüge dich nicht mit einer oberflächlichen Befolgung dieses Gebotes aus dem Evangelium; erfasse es jeden Tag tiefer! Zieh die Konsequenzen daraus – es ist gar nicht so schwer –, und richte in jedem Augenblick dein eigenes Verhalten nach den Forderungen des Herrn.
728 Das Leben in der heutigen Welt ist so hektisch, daß die christliche Nächstenliebe zu einer Art Ausnahmeerscheinung geworden ist, obwohl man Christus – zumindest verbal – weiterhin verkündet…
Ich gebe das zu. Aber – was tust du selbst, der du ja als katholischer Christ mit Ihm eins sein und seinen Fußstapfen folgen sollst? Hat Er uns doch geboten, seine Lehre überall zu verbreiten, bei allen Menschen – bei allen! – und zu allen Zeiten.
729 Immer ist es in der Geschichte so gewesen, daß Menschen sich zusammentun, um eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen und ein gemeinsames Ziel zu erreichen.
Sollte etwa den Männern und Frauen von heute das "einzige Ziel", das Heil der Seele, weniger wert sein?
730 Du hast den tiefsten Sinn der Freundschaft erfaßt, seitdem dir aufgegangen ist, daß du gleichsam der Hirt einer kleinen Herde bist. Jetzt möchtest du die, die du früher links hast liegen lassen, neu um dich sammeln und jedem einzelnen dienen.
731 Du darfst dich nicht bloß passiv verhalten. Zu einem echten Freund kannst du nur werden, wenn du deinen Freunden hilfst. Vor allem mit dem Beispiel deiner Lebensweise, dann auch mit deinem Rat und durch den Einfluß, der auf deiner absoluten Vertrauenswürdigkeit beruht.
732 Ganz unerwartet trafst du auf diesen Geist der Brüderlichkeit und Freundschaft, der dich jetzt begeistert.
Natürlich: denn davon hattest du immer voller Sehnsucht geträumt, ihn aber nie irgendwo verwirklicht gesehen. Und warum nicht? Weil die Menschen vergessen, daß sie Brüder Christi sind, Geschwister dieses liebenswerten Bruders aller Menschen, der sein Leben für alle, für jeden einzelnen von uns, vorbehaltlos hingegeben hat.
733 Es ist für dich ein großes Glück gewesen, wahren Lehrern und echten Freunden begegnet zu sein, die dich mit Hingebung in allem unterwiesen, was immer du auch hast wissen wollen. Neidlos ließen sie dich an ihrem Wissen, ihrer Bildung, ihren Erkenntnissen teilhaben, so daß du nie nötig hattest, all das auf mühsamen, verschlungenen Pfaden dir anzueignen. Sie haben dir Wege gezeigt, die dir jetzt wie selbstverständlich vorkommen, die zu finden sie aber einst harte Anstrengungen gekostet hatte… Jetzt ist es an dir, ebenso zu handeln: an diesem, an jenem – an allen!
734 Beherzige meinen Rat und handle danach: Diese Leute, denen du unsympathisch bist, werden ihre Meinung revidieren, sobald sie merken, daß du sie "wirklich" gerne hast. Alles hängt also von dir ab.
735 Gut zu sein, genügt nicht, es muß auch von außen zu spüren sein. Was hieltest du von einem Rosenstrauch, an dem nichts als Dornen zu sehen wären?
736 Um die Lauen zu erwärmen, ist es nötig, daß sie um sich das Feuer der Begeisterung verspüren.
Viele könnten uns zurufen: Anstatt über meine derzeitige Verfassung zu klagen, zeigt mir lieber den Weg, wie ich aus dem, was euch so sehr betrübt, herauskommen kann!
737 Die Verpflichtung zur Brüderlichkeit gegenüber allen Menschen verlangt, daß dein "Apostolat der kleinen Aufmerksamkeiten" von ihnen unbemerkt bleibt: Es gilt einfach, ihnen zu dienen, damit ihr Weg ihnen leichter gangbar erscheint.
738 Wie eng ist die Seele derer, die ihre "Beschwerdeliste" sorgfältig aufbewahren! Mit solchen bedauernswerten Menschen ist ein Zusammenleben kaum möglich.
Wahrhafte Nächstenliebe "omnia suffert" –"erträgt alles" und führt keine "Listen": weder über die "ständigen und notwendigen" Dienste, die sie tut, noch über die Kränkungen, die sie erfährt.
739 Du hältst dich an einen anspruchsvollen Lebensplan: Du stehst früh auf, hältst eine feste Zeit des Gebetes ein, empfängst oft die Sakramente, arbeitest oder studierst intensiv, bemühst dich um Genügsamkeit und um den Geist der Aszese… Und trotz allem: du spürst, daß dir noch etwas fehlt!
Nimm einmal in dein Gespräch mit Gott die folgende Überlegung hinein: Da die Heiligkeit – genauer: das Ringen um sie – nichts anderes als Fülle der Liebe ist, mußt du dich prüfen, wie es um deine Liebe zu Gott und – aus ihr entspringend – um deine Liebe zu den Mitmenschen bestellt ist. Vielleicht entdeckst du dann, tief verborgen in deiner Seele, ernste Fehler, die du bis jetzt noch nicht bekämpft hast. Du bist noch kein guter Sohn, kein guter Bruder, kein guter Freund, kein guter Kollege. Und da du "deine eigene Heiligkeit" auf falsche Weise suchst, bist du neidisch auf die anderen…
Du "opferst dich" in vielen "persönlichen" Kleinigkeiten, und so klebst du an deinem Ich, an deiner Person, und lebst im Grunde weder für Gott noch für die anderen, sondern für dich allein.
740 Du hältst dich für einen guten Freund, weil du kein böses Wort sprichst. – Das stimmt. Aber ich sehe leider kein freundschaftliches Werk, du gibst weder gutes Beispiel noch leistest du einen Dienst… Solche Freunde sind schlechte Freunde.
741 Zuerst behandelst du jemanden schlecht… Gleich darauf, noch bevor der andere reagieren kann, verkündest du: "So, und nun allseits christliche Nächstenliebe!"
Fingest du doch mit dem Zweiten an… Dann würde es gar nicht zu dem Ersten kommen.
742 Säe kein Unkraut, wie jener, den seine eigene Mutter so charakterisierte: "Stellen Sie ihm Ihre Freunde nur vor; er wird schon dafür sorgen, daß Sie sich bald mit ihnen entzweien."
743 Die Art der Brüderlichkeit, die dem Freund an den Tag legt, scheint mir unchristlich. Er warnt dich: "Man hat mir diese und jene haarsträubende Geschichte über dich erzählt. Paß auf, denn anscheinend gibt es im Kreis deiner engsten Freunde jemanden, der dein Vertrauen nicht verdient… "
Diese Art scheint mir deshalb unchristlich, weil ich in einem solchen "Bruder" die Entschiedenheit vermisse, den Verleumder zum Schweigen zu bringen, und weil er nicht die Loyalität aufbringt, ihn beim Namen zu nennen.
Wenn er nicht genug Charakter hat, diese schlimmen Defekte seiner Persönlichkeit zu beseitigen, dann bringt dich ein solcher "Bruder" in die Gefahr, am Ende deines Lebens vereinsamt zu sein, mißtrauisch gegen jeden und lieblos gegen alle…
744 Da dir jeglicher Sinn für den Wert der Menschen in den Augen Gottes fehlt, siehst du in ihnen nur ihre mehr oder weniger bedeutende soziale Stellung. Weder denkst du an ihre Seele, noch bist du bereit, ihnen zu dienen. Deshalb geht dir jede Großherzigkeit ab. Du magst viel beten, aber deine Frömmigkeit ist schal, und du lebst weit von Gott entfernt…
Der Meister hat es sehr deutlich gesagt: "Hinweg von mir in das ewige Feuer… Denn ich war hungrig… Ich war durstig… Ich war im Gefängnis… , und ihr habt euch nicht um mich gekümmert."
745 Gott vollkommen zu lieben und sich zugleich von Egoismus oder Gleichgültigkeit im Umgang mit dem Nächsten beherrschen zu lassen – das ist unvereinbar.
746 Die echte Freundschaft erfordert nicht zuletzt das herzliche Bemühen darum, die Ansichten unserer Freunde zu verstehen, auch wenn wir sie nicht teilen oder nicht übernehmen können.
747 Laß niemals zu, daß auf dem Pfad der Freundschaft das Unkraut wuchert: Sei treu und zuverlässig.
748 Ein fester Vorsatz in bezug auf Freundschaft: Ich will mich in meinem Denken, in meinen Worten und in meinen Handlungen gegenüber meinem Nächsten – wer immer er sein mag – nicht mehr wie bisher verhalten: Ich will tätige Nächstenliebe üben und der Gleichgültigkeit in meinem Herzen keinen Raum mehr geben.
749 Deine Nächstenliebe muß auf die Bedürfnisse deiner Mitmenschen eingehen und sich ihnen anpassen – nicht deinen eigenen Bedürfnissen.
750 Wir sind Kinder Gottes! Diese grundlegende Wahrheit verwandelt uns in Menschen, die weit mehr vermögen, als nur sich gegenseitig zu ertragen. Höre das Wort des Herrn: "Vos autem dixi amicos !" –Ich aber habe euch Freunde genannt – ja, wir sind seine Freunde. Wie Er an uns getan, so geben wir freudig das Leben füreinander, in der Stunde der Not wie im gewöhnlichen Alltag.
751 Wie kann man erwarten, daß Andersgläubige zur Heiligen Kirche heimfinden, wenn sie den lieblosen gegenseitigen Umgang unter denen sehen, die in der Nachfolge Christi zu leben meinen?
752 Die Anziehungskraft, die von deiner sympathischen Umgänglichkeit ausgeht, muß an Weite und Tiefe gewinnen. Sonst wird deine apostolische Wirksamkeit in sterilen geschlossenen Kreisen ersticken.
753 Durch deine Freundschaft und mit deiner "Beschlagenheit" in der Lehre der Kirche – besser ausgedrückt: durch die Botschaft und die Liebe Christi – wirst du viele Nichtkatholiken für eine ernsthafte Mitarbeit gewinnen können, zum Wohl aller.
754 Ich schrieb mir die begeisterte Bemerkung eines Arbeiters auf, der an einem von dir angeregten Treffen teilgenommen hatte: "Noch niemals habe ich über Charakter, Anstand, Freundschaft und Großzügigkeit so sprechen hören, wie hier…" – Und er sagte dann, richtig erstaunt: "Gegenüber dem Materialismus von rechts und von links… ist das hier die wahre Revolution!"
Jede Seele vermag die Brüderlichkeit zu erfassen, die Christus uns als das Grundprinzip menschlichen Zusammenlebens enthüllt hat.. Setzen wir alles daran, daß diese Lehre nicht an Kraft verliert!
755 Gelegentlich suchst du dich selbst zu rechtfertigen und versicherst, du seist so zerstreut und vergeßlich. Andere Male sagst du, du seist von deinem Charakter her eher trocken und reserviert. Deshalb, so fügtest du hinzu, kennst du nicht einmal die Menschen in deiner Nähe richtig.
Hör zu: Du wirst dich doch mit solchen Ausreden nicht zufriedengeben?
756 Ich habe dir geraten, in all den kleinen Begebenheiten deines normalen Tagesablaufs ein Gespür für das Übernatürliche zu entwickeln. Und ich habe sofort noch hinzugefügt: Der Umgang mit deinen Mitmenschen bietet dir im Laufe des Tages sehr viele Gelegenheiten dazu.
757 Die Nächstenliebe glaubwürdig leben schließt ein, die Denkweise der anderen zu respektieren und sich ehrlich über ihren persönlichen Weg zu Gott zu freuen. Man kann nicht verlangen, daß alle denken wie du oder sich mit dir verbünden.
Als Erläuterung dazu sagte ich dir: Diese verschiedenen Wege verlaufen parallel. Jeder erreicht Gott, indem er seinen Weg geht. Aber Vergleiche oder Vermutungen darüber, welcher Weg der bessere ist, sind müßig. Das einzig Wichtige ist, daß wir alle das Ziel erreichen.
758 Dieser Mensch habe leider so viele Fehler! Mag sein… Aber abgesehen davon, daß du die Vollkommenheit nur im Himmel findest – auch du schleppst deine Fehler mit dir, und trotzdem ertragen dich die anderen; sie schätzen dich sogar, weil sie dich mit der Liebe lieben, die Christus seinen Jüngern entgegenbrachte. Und auch bei denen war die Last der Armseligkeiten nicht gerade klein.
Lerne daraus!
759 Du klagst darüber, daß er dich nicht versteht… Und doch bin ich sicher, daß er alles daran setzt, um dich zu verstehen. Du aber – wann wirst du dich auch nur ein wenig bemühen, ihn zu verstehen?
760 Ja, ich gebe es zu: Dieser Mensch hat schlecht gehandelt; sein Verhalten war unwürdig und verwerflich, charakterlos.
Du meintest: Er verdient nur Verachtung!
Nochmals: Ich verstehe dich – aber deiner Schlußfolgerung stimme ich nicht zu. Auch das Leben dieses entgleisten Menschen ist ein geheiligtes Leben. Auch für ihn ist Christus gestorben, um ihn zu erlösen! Wenn Christus ihn nicht verachtete – wie kannst du es dann tun?
761 Wenn deine Freundschaft verkommt zur Komplizenschaft mit den Verfehlungen der "Freunde", dann verdient eine solche elende Kumpanei nicht die geringste Wertschätzung mehr.
762 Es ist wahr – das an sich schon ziemlich beengte und unsichere Leben kann manchmal recht schwierig werden. – Aber das wird dir zu einer mehr übernatürlichen Sicht verhelfen, die dich in allem die Hand Gottes erkennen läßt. So wirst du deiner Umgebung mit mehr Güte und Verständnis begegnen.
763 Das Ausmaß der Autorität und die Möglichkeit, Gnade vor Recht ergehen zu lassen, sind einander proportional: der einfache Richter wird den überführten und geständigen Angeklagten – vielleicht unter Berücksichtigung mildernder Umstände – verurteilen müssen. Ein Staatsoberhaupt kann bei bestimmten Anlässen eine Amnestie erlassen oder einen Verurteilten begnadigen. Gott aber verzeiht der reuigen Seele immer.
764 "Mit eurer Hilfe habe ich erkannt, daß Gott all meine Torheiten und Beleidigungen vergißt und mich mit der Liebe eines Vaters annimmt." So schrieb ein verlorener Sohn aus dem 20. Jahrhundert, als er reuevoll ins väterliche Haus heimkehrte.
765 Es hat dich viel gekostet, all deine Anliegen, kleinen Sorgen und persönlichen sich eher banal und auch gar nicht so zahlreich waren, aber doch tief in deiner Seele verwurzelt, nach und nach abzuwerfen und zu vergessen. – Dafür hast du die schöne Sicherheit eingetauscht, daß deine Sorge um die Brüder, und nur um sie, nunmehr die erste Stelle unter deinen Anliegen einzunehmen hat. Denn du hast gelernt, in deinem Nächsten Jesus Christus zu erkennen.
766 "Das Hundertfache!"… Wie mächtig kam dir vor wenigen Tagen diese Verheißung des Herrn in den Sinn!
Dieses "Hundertfache" wird dir zuteil – das versichere ich dir – in der Brüderlichkeit, die das Leben mit deinen Gefährten im Apostolat trägt und prägt.
767 Wie viele Ängste und Gefahren kann die echte Liebe unter den Brüdern, unter den Schwestern vertreiben! Man spricht nicht über sie – das wäre wie Profanierung –, aber sie leuchtet aus jeder Kleinigkeit
768 Suche jeden Tag voller Vertrauen Zuflucht bei der Gottesmutter! Das wird deine Seele – dein ganzes Leben – stärken. – Maria wird dich an den Schätzen, die sie in ihrem Herzen birgt, teilhaben lassen, denn "man hat es noch niemals gehört, daß jemand, der zu ihr seine Zuflucht nahm, von ihr verlassen worden sei."
WILLE
769 Nicht das Gefühl der Frömmigkeit, sondern die entschiedene, großmütige Bereitschaft des Willens, auf das "Werben Gottes" einzugehen, ist für das Wachstum im inneren Leben und im Apostolat notwendig.
770 Ohne den Herrn könntest du nicht einen einzigen sicheren Schritt nach vorn tun. – Diese Gewißheit, daß du seine Hilfe nötig hast, wird dich zu einer noch innigeren Vereinigung mit Ihm führen: in mutiger und beharrlicher Zuversicht, in Freude und Frieden – und auch dann, wenn der Weg steinig und steil wird.
771 Betrachte den großen Unterschied in der Handlungsweise eines Menschen je nachdem, ob er sich von ausschließlich innerweltlichen oder auch von übernatürlichen Motiven leiten läßt. Im ersten Fall ist der Anfang vielversprechend, aber dann läßt der Schwung allmählich nach. Im zweiten Fall ist der Anfang auch vielversprechend… , und dann nimmt das Bemühen, Besseres zu leisten, ständig zu.
772 Selbstverständlich ist es nicht "schlecht", aus sauberen menschlichen Motiven heraus anständig zu leben. Aber wie anders ist es doch, wenn das bestimmende Motiv die Gottesliebe ist!
773 Der Freund, der sie so hart und doch mit Freude arbeiten sah, meinte: Sagt bloß – ihr tut das alles aus Begeisterung? – Die vergnügte und trockene Antwort lautete: Aus Begeisterung? Das gäbe einen großen Reinfall! Nein, wir tun es… "per Dominum Nostrum Iesum Christum!" – durch und für unseren Herrn Jesus Christus, der immerfort auf uns wartet.
774 Die Welt hat es dringend nötig, daß wir die Eingeschlafenen aufwecken, den Ängstlichen Mut machen, den Verunsicherten Orientierung geben. Mit einem Wort: daß wir alle in den Dienst Christi rufen, damit sie nicht weiter ihre Kräfte vergeuden.
775 Ein Freund, der die Nähe Gottes suchte und der erfüllt war von einer zartfühlenden Liebe zu Christus, pflegte vor einer schweren Aufgabe sich selbst zu ermuntern, indem er mit schlichtem Glauben sagte: "Es ist Zeit, daß du dich ernsthaft entscheidest, etwas zu tun, was der Mühe lohnt."
Vielleicht hilft auch dir dieser kleine Monolog!
776 Was für eine Art von christlicher Vollkommenheit meinst du erreichen zu können, wenn du immer nach deiner Laune handelst und nur das tust, "was dir liegt"?
Du wirst deine Fehler nicht bekämpfen, und so werden aus ihnen, logischerweise, dauernd böse Werke hervorgehen. Und gerätst du einmal in eine schwierige Situation, wird dein Wille machtlos sein, weil du ihn nie an einen beharrlichen Kampf gewöhnt hast.
777 Die "Fassade" wirkt ja recht willensstark und charakterfest. – Aber wieviel Laschheit und Willensschwäche verbergen sich dahinter!
Nimm dir fest vor, deine Tugenden nicht zu einer Maskerade werden zu lassen, sondern zu dem selbstverständlichen Habitus, der von innen her deinen Charakter prägt.
778 Bekümmert und auch ein bißchen abgestoßen, sagst du mir: "Ich kenne Leute, die haben nicht einmal die Kraft, um Hilfe zu rufen…" – Geh nicht an ihnen vorbei! Dein Wille, dich zu retten und sie zu retten, kann zum Ausgangspunkt ihrer Bekehrung werden. Vergiß außerdem nicht, daß auch dir sich einmal eine helfende Hand entgegenstreckte…
779 Wer verweichlicht ist und daher über tausend lächerliche Lappalien jammert, bringt es natürlich nicht über sich, kleine, ganz alltägliche Opfer zu bringen. . . weder für Jesus noch für die Mitmenschen.
Wie beschämend wäre es, wenn auch du dich in deinem Alltag so verhieltest – du, der du gegenüber anderen doch so hart und fordernd bist!
780 Du leidest sehr darunter zu sehen, daß du der Lage nicht gewachsen bist. Du möchtest mehr und besser arbeiten, aber mal handelst du überstürzt, mal ziehst du dich verstört zurück.
"Contra spem, in spem!" – Lebe aus der sicheren Hoffnung, die Gott dir als Tugend ins Herz gelegt hat, und sei es auch entgegen aller irdischen Hoffnung… . Auf diesem Felsen wirst du fest stehen und daraus die Kraft schöpfen, zum Heil zu gelangen Die Hoffnung ist eine herrliche göttliche Tugend: sie verleiht dir den Mut, furchtlos voranzuschreiten, ohne Vermessenheit, aber auch ohne stehenzubleiben.
Was siehst du mich so an? Ja, es ist wirklich so: Die Hoffnung pflegen bedeutet den Willen stärken.
781 Wenn mitten in deiner gewohnten Arbeit der Wille nachläßt, dann halte dir wieder einmal folgendes vor Augen: "Studium, Arbeit: das ist wesentlicher Bestandteil meines Weges. Ein mangelndes Berufsprestige als Folge meiner Trägheit würde meine Aufgabe als Christ unmöglich, unwirksam machen. Es ist der Wille Gottes, daß ich mich um berufliches Ansehen bemühe, damit ich besser die Menschen erreichen und ihnen so helfen kann. "
Zweifle nicht daran: Wenn du deine Arbeit aufgibst, entziehst du dich und auch andere den göttlichen Plänen!
782 Du hast Angst vor diesem Weg, den viele, die sich neu als Kinder Gottes erfahren haben, gehen? Warum? Weil du im Namen Jesu Christi eindringlich gemahnt wurdest, deine Pflichten ernstzunehmen, dein Ich zu stutzen und aus deinem Elfenbeinturm herauszukommen. Also suchtest du nach Entschuldigungen… Es überrascht mich nicht, daß du all das als drückende Last empfindest: Noch sind in dir so manche Komplexe und dunkle Winkel… Noch bist du zu kompliziert und verklemmt und deshalb wie gelähmt!
Nimm es mir nicht übel, aber ich muß dir sagen: Du hast weniger Charakterfestigkeit gezeigt als manche verkommene Subjekte, die hemmungslos das Böse tun. Du hast dich benommen, als wärest du weniger oder schlechter als sie…
"Surge et ambula!" – Steh auf und geh! Entscheide dich! Noch ist es Zeit, dich von unseligem Ballast zu befreien! Öffne dich der Gnade und höre, um was dich der Herr bittet! – Vor allem aber: Sei rückhaltlos und gerne bereit, Ihm nachzufolgen!
783 Es ist gut, daß eine solche Ungeduld dich verzehrt. – Habe aber keine Eile Gott will, daß du dich ernsthaft auf deine Aufgabe vorbereitest – monate- oder jahrelang, solange es eben nötig ist –, und Er rechnet mit deiner Bereitschaft dazu. Die Bemerkung eines Kaisers früherer Zeiten war nicht so abwegig: "Die Zeit und ich, wir nehmen es mit jedem Gegner auf!"
784 Über die Eifersucht und den Neid einiger Leute meinte ein rechtschaffener Mann: "Es muß schon sehr viel böser Wille im Spiel sein, um ein so klares Wasser eintrüben zu wollen."
785 Du fragst, ob du schweigen und untätig bleiben sollst… Wenn es darum geht, daß ein gerechtes Gesetz ungerecht angegriffen wird: Nein!
786 Jeden Tag liebst du mehr diese Arbeit… Man merkt, daß du an Selbstsicherheit und an Gelassenheit im Auftreten gewinnst. Du weißt eben, daß du für Christus arbeitest.
Schon die Heilige Schrift hat es verkündet: "Vir fidelis, multum laudabitur" – ein getreuer Mann wird viel gelobt werden.
787 Noch nie hast du dich so vollkommen frei gefühlt wie jetzt, da deine Freiheit ein Gewebe aus Liebe und Loslösung, aus Sicherheit und Ungewißheit ist – denn du vertraust in nichts auf dich selbst und in allem auf Gott!
788 Hast du gesehen, wie man das Wasser in der Voraussicht auf kommende Dürrezeit staut?… Auch du mußt so vorsorgen, um die charakterliche Ausgewogenheit zu erlangen, die du für schwierige Zeiten brauchst: die Freude, die klaren Gedanken, das Licht, die der Herr dir schenkt – speichere sie in dir!
789 Das heil lodernde Feuer der anfänglichen Begeisterung ist erloschen. Jetzt wird das Vorankommen im Dunkeln mühsam. – Aber gerade dieses mühsame Sich-vorwärts-Kämpfen ist besonders wertvoll. Irgendwann, ganz unverhofft, wird die Dunkelheit schwinden, und du wirst von neuem eine glühende Begeisterung empfinden! Halte durch!
790 Gott will, daß wir, seine Kinder, mitten in der Welt "offensiv" sind! Wir sollen uns nicht als Zuschauer fühlen. Unser Auftrag ist der Kampf. Wo immer wir uns befinden, stehen wir "wie ein Heer in Schlachtordnung"!
791 Es geht nicht darum, daß du deine Pflichten in Hektik verrichtest, sondern darum, daß du sie kontinuierlich erfüllst, nach dem Schrittmaß Gottes.
792 Du besitzt wohl die charmante Art eines geistreichen Plauderers… Andererseits aber bist du ziemlich passiv und redest dich heraus: "Wenn man nicht auf mich zugeht… "
Wenn du dich nicht änderst – ich betone das nachdrücklich – und nicht von dir aus auf die anderen, die auf dich warten, zugehst, kannst du niemals apostolische Wirksamkeit erreichen.
793 Ich nenne dir die wichtigsten Regeln im Bemühen, Seelen näher zu Gott hinzuführen: Vergiß dich selbst und habe ausschließlich die Ehre Gottes, der dein Vater ist, vor Augen! Unterwirf deinen Willen in kindlicher Ergebung dem göttlichen Willen, so wie Christus es dich gelehrt hat! Halte dich offen für die Erleuchtung durch den Heiligen Geist, und nimm sie fügsam an!
794 Drei Tage und drei Nächte lang sucht Maria den Sohn, der plötzlich verschwunden ist… Könnten doch auch wir, du und ich, von uns sagen, daß unser Wille, Jesus zu finden, kein Erlahmen kennt…
HERZ
795 Um das Glück zu finden, bedarf es nicht eines bequemen Lebens, sondern eines verliebten Herzens!
796 Heute, zwanzig Jahrhunderte nach Christus, müssen wir mit unerschütterlicher Sicherheit verkünden, daß sein Geist nicht die erlösende Kraft eingebüßt hat und daß nur sie allein die Sehnsucht des menschlichen Herzens zu stillen vermag.
Fange damit an, diese Wahrheit in dein Herz aufzunehmen. Denn – wie Augustinus schrieb – unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Gott.
797 Lieben heißt von einem einzigen Gedanken erfüllt sein: nämlich nur für den geliebten Menschen zu leben, sich nicht mehr selbst zu gehören, in seliger Freiheit Herz und Seele einem anderen Willen zu unterwerfen – der zugleich der eigene Wille ist.
798 Du liebst den Herrn immer noch nicht so, wie ein Geizhals seine Schätze, wie eine Mutter ihren eigenen Sohn liebt… Du hängst noch zu sehr an deinem Ich und an deinen kleinen, nichtigen "Wichtigkeiten"… Und doch spürst du bereits, daß Jesus unentbehrlich geworden ist in deinem Leben…
Sobald du seinem Ruf ganz entsprichst, wird Er dir in jeder deiner Handlungen, auch der kleinsten, unentbehrlich sein.
799 Geniere dich nicht, Ihm die "Verrücktheit" deiner Liebe zu zeigen! Rufe es Ihm zu, so laut du kannst: "Herr, ich liebe Dich… Aber verlaß Dich nicht auf mich! Binde mich jeden Tag enger an Dich!"
800 Kein Zweifel – das Herz ist für die Liebe geschaffen. Lassen wir Christus, den Herrn, all unser Lieben bis ins tiefste erfüllen! Sonst rächt sich das leere Herz und füllt sich mit den elendesten Schwächen an.
801 Kein Menschenherz kann "menschlicher" sein als eines, das übervoll ist vom Verlangen nach dem Göttlichen… Denke nur an Maria, die Gnadenvolle, die Tochter Gottes, des Vaters, die Mutter Gottes, des Sohnes, die Braut Gottes, des Heiligen Geistes: In ihrem Herzen findet die ganze Menschheit Raum – unterschiedslos und uneingeschränkt. – Jedes Menschengeschöpf ist ihr Sohn, ist ihr Tochter…
802 Engherzige Menschen scheinen alles was sie bewegt, in einer schäbigen, irgendwo abgestellten Kiste aufzubewahren.
803 Natürlich sollst du viel Verständnis und Anteilnahme für die Menschen in deiner täglichen Umgebung zeigen. Dazu gehört allerdings auch die nötige Willenskraft – denn sonst werden Verständnis und Anteilnahme leicht zu Komplizenschaft und Egoismus.
804 Unser gemeinsamer Freund sagte mit ungeheuchelter Demut: "Wie man es schafft zu verzeihen, brauchte ich nicht extra zu lernen, denn der Herr hat mich gelehrt zu lieben."
805 Vergeben! Aus ganzem Herzen vergeben und ohne das Geringste nachzutragen! Das ist eine großartige Haltung, die immer Frucht bringt.
Es war die Haltung Jesu Christi am Kreuz: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Dort entsprang die Quelle des Heiles für dich und für mich.
806 Du wurdest traurig, als jemand, dem Geiste Christi ganz entgegen, bemerkte: "Vergib deinen Feinden! Du kannst dir nicht vorstellen, wie sie das in Rage bringt!"
Du konntest nicht umhin, ihm, wenngleich verbindlich, zu widersprechen: "Ich möchte die Liebe nicht um den Preis der Demütigung des Nächsten erkaufen. Ich verzeihe, weil ich liebe und weil es mich drängt, dem Vorbild Jesu zu folgen."
807 Vermeide mit Takt und Herzensbildung alles, was andere Menschen verletzen könnte.
808 Warum wählst du eigentlich unter den vielen Arten, "Nein" zu sagen, immer die unfreundlichste aus?
Tugend will nicht verletzen.
809 Begreif doch! Wir sollen Gott lieben, aber nicht bloß mit unserem eigenen Herzen, sondern mit dem "Seinen" und mit den Herzen der Menschen aller Zeiten. – Andernfalls wird unsere Antwort auf die göttliche Liebe immer karg und spärlich bleiben.
810 Mich schmerzt es, wenn Menschen, die sich Gott ganz hingegeben und um Christi willen auch auf die Ehe verzichtet haben, sich als Junggesellen verstehen oder zumindest diesen Eindruck erwecken – wo sie doch die LIEBE selbst gewählt haben…
Zu "Junggesellen" wurden sie dann, wenn sie nicht imstande wären, den wiederzulieben, der uns grenzenlos liebt.
811 Jemand hat einmal das Herz mit einer Windmühle verglichen, die getrieben wird vom Wind der Liebe oder der Leidenschaften.
In der Tat: eine solche "Mühle" kann Weizen mahlen, Gerste – und Mist. – Es kommt ganz auf uns selbst an.
812 Der Teufel – Vater der Lüge und Opfer seines Stolzes – strengt sich an, den Herrn in allem nachzuäffen, sogar in der Art und Weise, Jünger zu gewinnen. Hast du das noch nicht bemerkt? Wie der Herr sich bestimmter Menschen bedient, um Seelen zu retten und zur Heiligkeit hinzuführen, so bedient sich der Widersacher ebenfalls bestimmter Menschen, um dies zu verhindern und die Seelen ins Verderben zu stürzen. Mehr noch –und erschrick jetzt nicht: Genauso wie Jesus Menschen, die uns nahestehen, etwa Verwandte, Freunde, Kollegen, zu seinen Werkzeugen erwählt, so versucht auch der Teufel oft, uns durch Menschen, die wir besonders lieben, zum Bösen zu verführen.
Sollten also einmal aus den Banden des Blutes Fesseln werden, die dich hindern, den Wegen Gottes zu folgen, dann zerreiß diese Fesseln mit Entschiedenheit. Dadurch befreist du vielleicht auch die, die sich in den Netzen Luzifers verfangen haben.
813 Danke, Jesus! – Danke dafür, daß Du vollkommener Mensch hast werden wollen! Dein liebendes, Dein Liebenswürdiges Herz hat uns bis zur Passion, bis hin zum Tode geliebt. Es ist fähig, zu jubeln und zu trauern, es nimmt an den Lebenswegen von uns Menschen Anteil und weist uns den Weg zum Himmel; es unterwirft sich heroisch der Pflicht und läßt sich von Barmherzigkeit leiten; es wacht über die Armen und über die Reichen; es sorgt für die Sünder und für die Gerechten…
Ich danke Dir, mein Jesus! Forme unser Herz nach Deinem Herzen!
814 Bitte Jesus, er möge dir seine Liebe schenken: sie soll das läuternde Feuer sein, das dein armes Fleisch – dein armes Herz – verzehrt und von irdischen Erbärmlichkeiten reinigt… Wenn du dann von deinem Ich befreit bist, wird Er allein dein Herz erfüllen. Bitte Ihn um die Kraft zur radikalen Abkehr von der Tendenz, in den Dingen der Welt aufzugehen. Die Liebe – und nur sie –soll dein Leben tragen!
815 Du hast deine Berufung, Gott zu lieben, sehr klar gesehen, aber nur mit dem Verstand. Du versicherst mir, du gingest deinen Weg auch mit dem Herzen… Aber gelegentlich läßt du dich ablenken und versuchst sogar zurückzublicken… Ein Zeichen, daß du dein Herz nicht bis zum letzten hingegeben hast.
Läutere deine Hingabe!
816 "Ich bin gekommen", sagt der Herr, "um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter…" Indem du das tust, was der Herr von dir verlangt, beweist du wahrhaft die Liebe zu deinen Eltern. Sie soll vollkommen sein, aber du darfst dich nicht hinter ihr verstecken, wenn die Stunde dein persönliches Opfer fordert. Denn anderenfalls – glaub mir – stellst du der Liebe zu Gott die Liebe zu deinen Eltern und der Liebe zu deinen Eltern deine Eigenliebe voran.
Verstehst du jetzt besser, wie die Aussagen des Evangeliums zusammengehören?
817 Dein armes Herz! Du kannst nicht verhindern, daß dich gelegentlich peinliche, traurige, triviale Erinnerungen überkommen; im grellen irdischen Licht werfen sie dunkle Schatten auf dein Herz.
Suche dann einen Tabernakel auf, wirklich oder im Geiste – und du wirst das Licht, die Freude, das Leben von neuem finden.
818 Wie oft wir den Herrn im Tabernakel aufsuchen, das hängt von zwei Impulsen ab: vom Glauben und von der Herzenswärme, von dem Verlangen, die Wahrheit zu sehen und sie zu lieben.
819 Selbstverleugnung und Abtötung –auch sie lassen die Liebe erstarken.
820 Hättest du ein großes Herz und etwas mehr Aufrichtigkeit, dann würdest du dich nicht bei Bagatellen aufhalten, mit denen du entweder die anderen belästigst oder die du zu "persönlichen Kränkungen" aufbauschst.
821 Wenn du ärgerlich wirst – manchmal kann es nötig sein, andere Male geschieht es aus Schwäche –, dann bitte nur für ganz kurze Zeit – und immer mit spürbarer Zuwendung, in Liebe!
822 Zurechtweisen – oft ist es nötig. Tu es jedoch immer so, daß der Betroffene den konkreten Weg zur Besserung erkennen kann – nie aber aus schlechter Laune!
823 Wenn eine Zurechtweisung sein muß, dann soll sie ebenso deutlich wie freundlich, manchmal sogar mit einem Lächeln, erfolgen. Niemals – oder doch sehr selten – im Zorn.
824 Du fühlst dich als "Treuhänder" des absolut Guten und Wahren? Du hältst dich für zuständig und berechtigt, kraft dieser deiner Selbsteinschätzung das Böse unerbittlich auszurotten?
Auf diesem Wege wirst du nichts ausrichten! Nur aus Liebe und mit Liebe kannst du dem Irrtum, der Sünde entgegenwirken – nur im Gedanken daran, daß Er, der die LIEBE ist, dir so vieles vergeben hat und immer weiter vergibt.
825 Liebe die Menschen, die Christus lieben, um dieser ihrer Liebe willen…, aber liebe ebenso die Unglücklichen, die Ihn nicht zu lieben vermögen. Denn auch Er liebt die einen wie die anderen…
826 Die Menschen in jenem Land, die so weit von Gott entfernt und so ziellos leben, haben dich an das Wort des Herrn erinnert: "Sie sind wie Schafe, die keinen Hirten haben…"
Auch du hast – wie Er – Mitleid mit ihnen… Entscheide dich, dort, wo du bist, dein Leben zu einem Brandopfer für alle werden zu lassen.
827 Die Armen – sagte unser Freund sind wie ein geistliches Buch, das mich innerlich weiterbringt, und das Hauptthema meines Gebetes. Sie bereiten mir Schmerz, und weil ich in ihnen Christus begegne, ist es sein Schmerz, der mir wehtut…
Und dieses Wehtun läßt mich innewerden, daß ich Ihn liebe und daß ich sie liebe.
828 Wenn Gottesliebe eine Freundschaft durchpulst, wird diese reiner, großzügiger und vergeistigter, weil die Schlacken egoistischer Motive und ungeordneter Sinnlichkeit verbrannt werden. Vergiß nicht: Die Liebe zu Gott ist es, die unsere Gefühle – ohne deren Intensität zu mindern – läutert und in das rechte Verhältnis zum Ganzen setzt.
829 Jetzt brennt dein Herz. Du warst nur ein trostloser Aussätziger, als Christus dir entgegenkam. Du hattest eine einzige gute Eigenschaft: großzügige Anteilnahme für deine Mitmenschen. Nach der Begegnung mit dem Herrn empfingst du die Gnade, in jedem von ihnen Jesus zu erkennen. An Ihn verlorst du dein Herz – und nun liebst du Ihn in deinem Nächsten. Die Menschenfreundlichkeit, die du bis dahin deiner Umwelt entgegenbrachtest, erscheint dir jetzt als viel zuwenig… Und damit hast du recht!
830 Laß es dir selbstverständlich werden, dein armes Herz dem liebevollen und unbefleckten Herzen Mariens anzuvertrauen, damit es von Schlacken gereinigt wird. Unsere Liebe Frau wird dich zum Heiligsten Herzen Jesu hinführen, das voller Erbarmen ist.
REINHEIT
831 Die Keuschheit – die Keuschheit eines jeden Menschen in seinem Stand, ob ledig, verheiratet, verwitwet oder als Priester – ist immer ein Triumph der Liebe.
832 Das "Wunder" der Reinheit hat zwei Wurzeln: das Gebet und die Abtötung.
833 Je verschleierter sich eine Versuchung der Unkeuschheit einstellt, desto gefährlicher ist sie: sie sickert gleichsam in die Seele ein und bringt uns dann leicht zu Fall.
Laß dich nicht darauf ein! Auch nicht mit der Ausrede, du wolltest nicht als "Sonderling" erscheinen…
834 Die heilige Reinheit: Demut des Fleisches! Herr, so batest du Ihn, schütze mein Herz durch sieben Riegel! Ich riet dir, außerdem um die "Würde eines Achtzigjährigen" zu bitten, weil du noch jung bist.
Und noch etwas: Sei wachsam… Ein Funken läßt sich leichter auslöschen als ein loderndes Feuer. Fliehe… denn auf diesem Felde "tapfer" sein zu wollen, ist nichts als Feigheit. Laß deine Blicke nicht umherschweifen . . Das beweist nämlich nicht etwa deine "Aufgewecktheit", sondern nur, daß du dem Teufel auf den Leim gehst!
Dennoch, all diese menschlich kluge Vorsorge zusammen mit Abtötung, Bußband, Bußgeißel, Fasten – wie wenig vermag das alles ohne Dich, mein Gott!
835 Ein Christ mit sensiblem Gewissen klagte sich in der Beichte gewisser Konzessionen an die Neugier an. Der Beichtvater "disqualifizierte" solche Begierlichkeit mit der Bemerkung: "Ach ja… der Trieb von Männlich und Weiblich!"
836 Sobald man sich in einen Dialog mit der Versuchung einläßt, raubt diese der Seele den Frieden, genauso wie die Unreinheit, in die man einwilligt, das Leben der Gnade zerstört.
837 Mit Leib und Seele hat er sich der Unreinheit hingegeben. Sein Glaube ist dabei allmählich ausgelaugt worden…, aber im Grunde weiß er genau, daß sein Problem kein Glaubensproblem ist…
838 "Sie sagten mir, daß ich trotz meiner Vergangenheit zu einem 'heiligen
Augustinus' werden kann. Ich zweifle nicht daran, und ich will es versuchen – heute noch entschiedener als gestern."
Ja, aber du mußt so mutig und so radikal den Schlußstrich unter dein früheres Leben ziehen, wie es der heilige Bischof von Hippo getan hat.
839 Ja, bitte in Reue um Vergebung, und tu wirklich Buße für alle Episoden der Unreinheit in deinem vergangenen Leben. Aber achte darauf, sie dir nicht erneut ins Gedächtnis zu rufen.
840 Es gibt eine Art von Rederei – so schmutzig wie eine Kloake!
Dich nicht daran zu beteiligen, genügt nicht. Zeige deutlich deine Abscheu!
841 Indes der Geist in beängstigendem Tempo schrumpft und immer weniger wird, bis er schließlich ganz minimal zu sein scheint, gewinnt der Körper ständig an Bedeutung, tritt unverhältnismäßig stark in den Vordergrund und beherrscht am Ende alles.– Für dich schrieb der heilige Paulus: "Ich züchtige und unterwerfe meinen Leib, damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt habe, selbst verworfen werde."
842 Wie leid tun einem die Menschen, die aus persönlicher trüber Erfahrung heraus meinen, man könne unmöglich inmitten der Welt leben und arbeiten und dabei keusch bleiben.
Wer so gegen alle Logik denkt, darf sich nicht beleidigt fühlen, wenn er plötzlich den guten Ruf seiner Eltern, seiner Geschwister oder des Ehegatten in Frage gestellt sieht…
843 Ein erfahrener Beichtvater machte den Abwegen eines armen Sünders etwas derb, aber mit aller Klarheit dadurch ein Ende, daß er ihm sagte "Jetzt bist du auf dem besten Wege, dich wie ein Ochse zu benehmen, später wird dir die Gesellschaft von Schweinen gut genug sein – und schließlich . was kommt dann? In jedem Fall vegetierst du dahin wie ein Stück Vieh, unfähig, zum Himmel aufzublicken."
844 Wenn du so weitermachst, wirst du immer bleiben, was du im Moment bist: ein rein animalisches Geschöpf…
Aber du mußt mir zugeben, daß andere standhaft sind und keusch leben. Im übrigen… sei nicht beleidigt, wenn sie nicht auf dich zählen und dich nicht beachten. Sie arbeiten mit Menschen zusammen, die Leib und Seele haben, nicht bloß animalische Triebe…
845 Manche setzen Kinder in die Welt und haben dabei nur ihr eigenes Interesse, ihren eigenen Nutzen, ihren Egoismus vor Augen… Sie vergessen, daß Kinder ein wunderbares Geschenk Gottes sind und daß sie für diese Gabe Gott ganz besonders werden Rechenschaft ablegen müssen.
Nimm es mir nicht übel: Kinder in die Welt setzen, allein uni der Fortpflanzung willen – das tun auch die Tiere.
846 In einer christlichen Ehe darf nicht der Wunsch bestehen, die Quellen des Lebens zu verschließen! Denn die gegenseitige Liebe gründet in der Liebe Christi, die Hingabe und Opfer ist. Außerdem wissen die Eheleute – um die Worte des Tobias an Sara aufzugreifen – : "Wir sind Kinder von Heiligen und dürfen uns nicht nach Art der Heiden zusammentun, die Gott nicht kennen."
847 Als wir kleine Kinder waren, klammerten wir uns auf dunklen Wegen und wenn Hunde bellten, noch enger an unsere Mutter.
Wenn uns jetzt Versuchungen des Fleisches bedrängen, wollen wir die Nähe unserer himmlischen Mutter und ihre spürbare Gegenwart durch Stoßgebete noch inständiger suchen.
Sie wird uns beschützen und zum Licht hinführen.
848 Wer ein Leben außerhalb der gottgewollten Ordnung führt, ist darum nicht mehr Mann oder mehr Frau.
Wer das meint, sieht anscheinend sein Ideal in der Verherrlichung von Dirnen, von Anhängern der Gleichgeschlechtlichkeit oder von anderweitig Abartigen… kurz, von Menschen, deren Herz verdorben ist und die so nicht in das Himmelreich gelangen können.
849 Erlaube mir einen Rat, den du jeden Tag befolgen kannst. Wenn dein Herz all das Niedrige, das auf seinem Grunde ruht, aufwühlen möchte – dann bete langsam zur Unbefleckten Jungfrau: Blicke auf mich mit Barmherzigkeit und verlaß mich nicht, du meine Mutter! – Und gib diesen Rat auch an die anderen weiter!
FRIEDEN
850 Entfache in deinem Herzen und in deiner Seele – in Verstand und Willen – den Geist des zuversichtlichen Vertrauens auf den liebevollen Willen des himmlischen Vaters… aus dieser Quelle fließt der innere Frieden, nach dem du dich sehnst.
851 Wie willst du den Frieden finden, wenn du dich von Leidenschaften hinreißen läßt, die du nicht einmal versuchst zu beherrschen, und dich auf diese Weise den Impulsen der Gnade widersetzt?
Der Himmel will dich an sich ziehen, du aber – nur du: bitte keine Ausrede! – ziehst die Niederungen vor. Und so bleibst du innerlich zerrissen.
852 Frieden und Krieg – in unserem Inneren sind sie.
Wo es an Treue fehlt und an der Entschlossenheit, im Kampf siegen zu wollen, wird es möglich, zu dem Sieg zu gelangen, der den Frieden bringt.
853 Ich nenne dir das Heilmittel gegen deine innere Unruhe: Geduld, Lauterkeit der Absicht und übernatürliche Sicht.
854 Angst und inneren Aufruhr – weise sie von dir, und sofort! Gott ist ja bei dir! Gib schon den ersten Anzeichen für derartige Reaktionen keinen Raum in dir. Sie lassen bloß die Versuchungen an Kraft gewinnen und erhöhen die Gefahr.
855 Mag auch noch so vieles stürzen und scheitern, mag noch so große Ungemach unsere Pläne zerstören – nichts wird dadurch besser, daß wir aus dem inneren Gleichgewicht geraten. Erinnere dich vielmehr an das vertrauensvolle Gebet des Propheten "Der Herr ist unser Richter, der Herr gibt uns Gesetze, der Herr ist unser König, Er wird uns retten."
Bete es täglich mit Andacht, damit dein Verhalten sich stets in Übereinstimmung mit der göttlichen Vorsehung findet, die uns zu unserem Besten lenkt.
856 Wenn du immer nur auf Gott blickst, wirst du ganz von selbst gegenüber allen Sorgen gelassen bleiben. Du lernst, die Bagatellen zu übergehen und dich von Animositäten und Mißgunst fernzuhalten. So wirst du dir großen Energieverschleiß ersparen und alle Kraft auf deinen wirksamen Dienst an den Mitmenschen verwenden.
857 Ein Freund gab in aller Schlichtheit zu, er habe sich noch niemals gelangweilt, da er sich noch nie einsam und ohne die Nähe des Göttlichen Freundes gefühlt habe. Der Abend dämmerte, tiefes Schweigen breitete sich aus… Wie lebendig spürtest du die Gegenwart Gottes! Und in dieser Wirklichkeit –welch ein Friede!
858 Der herzliche Gruß deines Bruders mitten aus dem Reisetrubel heraus, ließ dich von neuem daran denken, daß alle anständigen Wege dieser Erde Christus offenstehen. Es fehlt einzig und allein daran, daß wir sie im Laufschritt erobern!
Ja, Gott hat die Welt erschaffen für seine Kinder, und Er will, daß sie sie bewohnen und heiligen. Worauf wartest du noch?
859 Du bist unglaublich glücklich. Nur gelegentlich, wenn du bemerkst, daß ein Kind Gottes sich von Ihm abwendet, bricht aus der Tiefe deines Friedens und deiner Freude Schmerz auf – ein Stich, der jedoch weder verwirrt noch beunruhigt.
Gut so. Aber setze alle natürlichen und geistlichen Mittel zu helfen ein, damit der Gefährdete sich wieder fängt! Vertraue voller Zuversicht auf Jesus Christus! Auf diese Weise kehren die über die Ufer getretenen Fluten stets in ihr Bett zurück.
860 Wenn du dich wirklich auf den Herrn verläßt, wirst du lernen, dich zufriedenzugeben mit allem, was auf dich zukommen mag. Du wirst die Gelassenheit nicht verlieren, selbst wenn ein Vorhaben trotz deines persönlichen Engagements und trotz des Einsatzes aller vernünftigen Mittel nicht deiner Erwartung gemäß gelungen ist… Es wird eben nur insoweit seine Erfüllung gefunden haben, als es den Plänen Gottes entspricht.
861 Unzulänglichkeiten und Fehltritte begleiten dich ständig, und sie tun weh! Gleichzeitig aber gehst du deinen Weg weiter, und dein Herz möchte vor Freude zerspringen…
Weil deine Niederlagen Grund sind für den Schmerz aus Liebe, können sie dir nicht mehr den Frieden rauben.
862 Wenn es einmal Nacht in deiner Seele wird und du fühlst, daß sie in ihrer Blindheit vor Unruhe zittert – dann schrei wie der blinde Bartimäus nach dem Licht. Rufe immer weiter, immer lauter: "Domine, ut videam !" – Herr, laß mich sehen!
Es wird wieder Tag vor deinen Augen werden, und du wirst dich des strahlenden Lichtes erfreuen, das Gott dir zurückschenkt.
863 Bekämpfe die harten Kanten deines Charakters, die Äußerungen der Eigenliebe und Bequemlichkeit, deinen Widerwillen gegen dies und das und jenes… Vergiß nicht, wir müssen am Werk der Erlösung mitwirken, und die Ernte, die du einbringen wirst, entspricht deiner Aussaat – hier und heute.
864 Die Sendung des Christen: das Böse im Überfluß des Guten ersticken! Es genügt weder, nur die Übel anzuprangern, noch, sich hinter einem Wall von Negationen zu verschanzen. – Vielmehr lebt der Christ aus dem Ja zum Wahren und Rechten, weil jugendliche Zuversicht, Freude und Frieden ihn prägen. Er will allen mit Verständnis begegnen: denen, die Christus nachfolgen, denen, die Ihn verlassen haben, und denen, die Ihn noch nicht kennen.
Freilich bedeutet Verstehen weder Kapitulation noch Indifferenz, sondern Tätigwerden.
865 Aus christlicher Liebe und aus natürlichem Taktgefühl mußt du zu vermeiden suchen, daß zwischen dir und einem andern eine Kluft entsteht. Laß ihm immer eine Tür offen, damit er sich nicht noch weiter von der Wahrheit entfernt.
866 Gewalt ist kein geeignetes Mittel, um jemanden zu überzeugen. Und schon gar nicht, wenn es um apostolisches Wirken geht.
867 Der Rücksichtslose ist letztlich immer der Verlierer – auch wenn er die erste Schlacht gewinnt. Am Ende wartet auf ihn die Vereinsamung hinter den Mauern seiner Verständnislosigkeit für die Mitmenschen.
868 Es gehört zur Taktik des Tyrannen, die Zwietracht unter denen zu fördern, die vereint ihn stürzen könnten.
Auch der Teufel und seine Helfer gebrauchen diese alte List, wenn sie apostolische Initiativen zunichte machen wollen.
869 Wer Gegner auch dort sieht, wo es nur Brüder gibt, der verleugnet sein Christsein.
870 Mit aggressiver Polemik, die darauf abzielt, den anderen zu demütigen, lassen sich nur selten Probleme lösen. Ist unter den Diskussionspartnern dazu noch ein Fanatiker, dann wird niemals eine Klärung erreicht.
871 Deinen Ärger und deine Enttäuschung kann ich mir unschwer erklären. Sie haben dir mit deiner eigenen Münze heimgezahlt; es hat ihnen Spaß gemacht, dich mit Worten und Taten zu beleidigen.
Nimm die Lektion an… und vergiß künftig nicht, daß auch die Menschen deiner Umgebung aus Fleisch und Blut sind und – ein Herz haben!
872 Damit dir der innere Frieden nicht verloren ginge, sagte ich dir damals, als eine harte und ungerechte Hetzjagd veranstaltet wurde: "Und wenn sie uns den Kopf abreißen – wir werden auch keine Tragödie daraus machen, sondern uns damit abfinden, ihn von nun an unter dem Arm zu tragen."
873 Es erscheint geradezu paradox: Ich habe mich dazu entschlossen, dem Rat des Psalmisten zu folgen: "Wirf deine Sorge auf den Herrn, er hält dich aufrecht" – und seitdem nehmen die Sorgen in Kopf und Herz ständig ab… Außerdem merke ich, daß schon die normale Arbeit genügt, um fast alle Probleme zu lösen, und zwar mit einer größeren Klarheit als je zuvor!
874 Unsere Liebe Frau ist die Königin des Friedens. Mit diesem Namen preist die Kirche sie. Ist deine Seele aufgewühlt, droht Kummer in Familie oder Beruf, kündigt sich Unheil an in der Gesellschaft oder unter den Völkern, dann bete zu ihr: "Regina pacis, ora pro nobis!" – Königin des Friedens, bitte für uns! Hast du das – zumindest in Zeiten innerer Unruhe – schon versucht?… Du wirst staunend ihre sofortige Hilfe erfahren.
JENSEITS
875 Der wahre Christ ist immer bereit, vor Gott zu erscheinen. Denn wenn er sich bemüht, als Jünger Christi zu leben, dann ist er in jedem Augenblick darauf vorbereitet, seine Pflicht zu erfüllen.
876 Im Angesicht des Todes – heiter, gelassen… So möchte ich dich sehen. Nicht mit der stoischen Kälte eines Heiden, sondern mit der Sicherheit des Gotteskindes, das in seinem Herzen weiß: sein Leben wird verwandelt, nicht genommen…
Sterben? Nein: Leben!
877 Er war Doktor der Jurisprudenz und der Philosophie und stand im Begriff, einen Lehrstuhl an der Universität von Madrid zu erhalten. Nach einem glanzvollen Studienabschluß winkte eine glanzvolle Laufbahn.
Er ließ mir mitteilen, daß er krank sei und mich sehen möchte. Als ich zu der Pension kam, wo er wohnte, begrüßte er mich mit den Worten: "Vater, ich sterbe". Liebevoll machte ich ihm Mut. Er legte eine Lebensbeichte ab. In derselben Nacht starb er.
Ein Architekt und ein Arzt halfen mir, den Leichnam herzurichten. – Wir standen vor einem jugendlichen Leib, der schon zu verwesen begann. Und wir drei waren uns darin einig: der Glanz einer Laufbahn mit zwei abgeschlossenen Hochschulstudien war ein Nichts, gemessen an der anderen, der entscheidenden Laufbahn, die er als guter Christ vollendet hatte.
878 Alles läßt sich zurechtrücken, nur der Tod nicht… er rückt schließlich alles zurecht.
879 Der Tod wird kommen, unerbittlich. Deshalb ist es leerer Wahn, unsere Existenz ausschließlich mit diesem irdischen Leben gleichzusetzen. Sieh doch, wie sehr viele Menschen darunter leiden: die einen, weil das Leben zu Ende geht und sie es hinter sich lassen müssen, die anderen, weil es nicht enden will und ihnen zur Last wird… Auf jeden Fall ist es abwegig, aus unserem Lebensweg das Lebensziel zu machen.
Man muß die Fesseln einer solchen, rein innerweltlichen Betrachtungsweise sprengen und sich der kurzen Dauer der eigenen Existenz bewußt werden. Dazu bedarf es eines radikalen inneren Umschwungs: Sich vom eigenen Ich und von allen zeitlichen, egoistischen Motivationen ganz und gar loslösen und in Christus, der ewig ist, neu geboren werden.
880 Fürchte dich trotz deiner Sünden nicht, wenn du an den Tod denkst… Denn Er weiß ja, daß du Ihn liebst. Und ebenso weiß Er, aus welchem Stoff du gemacht bist…
Wenn du den Herrn suchst, wird Er dich so empfangen, wie der Vater den verlorenen Sohn empfing – aber suchen mußt du Ihn!
881 "Non habemus hic manentem civitatem" – Wir haben hier auf Erden keine bleibende Stätte. – Damit wir das nicht vergessen, zeigt sich diese Wahrheit in der Todesstunde manchmal mit aller Härte: in Form von Unverständnis, Verfolgung, Verachtung… Und am Ende immer jene letzte Einsamkeit… Denn selbst wenn die Liebe vieler Menschen den Scheidenden umgibt – jeder stirbt allein.
Lösen wir schon jetzt die Ankertaue! Treffen wir beharrlich unsere Vorbereitungen für den großen endgültigen Aufbruch – hin zur ewigen Anschauung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.
882 Die Zeit ist unser Kapital: mit seinem Ertrag "kaufen" wir die Ewigkeit…
883 Du hast Trost gefunden in der Erkenntnis, daß leben bedeutet, sich zu verschenken, sich im Dienste Gottes zu verzehren. Wenn wir uns vollständig für Ihn verausgaben, wird der Tod als der Befreier kommen, der uns in das Leben, unser ewiges Erbe, hinübergeleiten wird.
884 Unser priesterlicher Freund verrichtete seinen Dienst immer vor dem Angesicht Gottes. Seine väterliche Hand hielt er fest und begriff sich selbst als einen Gehilfen des Herrn, um die ihm geschenkten fundamentalen Einsichten weiterzugeben… Und er sagte sich: Wenn ich einmal sterbe, wird alles genauso gut weitergehen wie jetzt – dafür sorgt der Herr.
885 Mach aus dem Tod kein Trauerspiel! Das ist er nämlich nicht. Nur herzlose Kinder freuen sich nicht auf die Begegnung mit ihren Eltern.
886 Auf dieser Erde ist ja alles nur wie eine Handvoll Staub. Versuche dir einmal die Millionen Verstorbener vor Augen zu führen, die irgendwann einmal "wichtige Persönlichkeiten" waren und deren sich niemand mehr erinnert…
887 Darin besteht die große Revolution des Christentums: den Schmerz zu verwandeln in ein Leiden, das Frucht bringt, das Böse zu verwandeln in Gutes . . Damit haben wir dem Teufel die stärkste Waffe entwunden – und mit ihr erobern wir die Ewigkeit.
888 Schrecklich wird das Gericht für diejenigen sein, die den Weg zu Gott genau gekannt, andere darüber belehrt und sie aufgefordert haben, ihn zu gehen, ihn selber aber nicht gegangen sind.
Gott wird sie nach ihren eigenen Worten richten und verurteilen.
889 Das Fegefeuer bezeugt die Barmherzigkeit Gottes. Es reinigt die Seelen, die sich nach Gott sehnen, von ihren verbliebenen Schlacken.
890 Tod und Gericht sind die Folgen der Sünde. Aber allein die Hölle ist die Strafe für die unbereute Sünde. Wer in der Gnade Gottes lebt, hat nichts zu fürchten.
891 Wenn dich einmal der Gedanke an unseren Bruder Tod ängstigt – weil du dich ja in deiner wahren Erbärmlichkeit siehst! – , fasse Mut und denke an den Himmel, der uns erwartet: Wie wird es sein, wenn sich in das elende, brüchige Gefäß, das jedes menschliche Geschöpf ist, die ganze Herrlichkeit und Pracht, die Seligkeit und Liebe des unendlichen Gottes ergießt, wenn uns das vollkommene Glück ewig erfüllt?
892 Wird ein rechtschaffener Mensch mit der bitteren Ungerechtigkeit des irdischen Lebens konfrontiert, dann freut er sich, wenn er an die ewige Gerechtigkeit Gottes denkt!
Obwohl er sein eigenes Elend kennt, ruft er wie Paulus – voller Sehnsucht, der Wunsch möge Wirklichkeit werden – : "Non vivo ego", nicht ich lebe, hier und jetzt, sondern Christus lebt in mir. Und sein Leben ist ewiges Leben.
893 Wie ruhig kann sterben, wer immerfort und bis zum letzten Atemzug Gott hingegeben gelebt hat… Glaub mir, ich habe oft die Freude von Menschen gesehen, die sich viele Jahre lang in "gelassener Ungeduld" für diese ersehnte Begegnung bereit gemacht haben.
894 Bitte den Herrn darum, daß keiner von uns vor Ihm versagt. Das wird gar nicht so schwer sein, wenn wir uns nur nicht wie Dummköpfe aufführen. Denn Gott, unser Vater, hilft uns immer und in allem –und nicht zuletzt dadurch, daß Er unsere Verbannung auf Erden zeitlich begrenzt.
895 Der Gedanke an den Tod wird dir helfen, deinen Nächsten mehr zu lieben, denn deine Begegnung mit diesem oder jenem Menschen kann die letzte sein – er oder sie, du oder ich können jeden Augenblick abberufen werden.
896 Ein Freund, den es sehr nach Gott verlangte, meinte: Ein Glück, daß wir Menschen nicht ewig leben!
897 Als ich davon hörte, wurde ich nachdenklich: Jedes Jahr sterben einundfünfzig Millionen Menschen, jede Minute siebenundneunzig. Der Meister hat einst von dem Fischer gesprochen, der das Netz auswirft, und vom Reich Gottes, das gleich einem Netz ist… Aus ihm werden die guten Fische herausgelesen und die schlechten, die nicht taugen, weggeworfen… weggeworfen für immer! Und diese Auslese geschieht an einundfünzig Millionen Menschen in jedem Jahr, an siebenundneunzig in jeder Minute… Sag das auch den anderen weiter!
898 Unsere Mutter ist mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden. Sag ihr immer wieder, daß wir, ihre Kinder, nicht von ihr getrennt sein möchten… Sie wird dich erhören!
DIE ZUNGE
899 Apostolisch zu wirken ist ohne die "Sprachengabe", das heißt ohne die Fähigkeit, das Wort Gottes anderen Menschen zu vermitteln, absolut unmöglich. Deshalb bitte ich Gott, unseren Herrn, täglich darum, Er möge sie jedem einzelnen seiner Kinder schenken.
900 Lerne "nein" zu sagen, ohne dabei unnötig zu verletzen oder durch schroffe Formulierungen die Nächstenliebe zu trüben.
Denke daran, daß du ständig vor Gottes Angesicht stehst!
901 Es ärgert dich, daß ich in immer gleicher Weise immer die gleichen wesentlichen Dinge ins Licht rücke? Daß ich dabei keine Rücksicht nehme auf die Modetrends der öffentlichen Meinung? Versteh doch: auch die Definition einer Geraden ist durch die Jahrhunderte immer die gleiche geblieben, weil sie in ihrer Klarheit und Knappheit unübertrefflich ist. Jede andere Definition wäre weniger einleuchtend und zudem komplizierter.
902 Mache es dir zur Gewohnheit, stets taktvoll über Dinge und Menschen zu sprechen, und ganz besonders dann, wenn diese Menschen im Dienste Gottes arbeiten. Wo das nicht möglich ist – schweige! Denn auch schroffe und allzu ungehemmte Bemerkungen grenzen bisweilen an üble Nachrede oder Diffamierung.
903 Ein junger Mann, der gerade seine innerste Hingabe an Gott besiegelt hatte, sagte: "Und was ich jetzt brauche, ist: weniger Worte machen, Kranke besuchen und auf dem Fußboden schlafen."
Schreib es dir hinter die Ohren!
904 Über einen Priester Jesu Christi soll man nur sprechen, wenn man Gutes über ihn zu sagen weiß.
Von ganzem Herzen wünsche ich, daß meine Brüder und ich dies beherzigen und uns im Alltag entsprechend verhalten.
905 Die Lüge hat viele Gesichter: dunkle Andeutungen, Halbwahrheiten, Klatschereien… – Aber immer ist sie die Waffe der Feiglinge.
906 Es ist wirklich nicht gut, wie du dich von einer einzelnen Unterredung – mal von der ersten, mal von der letzten – beeinflussen läßt!
Höre höflich und aufmerksam zu, nimm deinen Gesprächspartner ernst – aber dann bilde dir deine eigene Meinung in der Gegenwart Gottes.
907 Zuerst wird über jemanden hergezogen; dann wird einer losgeschickt, der dir sogleich en passant berichtet, was "man sagt". – Eine Gemeinheit? – Zweifellos. Aber verliere trotzdem dein inneres Gleichgewicht nicht, denn die bösen Zungen werden dir keinen Schaden zufügen können, wenn du lauter und rechtschaffen arbeitest. – Du mußt die Sache so sehen: als Dummheit, als Taktlosigkeit, als Mangel an Loyalität gegenüber den Mitmenschen… ganz besonders aber gegenüber Gott!
Und laß dich nicht dazu hinreißen, in mißverstandener Abwehrhaltung auch deinerseits über sie herzuziehen! Wenn etwas zu sagen ist, dann gemäß dem Rat des Evangeliums: als brüderliche Zurechtweisung.
908 Laß dich durch diese Widerwärtigkeiten und Schwätzereien nicht aus dem Tritt bringen. Gewiß, wir dienen einem gottgewollten Werk, aber wir sind eben Menschen… Und es ist nur normal, daß wir beim Gehen Staub aufwirbeln.
Ist da etwas, das dich ärgert oder verletzt… nimm es als willkommene Gelegenheit, um dich zu läutern und – falls nötig – zu korrigieren.
909 Ein gelegentliches unzufriedenes Herumnörgeln, sagt man, sei durchaus menschlich… Darauf antworte ich: Wir sollten aber ganz auf Gott hin ausgerichtet leben.
Das böse oder auch nur leichtfertige Wort eines einzigen Menschen kann "Meinung machen" und sogar die üble Nachrede über jemanden zur Gewohnheit werden lassen… Die Klatscherei, erst nur ein Wölkchen, steigt immer höher auf und wächst und verdichtet sich schließlich vielleicht zu einer schwarzen Wolkenwand.
Und dennoch: Wenn der Angefeindete ein von Gott erfüllter Mensch ist, lösen sich die Wolken am Ende immer in fruchtbaren Regen auf – geschehe, was wolle. Der Herr erhöht den Verleumdeten gerade durch das, wodurch man ihn demütigen und diffamieren wollte.
910 Du mochtest es zuerst gar nicht glauben – aber schließlich mußtest du, so weh es dir tat, erkennen: Was du einfach und klar als aufrechter katholischer Christ gesagt hattest, wurde von den Feinden des Glaubens boshaft verdreht…
Du siehst, wir sollen zwar "arglos wie die Tauben", aber gleichzeitig auch "klug wie die Schlangen" sein. Rede also nicht zur Unzeit oder am falschen Ort.
911 Weil du dir das anständige Verhalten jenes Menschen nicht zum Vorbild nehmen kannst oder magst, treibt dich der versteckte Neid dazu, ihn lächerlich zu machen.
912 Die Verleumdung ist eine Tochter des Neides, und der Neid ist eine Kompensation der Unfruchtbarkeit.
Wenn es dir einmal so scheint, als trügen deine Bemühungen keine Frucht, dann prüfe zuerst, um was es dir im Grunde geht. Wenn du gut arbeitest und dich nicht daran störst, daß auch andere das tun, und zwar mit sichtbarem Erfolg, so wisse: die Vergeblichkeit deines Mühens ist nur scheinbar. Zur gegebenen Zeit wirst du die Ernte einbringen.
913 Manche Leute scheinen sich für beschäftigungslos zu halten, wenn sie keine Gelegenheit finden, ihre Mitmenschen zu schädigen oder zu quälen.
914 Manchmal denke ich, diese Zwischenträger und Brunnenvergifter sind wie kleine Besessene! Denn der Teufel schleicht sich immer ein auf dem Wege über bösartige Kritik an Gott oder an denen, die Ihm in Liebe gehorchen und folgen.
915 "Dummes Zeug!" sagst du abfällig. Bist du denn darüber unterrichtet, was sie tun? Nein? – Wieso redest du dann ohne Kenntnis so daher?
916 Antworte dem üblen Schwätzer: Gut, ich werde über das, was Sie mir gesagt haben, mit dem Betreffenden reden.
917 Ein zeitgenössischer Autor schreibt: "Der Klatsch über andere ist immer unmenschlich; er entlarvt die Mittelmäßigkeit des eigenen Wesens; er ist ein Zeichen von schlechter Erziehung; er beweist Mangel an Format; er ist eines Christen unwürdig."
918 Enthalte dich der lamentierenden, der perspektivlos-zersetzenden und der boshaften Einwürfe… Meide strikt alles, was unter deinen Brüdern Zwietracht säen könnte.
919 Du bekleidest ein hohes Amt. Es wäre unklug von dir, das Schweigen deiner Untergebenen als Zeichen der Zustimmung zu deuten. Mache dir vielmehr klar: Du läßt es ja nicht zu, daß sie ihre Anregungen vorbringen, und kommt es doch einmal dazu, so bist du verstimmt.
Du mußt dich in diesem Punkt korrigieren!
920 Deine Reaktion auf persönliche Verleumdungen: die erste und wichtigste heißt vergeben, alles verzeihen, vom ersten Augenblick an und aus ganzem Herzen. – Dann: Lieben – dich keines Verstoßes gegen die Nächstenliebe schuldig machen… Was und wie du auch immer erwiderst: es muß in Liebe geschehen.
Wenn jedoch die Angriffe sich gegen deine Mutter, die Kirche, richten, dann verteidige sie mutig, mit Ruhe, aber auch mit Festigkeit und Nachdruck. Widersetze dich dem Versuch, den Weg der Seelen, die persönlich erlittenes Unrecht mit Verzeihen und Lieben beantworten wollen, zu beschmutzen und zu behindern.
921 Er hatte das hinterhältige Geschwätz der Leute satt und meinte: Auch im kleinsten Dorf sollte es wie in einer Großstadt zugehen…
Der Ärmste wußte nicht, daß es da überhaupt keinen Unterschied zwischen Dorf und Stadt gibt…
Aus Liebe zu Gott und den Menschen darfst du nie in einen so "provinziellen", kleingeistigen Fehler verfallen, der ganz und gar unchristlich ist. – Von den ersten Jüngern Christi sagte man: Seht, wie sie einander lieben! Kann man das auch von dir und von mir sagen? Und zu jeder Zeit?
922 Die Herabsetzung apostolischer Unternehmungen erfolgt im allgemeinen nach zwei unterschiedlichen Mustern: Entweder wird die apostolische Arbeit als eine ungemein komplizierte "Struktur" dargestellt oder aber als eine bequeme und angenehme Freizeitbeschäftigung.
Im Grunde ist solche "Objektivität" auf nichts anderes als Beschränktheit und verengten Horizont zurückzuführen. Geschwafel und leeres Getue sollen diesen Sachverhalt tarnen. – Laß dich nicht aus der Ruhe bringen und frage: "Was machen Sie selbst eigentlich?"
923 Was die Gebote deines Glaubens angeht, so kannst du nicht immer Sympathie für sie erreichen – wohl aber mußt du Respekt vor ihnen verlangen.
924 Die gleichen Leute, die über deinen Freund herzogen, weil er Gott dienen will, werden auch dich nicht damit verschonen, wenn du dich erst einmal dazu entschlossen hast, umzukehren und besser zu werden.
925 Manche Kommentare können nur die verletzen, die sich von ihnen persönlich betroffen fühlen. Wenn man sich mit Herz und Hirn der Nachfolge Christi verschrieben hat, dann wird die Schmähung durch andere zum Mittel der Läuterung: erst recht und noch stärker angefeuert setzt man den Weg fort.
926 Die Allerheiligste Dreifaltigkeit hat unsere Mutter als Königin gekrönt. Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist werden Rechenschaft von uns verlangen für jedes unnütz gesprochene Wort. Wir wollen deshalb Unsere Liebe Frau bitten, daß sie uns lehren möge, stets im Bewußtsein der Gegenwart Gottes zu sprechen.
VERBREITUNG DES GLAUBENS
927 Sei überzeugt: Dein Apostolat besteht darin, Güte und Licht und Begeisterung auszustrahlen, mit deiner Großzügigkeit und Opferbereitschaft, mit deinem Fleiß und deiner Gewissenhaftigkeit andere anzustecken, durch das Beispiel eines grenzenlos hingegebenen Herzens, durch Weltkenntnis und ehrlichen, freudigen Gehorsam gegenüber der Kirche Beispiel zu geben.
Aber: keiner gibt, was er nicht hat…
928 Du bist noch jung und stehst erst am Anfang deines Weges. Höre meinen Rat: Für Gott ist das Beste, das wir geben können, gerade gut genug; deshalb habe von Anfang an den festen Willen, später in deinem Beruf Erstklassiges zu leisten. Denn nur dann wirst du überzeugend wirken können.
929 Vergiß nicht: Je tiefer du überzeugt bist, desto leichter überzeugst du!
930 "Man zündet nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen".
Und als die Zeit seines Wirkens auf Erden vollendet ist, befiehlt der Herr: "Euntes docete" – geht hin und lehrt! Er will, daß sein Licht in den Taten und Worten seiner Junger aufleuchtet – auch in deinem Handeln, in deinem Reden…
931 Es ist sonderbar, wie oft viele Leute sich – im Namen der Freiheit! –davor fürchten und es zu verhindern suchen, daß die Katholiken ganz schlicht und einfach gute Katholiken sind!
932 Nimm dich in acht vor den Zeitgenossen, die Verleumdungen und Verdächtigungen ausstreuen. Die werden dann nämlich von den einen aus Oberflächlichkeit, von den anderen aus Bosheit aufgegriffen –und so wird das gute Zusammenleben zerstört und die öffentliche Meinung vergiftet.
In bestimmten Situationen verlangt die echte Nächstenliebe, derartigen Unrat kenntlich zu machen – und auch seine Produzenten… Denn sonst könnten diese oder ihre Helfer oder die Unrats-Konsumenten in ihrem verbildeten Gewissen den Schluß ziehen, daß Schweigen Eingeständnis bedeute…
933 Die Sektierer stimmen ein großes Geschrei an gegen unseren – wie sie es nennen – "Fanatismus", weil die Jahrhunderte dahingehen und unser Glaube unverändert bleibt.
Anders ist es mit dem Fanatismus der Sektierer selbst bestellt: da er keine Beziehung zur Wahrheit hat, kann er im Laufe der Geschichte immer neue und andere Gestalt annehmen – immer wieder erfindet er Popanze des Schreckens, um der Heiligen Kirche zu schaden, setzt leere Worthülsen in Umlauf, die sich beliebig füllen lassen. Man redet von "Freiheit" und legt sie in Ketten; von "Fortschritt" und meint den Rückfall in die Barbarei; von "Wissenschaft" und verbirgt dahinter die eigene Ignoranz… So gelangt jedesmal die alte verdorbene Ware in einer anderen, neuen Verpackung auf den Markt.
Möge also dein "Fanatismus" des Glaubens mit jedem Tage zunehmen – denn er ist es, der einzig und allein die eine und einzige Wahrheit verteidigt.
934 Erschrick nicht und staune nicht darüber, wie borniert manche Leute sind. Es wird niemals an Toren fehlen, die hinter ihrer vorgeblichen Bildung ihre eigentliche Ignoranz verbergen.
935 Es ist wahrhaftig ein Trauerspiel, wie Leute, die Christus hassen, und solche, die Ihm zu dienen vorgeben, Arm in Arm marschieren – zwar getrennt durch ihre unterschiedlichen Motivationen, aber einig in der Bekämpfung der Christen, der Kinder Gottes
936 In einigen – vornehmlich intellektuellen – Kreisen meint man bisweilen die Steuerung durch gewisse sektiererische Gruppen geradezu mit Händen greifen zu können. Immer geht es darum, die Kirche, bestimmte Personen oder Institutionen zu verdächtigen. Mit zynischer Beharrlichkeit und ganz unbekümmert um Wahrheit und Logik werden so Verleumdungen wachgehalten und weiterverbreitet. Manchmal beteiligen sich auch Katholiken daran.
Bete jeden Tag voller Glauben darum, "Ut inimicos" – denn so nennen sie sich selbst! –"Sanctae Ecclesiae humiliare digneris, te rogamus audi nos !" – Demütige Du, o Herr, die, die Dich verfolgen, mit der Klarheit Deines Lichtes, das auszubreiten wir entschlossen sind.
937 Der katholische Glaube sei veraltet und deshalb nicht mehr annehmbar… Noch älter ist die Sonne, und sie hat nicht verloren an Licht; noch urtümlicher ist das Wasser, und es stillt nach wie vor den Durst und erfrischt…
938 Selbst eine sogenannte "gute Absicht" rechtfertigt nicht die Verfälschung der Geschichte oder Wirklichkeit des Lebens. Aber es wäre verfehlte "Objektivität", die Feinde der Kirche, die ihr ganzes Leben ihrer Verfolgung gewidmet haben, auf ein Podest zu erheben.
Sei ganz sicher: Die historische Wahrheit nimmt keinen Schaden, wenn du dich als Christ nicht an der Errichtung solcher Podeste beteiligst. Wir brauchen sie nicht. Seit wann errichtet man dem Haß Denkmäler?
939 Christliches Apostolat hat es nicht nötig, Gräben aufzureißen oder Menschen, die die Wahrheit Christi nicht kennen, schlecht zu behandeln. Ein Verächter des Glaubens kann sich am Ende noch – von seinem Irrtum enttäuscht – ehrlich und von Herzen bekehren, wenn wir ihm gemäß dem Wort des Apostels begegnen: "Caritas omnia suffert" – die Liebe erträgt alles!
Ausgeschlossen aber bleibt, unter der Parole einer angeblichen "Weite des Denkens" in den wesentlichen Fragen des Glaubens selbst nachzugeben. Eine solche falsche Toleranz birgt die Gefahr, sich außerhalb der Kirche zu stellen. Statt anderen zu helfen, schadet man sich selbst.
940 Christentum ist immer nonkonformistisch; es paßt sich letztlich der Welt nicht an. Das ist sein "größter Nachteil" und das wichtigste Gegenargument derer, die von der Welt "besessen" sind.
941 Manche Menschen wissen nur darum nichts von Gott, weil noch nie jemand in einer verständlichen Weise mit ihnen darüber gesprochen hat.
942 Wo du mit rein rationalem Denken nicht weiterkommst, da erbitte die "heilige Pfiffigkeit", um deinen Mitmenschen mehr und wirksam dienen zu können.
943 Glaub mir: Das Apostolat, die Katechese – sie müssen, gleich den Blutgefäßen des menschlichen Körpers, in alle Bereiche der Gesellschaft hinein verzweigt sein. Jeder einzelne soll erreicht werden.
Uns, die wir Christus dienen wollen, interessieren alle Menschen, weil jeder einzelne uns interessiert!
944 Stell dich unter den Schutz Unserer Lieben Frau, der Mutter des guten Rates, damit aus deinem Mund niemals ein Wort kommt, das Gott beleidigt.
VERANTWORTUNG
945 Wenn wir Christen wirklich nach unserem Glauben lebten, käme es zu der umwälzendsten Revolution aller Zeiten… Jeder einzelne von uns hat am Werk der Erlösung mitzuwirken.
Denke darüber nach.
946 Was Verantwortung wirklich bedeutet, wird dir erst aufgehen, wenn du begreifst, daß du vor Gottes Angesicht nur Pflichten hast. Der Herr sorgt schon dafür, daß du auch Rechte bekommst!
947 Würde es dir doch zur zweiten Natur, dich jeden Tag mit einer solchen die anderen zu kümmern, daß du darüber deine eigene Existenz vergißt!
948 In schwierigen Situationen kann dir folgender Gedanke helfen: Je mehr meine Treue wächst, desto mehr trage ich dazu bei, daß auch andere in ihrer Treue wachsen. Wie wohltuend ist es zu spüren, daß wir uns gegenseitig stützen!
949 Bleib mir nicht bei der "Theorie" stehen! Unser tägliches Leben muß die herrlichen Ideale, die uns erfüllen, umsetzen in mutig gestaltete und fruchtbare Alltagsrealität.
950 In der Tat: das Alte verdient unseren Respekt, das Überkommene unsere Dankbarkeit. Wir haben daraus zu lernen und müssen die Erfahrungen beherzigen. Aber wir dürfen nicht übertreiben, alles zu seiner Zeit. Kleiden wir uns etwa noch wie unsere Großeltern? Tragen wir noch die gepuderte Perücke vergangener Jahrhunderte?
951 Sei nicht ungehalten wegen dieser oder jener Dummheit eines anderen. Denn oft rührt ein Mangel an verantwortlichem Verhalten nicht so sehr aus einem Mangel an gutem Geist her, als vielmehr aus Gedankenlosigkeit und noch ungenügender Bildung.
Solche Mängel müssen nach und nach behoben werden. Das erlegt den Lehrern und Leitern eine nur um so größere Verantwortung auf!
Wenn du eine solche Aufgabe hast, wirst du dich daher immer wieder prüfen müssen.
952 Du läufst große Gefahr, dich mit der Einstellung eines "braven Jungen"
zufriedenzugeben oder mit dem Ziel, ein ordentliches, problemloses Zuhause zu haben, in dem nur die "Gemütlichkeit" regiert…
Diese Vorstellung aber ist ein Zerrbild vom Leben im Haus zu Nazareth. Christus, der das Glück und die innere Ordnung in sich trug, zog aus, um die Menschen aller Zeiten an seinem Reichtum teilhaben zu lassen.
953 Dein sehnlicher Wunsch, die ganze Menschheit möge Christus wirklich erkennen, scheint mir nur natürlich. Fang du selbst aber damit an, deine Verantwortung zu spüren für das Heil der Menschen, mit denen du zusammenlebst, für die Heiligung deiner Berufskollegen oder deiner Kommilitonen…
Das ist der allem anderen vorausgehende Auftrag, den der Herr dir anvertraut hat.
954 Benimm dich so, als ob die Atmosphäre an deinem Arbeitsplatz von dir allein abhinge. Es soll eine Atmosphäre der Arbeitsamkeit und der Freude sein, geprägt vom Bewußtsein der Gegenwart Gottes und von der Sicht des Glaubens.
Ich verstehe deine Schlaffheit nicht. Da stößt du auf eine Gruppe von Kameraden, die im Umgang etwas schwieriger sind – vielleicht kommt es auch daher, daß du dich längere Zeit nicht um sie gekümmert hast – , gleich gehst du ihnen aus dem Weg, drückst dich und hältst sie für nichts weiter als Ballast; sie scheinen deinem Apostolat hinderlich, weil unfähig, dich zu verstehen.
Aber wie sollen sie auf dich hören, wenn du für sie weder betest noch Opfer bringst, ja nicht einmal das Gespräch mit ihnen suchst?
Wie viele Überraschungen wirst du erleben, wenn du dich einmal dazu entschließt, mit dem – und dem – und diesem dritten ernsthaft Kontakt zu pflegen! Außerdem: Wenn du deine gegenwärtige Einstellung nicht änderst, werden sie allen Grund haben, einst mit dem Finger auf dich zu weisen und zu sagen: "Hominem non habeo !" – ich finde keinen Menschen, der mir hilft!
955 Hör gut zu: Heilige Dinge, die man jeden Tag heiligmäßig erfüllt, werden nicht zu "alltäglichen und gewöhnlichen" Angelegenheiten. Das ganze Tun Jesu Christi auf Erden war menschlich-alltäglich – und gleichzeitig göttlich!
956 Du magst dich nicht damit abfinden, sagst du, einen konventionellen Allerweltsglauben wie so viele andere Menschen zu haben…
In der Tat: Dein Glaube muß ein persönlicher Glaube sein. Und das bedeutet: ein verantwortungsbewußter Glaube!
957 Die Allerheiligste Dreifaltigkeit gewährt dir Ihre Gnade, damit du sie im Bewußtsein und in Ausübung deiner Verantwortung fruchtbar werden läßt: Das Geschenk ist so groß, daß du nicht – weil auf deine Bequemlichkeit bedacht – gemächlich und faul dahertrotten kannst… Und außerdem: viele Seelen warten auf dich!
958 Da dich jetzt diese große Sorge beschäftigt, ein Fingerzeig: Wenn die Fragestellung in sich richtig ist, das heißt, wenn sie ruhig und verantwortungsvoll aufgeworfen und im Angesicht Gottes erwogen wird, dann findet sich immer auch die Lösung.
959 Wenn eine zärtliche Mutter ihr Kind in die Arme nimmt, legt sie vorher alles weg, was es verletzen könnte, etwa eine Stecknadel. In der Zuwendung zu einer Seele müssen wir genauso zart sein… nötigenfalls freilich auch sehr entschieden.
960 "Custos, quid de nocte!" – Wächter, wie lange noch dauert die Nacht… : Wache halten!
Es wäre gut, wenn du dich daran gewöhntest, im Verlauf der Woche auch eine Art "Wachetag" zu halten: einen Tag, an dem du dir deiner Hingabe an Gott bewußter wirst, aufmerksamer kleine Erweise der Liebe übst, das Gebet und das Opfer ein wenig verstärkst.
Halte dir vor Augen, daß die Heilige Kirche einem großen Heer gleicht, welches in Schlachtordnung aufgestellt ist. Und du gehörst zu ihm, und in deinem "Frontabschnitt" toben Angriffsschlachten und Abwehrkämpfe. Verstehst du? Dieses Bereitsein wird dich Gott immer näher bringen und deinen Willen stärken, jeden Tag in einen wirklichen "Wachetag" zu verwandeln.
961 Sozusagen als die "Kehrseite" einer verlorengegangenen Berufung oder einer Ablehnung der ständig erneuerten, gnadenhaften Einladung des Herrn müssen wir seinen heiligen Willen sehen, der all dies zuläßt. – Gewiß. Doch wenn wir aufrichtig sind, erkennen wir, daß uns das weder von der eigenen Verantwortung befreit noch einen "mildernden Umstand" darstellt; denn auf der "Vorderseite" des Geschehens gewahren wir die persönliche Nichterfüllung des göttlichen Willens, der uns hat in Dienst nehmen wollen und dem wir nicht entsprochen haben.
962 Wenn du dein Vaterland liebst – und ich bin sicher, daß du es liebst –, wirst du nicht zögern, dich bei drohender Gefahr als Freiwilliger zu seiner Verteidigung zu melden. In der Stunde der Not – schon einmal sagte ich es – werden alle gebraucht; Männer und Frauen, hochbetagte, solche in den besten Jahren, junge, sogar jugendliche. Nur die durch Krankheit oder Gebrechen Untauglichen und die Kinder sind ausgenommen.
Was jeden Tag geschieht, ist weit mehr als nur ein Aufruf an einige Freiwillige, es ist eine Generalmobilmachung, um das Königreich Jesu Christi zu verteidigen. Jesus selbst, der König, hat dich ausdrücklich beim Namen gerufen. Er erbittet von dir, daß du die Schlachten Gottes kämpfst und dabei deine ganze Seele – Herz, Wille, Verstand – , dein ganzes Sein einbringst. Hör nun gut zu: Wenn du ein reines Leben führst und dich unter den besonderen Schutz der Muttergottes stellst, ist die Versuchung des Fleisches kein Problem. – Oder möchtest du wirklich eine Art Krankheit simulieren – mit den Symptomen Herz-, Willens- oder Geistesschwäche –, um dich feige jener Mobilmachung zu entziehen? Ziehst du es wirklich vor, dich "krankschreiben" zu lassen, um dich dann mit irgendwelchen Hilfsdiensten zu begnügen? Der Herr will dich als seinen Kämpfer in der vordersten Linie! Und du bist es ja schon! Wenn du dich jetzt davonmachst – als ein Verräter! – wie trostlos…
963 Ja, wenn deine Zeit, wie die Redensart sagt, nur "Geld" wäre, dann mag es ja noch angehen, sie zu vergeuden. – Aber die Zeit ist mehr, sie ist Leben! Und du weißt nicht, wieviel dir noch davon verbleibt.
964 Der Herr bekehrt Petrus, der ihn dreimal verleugnet hatte: kein tadelndes Wort, nur ein Blick der Liebe…
Diesen selben Blick richtet Christus auch auf uns, wenn wir einmal zu Fall gekommen sind. Hoffentlich können auch wir dann wie Petrus sagen: "Herr, du weißt alles, du weißt auch, daß ich dich liebe… " und unser Leben ändern.
965 Man müsse, so wird bisweilen argumentiert, im Namen der Nächstenliebe Wohlwollen und Verständnis gegenüber Menschen zeigen, die ihre Mitmenschen rücksichtslos mißhandeln.
Ich bitte Gott, daß sich hinter solchem Wohlwollen und Verständnis nicht Menschenfurcht, Bequemlichkeit und Indifferenz gegenüber dem Bösen, das andere tun, verstecken. Denn dann wäre dieses Wohlwollen, dieses Verständnis nichts weiter als Komplizenschaft bei der Beleidigung Gottes.
966 Es geht nicht an, einer Seele den Weg zur Bekehrung zu ebnen, in– dem man vielen anderen Seelen den Weg zur Verderbnis öffnet.
967 Läßt jemand zu, daß unter seinen Schafen auch Wölfe aufwachsen – dann kann er unschwer das Schicksal der Schafe erraten.
968 Wenn Menschen, die nach Intelligenz und christlichem Format nur Mittelmaß darstellen, ein hohes Amt übernehmen, umgeben sie sich mit Unfähigen. Ihre blinde Eitelkeit verleitet sie zu der falschen Annahme, auf diese Art könnten sie nie ihren Posten verlieren.
Im Gegensatz dazu rufen wirkliche Persönlichkeiten erstklassige Mitarbeiter in ihre Umgebung, welche nicht nur fachlich kompetent sind, sondern auch ein sauberes Leben führen. Sie bilden sie aus für künftige Leitungsaufgaben. Klugheit erliegt nicht – wie die Mittelmäßigkeit – selbstgefälliger Täuschung; in Demut erkennt sie, daß selber wächst, wer anderen zu wachsen hilft.
969 Es ist unklug, einen Menschen, dessen Fähigkeiten man nicht kennt, mit einer wichtigen leitenden Aufgabe zu betrauen, etwa nach dem Prinzip: Mal sehen, wie er das macht.
Entscheidungen, die das Gemeinwohl betreffen, kann man nicht so treffen, wie man in eine Wundertüte hineingreift…
970 Du stehst in der Verantwortung eines Amtes und orientierst dein Handeln allein an dem, was die Leute sagen? Das ist Dummheit! – An erster Stelle muß dir wichtig sein, was Gott zu deinem Handeln sagen wird, erst danach – und manchmal überhaupt nicht – bleibt die Meinung der anderen zu erwägen. Denn so spricht der Herr: "Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen. Wer mich aber vor den Menschen verleugnet, den werde auch ich vor meinem Vater im Himmel verleugnen."
971 Du bekleidest ein verantwortungsvolles Amt. Bei seiner Ausübung bedenke folgendes: Wenn deine Arbeitsweise allzu stark auf deine eigene Persönlichkeit zugeschnitten ist, machst du dich unentbehrlich. Fällt die Person einmal aus, so ist die Kontinuität der Arbeit dahin.
972 Ein wichtiger Grundsatz, um bei Leitungsaufgaben gute Arbeit zu leisten, besteht darin, daß man Verantwortung weit verteilt. Ich meine damit nicht, daß der Verantwortliche es sich bequem machen oder anonym bleiben soll, sondern daß er von jedem einzelnen Rechenschaft über dessen Auftrag verlangt und auf diese Weise selbst "Rechenschaft ablegen" kann – vor Gott und, wo angebracht, auch vor den Menschen.
973 Bei deiner Amtsführung achte darauf, niemals die Gerechtigkeit so sehr zu übertreiben, daß darüber die Nächstenliebe in Vergessenheit gerät.
974 Eine Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied.
975 Sage von einem Untergebenen nie: "Er taugt nicht."
Du bist es, der nicht taugt; denn du verstehst es nicht, ihn an den Platz zu stellen, wo er etwas zu leisten vermag.
976 Bekämpfe in dir das ehrgeizige Streben nach Ehren und Würden. Mach dir statt dessen die Möglichkeiten klar, die du hast, um gut zu arbeiten, ferner deine Verpflichtungen, und denke auch darüber nach, wie es um deine Wirksamkeit steht… Dann wirst du kein Verlangen nach Ämtern empfinden. Wird dir aber einmal ein Amt übertragen, so weißt du die Würde richtig einzuschätzen: als eine Bürde, die du im Dienst an den Menschen trägst.
977 In der Stunde der Schmach, unter dem Kreuz, ist Maria zur Stelle, ihrem Sohn nahe… bereit, sein Los zu teilen.
Überwinden wir die Angst davor, uns da, wo wir hingestellt sind, als verantwortliche Christen zu bekennen. Das mag unbequem sein – aber die Gottesmutter wird uns helfen.
BUSSE
978 Es ist absolut notwendig, unserem Herrn Jesus Christus ganz nahe zu folgen. Er will es so – und es gibt keinen anderen Weg…
Diese Nachfolge ist ein Werk des Heiligen Geistes in uns, in der Seele eines jeden, auch in der deinen: Sei darum fügsam, errichte keine Barrikaden gegen Gott, laß es zu, daß Er aus dir, in all deiner Armseligkeit, einen Gekreuzigten macht.
979 Man wird schließlich des Wortes "Liebe" überdrüssig, wenn es einer immer nur im Munde führt, nie aber durch sein Tun und durch kleine Opfer glaubwürdig werden läßt.
980 In jeder Hinsicht ist die Abtötung von größter Bedeutung.
Einmal aus rein natürlichen, menschlichen Gründen. Wer zur Beherrschung seiner selbst unfähig ist, wird niemals einen guten Einfluß auf andere ausüben können. Er wird jeder Verführung von außen erliegen, wenn sie nur seinen subjektiven Neigungen schmeichelt. Er wird zu einem energielosen Menschen, unfähig, sich, wenn es not tut, zu einer großen Anstrengung aufzuraffen.
Dann aus übernatürlichen, dem Glauben entstammenden Gründen. Erscheint es dir denn nicht als recht und billig, Ihm, der aus Liebe zu uns alles hingegeben hat, durch kleine Akte der Buße und Entsagung unsere Liebe und Ehrfurcht zu zeigen?
981 Der Geist der Abtötung entsteht eher als eine Folge, denn als eine Äußerung der Liebe. Entziehst du dich diesen kleinen Opfern, dann – gib es nur zu! – hat deine Liebe zu dem, der die LIEBE ist, nachgelassen.
982 Hast du noch nicht bemerkt, daß Menschen, die den christlichen Geist der Aszese verwirklichen, dank ihrer einfachen Lebensführung alles, was gut ist – auch die rein irdischen Annehmlichkeiten – mit mehr Freude genießen als andere?
983 Ohne den Geist des Opfers, der Abtötung, ist auf Erden kein Glück möglich.
984 Wenn du dich einmal dazu entschlossen hast, aszetisch zu leben, wird deine innere, deine geistliche Welt reicher und dein Wirken fruchtbarer werden.
985 Eins dürfen wir nicht vergessen in allen menschlichen Unternehmungen muß es Männer und Frauen geben, die in ihrem Leben und in ihren Werken das Kreuz Christi aufrichten – alles überragend, sichtbar und heilend. Als Wahrzeichen des Friedens und der Freude, als Unterpfand der Erlösung, der Einheit des Menschengeschlechts und der Liebe, die Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist, die Allerheiligste Dreifaltigkeit der Menschheit geschenkt hat und immerfort neu schenkt.
986 "Lachen Sie mich nicht aus, Vater… Vor einigen Tagen ertappte ich mich dabei, wie ich ganz spontan dem Herrn ein Opfer darbrachte – und zwar in Gestalt der Zeit, die ich aufbringen mußte, um ein entzweigegangenes Spielzeug meiner Kinder zu reparieren…"
Nein, ich finde es nicht zum Lachen, ich finde es herrlich! Und ich denke außerdem daran, daß Gott in seiner Liebe auch unsere Brüche und Risse heilt.
987 Sei ein Büßer, aber weder gefühllos noch verbittert. – Sei innerlich gesammelt, aber nicht schüchtern.
988 Ein Tag ohne Abtötung ist ein verlorener Tag. Denn an ihm haben wir uns nicht selbst überwunden, haben wir das Brandopfer unserer Hingabe Gott nicht dargebracht.
989 Hast du dann und wann, bei dieser oder jener Kleinigkeit, deinen Neigungen und Launen zu widerstehen versucht? Sieh, der dich darum bittet – Er ist für dich ans Kreuz geschlagen, Er leidet unsagbar an Leib und Seele, Er trägt eine Dornenkrone um deinetwillen.
990 Du erweist dich als ein großartiger Theoretiker… Aber – nicht einmal in Belanglosigkeiten bist du bereit nachzugeben. Deshalb glaube ich nicht, daß du wirklich den Geist der Abtötung hast.
991 In der sorgfältigen Beachtung der vielen kleinen Dinge zeigt sich beständig der Geist der Abtötung. Sie ist, zu allem anderen, der Weg, um den Mitmenschen das Leben etwas angenehmer zu machen.
992 Ich ziehe die Tugenden den Kasteiungen vor – so, wenn auch mit anderen Worten, spricht Jahwe zum auserwählten Volk, das sich allzuleicht mit äußeren Riten begnügte und damit selbst betrog.
Wir müssen deshalb der Buße und der Abtötung in unserem täglichen Leben den richtigen Stellenwert geben. Sie sind wahre Zeichen der Liebe zu Gott und zum Nächsten.
993 Im betrachtenden Gebet tritt die Passion unseres Herrn aus dem leblosen Rahmen der Geschichte heraus. Sie ist aber auch nicht mehr Gegenstand frommer Erwägung, sondern sie ersteht vor unserem Auge als das schreckliche, erdrückende, grausame und blutige Opfer, das sie war – als die äußerste Tat der göttlichen Liebe…
Und bei diesem Anblick geht uns auf, daß die Sünde unendlich mehr ist als nur ein kleiner "Schreibfehler" von uns. Sündigen heißt: Christus kreuzigen, Ihm Hände und Füße durchbohren, Ihm das Herz zerreißen…
994 Wenn du wirklich eine sühnende Seele – eine sühnende und frohe Seele! – sein willst, mußt du vor allem die Zeiten deines täglichen Gebetes sicherstellen; die Zeiten für ein zutiefst vertrauensvolles, großherziges, ausdauerndes Beten! Bemühe dich darum, nicht nach Lust und Laune dein Gebet zu halten, sondern – wenn irgend möglich – zu dem vorgesehenen Zeitpunkt. Sei in diesen kleinen Details nicht nachlässig!
Mache dich geradezu zum "Sklaven" dieser täglichen Aussprache mit Gott – und ich versichere dir: niemals wird dir die Freude fehlen!
995 Der Sieg eines Christen wurzelt immer im Kreuz, in der Selbstverleugnung, denn sie ermöglicht, daß die Allmacht Gottes zur Wirkung kommt.
996 Wenn du an dein vergangenes Leben denkst – an ein Leben ohne Höhen und Tiefen – , dann mache dir klar, wieviel Zeit du verloren hast und frage dich auch, wie du sie zurückgewinnen kannst – durch Buße und eine tiefere Hingabe.
997 Bei dem Gedanken an all das, was in deinem Leben wertlos geblieben ist, weil du es Gott nicht dargebracht hast, solltest du "geizig" danach streben, jetzt noch sehr vieles zu sammeln. Dazu gehört auch, Leiden und Schmerzen nicht aus dem Wege zu gehen. – Denn sie sind ja die ständigen Begleiter der Geschöpfe – sie nicht zum Heil zu nutzen, wäre Torheit!
998 Du bist ein Oppositionsgeist und hast Lust am Widerspruch?… Nun gut: Übe dich darin, gegen dich selbst zu opponieren, dir selbst zu widersprechen!
999 Es ist Nacht. Die Heilige Familie ruht. Der Engel erscheint Josef im Traum und befiehlt, nach Ägypten zu fliehen. Maria und Josef nehmen das Kind und machen sich sofort auf den Weg. Weder lehnen sie sich auf, noch suchen sie auszuweichen, noch warten sie, bis es Tag wird.
Sag Unserer Lieben Frau, unserer Mutter Maria, und dem heiligen Josef, unserem Vater und Herrn, daß auch wir, ohne zu zögern, in jeder Widrigkeit, die uns unerwartet trifft, die Gelegenheit zur Buße erkennen und sie liebend annehmen wollen.
1000 Ich schreibe diesen letzten Punkt, damit du und ich das Buch mit einem Lächeln schließen können. So dürfen denn die geschätzten Leser, die – naiv oder argwöhnisch – in den 999 Punkten des "Weges" ein kabbalistisches Geheimnis witterten, ihre Ruhe wiederfinden.